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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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man anziehen? Nein, der deutsche Landmann, der seine Heimath einmal aufzuge¬
ben entschlossen ist, trage die Wiege seiner Kiuder lieber nach Pensylvanien. -

Auf ein paar hundert Meilen Entfernung mehr kommt es nicht an. Der
weite Ocean ist keine Kluft, sondern eine Brücke zwischen Alt- und Nendentsch-
land. Selbst uuter den Rothhäuten wird er sich nicht so verloren fühlen, wie auf
den Pußten, aus deren Grunde das Blut der Völkerhetze zum Himmel um Rache
schreit....

Doch Predigen ist eitel. Und spräche Schwarzenberg zehnmal offener und bur¬
lesker als meine Phantasie ihn sprechen ließ, er würde den Professor und Minister
Pfordten doch gewinnen, denn Pfordten muß bereits mit unheilbarem Großdeutsch-
thum geschlagen sein, sonst hätte er unmöglich als Ritter "der glorreichen 1000-
jährigen Partikulargeschichte", als Paladin der bairischen Politik, nach Wien
kommen können.

Großdentschland hat nur noch einen Lindwurm zu erlegen, und der heißt:
Magyarieu. Es ist wahr, aller Unternehmungsgeist, alle Ritterlichkeit, alle Ener¬
gie stehn auf magyarischer, alles Zopfthum anf östreichisch-russischer Seite -- ich
werde dies Thema nächstens ausführlich behandeln -- aber die slavisch-östreichische
Sündfluth wird den stolzen Felsen untergraben; die ungeheuere Majorität der
Flinten- und Kanonenkugeln wird abstimmen und das Magyarcnvolk zum Schwei¬
gen bringen, auf ein Jahrfüuf wenigstens. Dann wird Oestreich den deutschen
Zuständen eine noch größere Aufmerksamkeit schenken als jetzt. Es wird ja.hof¬
fentlich nicht an einem zeitgemäßen Krawall da oder dort in Mitteldeutschland
fehlen, der die Hilfe der ersten deutschen Macht wünschenswerth erscheinen läßt.
Diese wird sogar genöthigt sein, wie Rußland in Ungarn, die eigenen Feinde
aus deutschem Gebiet zu bekämpfen. Der Kreuzzug wird nicht gegen das consti-
tutionelle Unwesen gerichtet sein, -- behüte, -- nur gegen die Umsturzpartei,
welche, unter dem Vorwande, für eine Verfassung zu kämpfen, mit communisti-
schen Zahn an den Wurzeln der Gesellschaft nagt. Und dann wird ein Tag kom¬
men, da man sagen wird: Das Jahr 1848 ist ein schöner Traum gewesen.

Wenn Sie wüßten, welche Pläne in den Salons unserer militärischen Di¬
plomatie mit gemüthlicher Offenheit besprochen werden, so würden Sie meine
Worte nicht als Schwarzmalerei belächeln, wie Sie jetzt wahrscheinlich thun. --
Trösten wir uns mit dem Sprichwort: Man soll den Tag nicht vor dem Abend
tadeln.




man anziehen? Nein, der deutsche Landmann, der seine Heimath einmal aufzuge¬
ben entschlossen ist, trage die Wiege seiner Kiuder lieber nach Pensylvanien. -

Auf ein paar hundert Meilen Entfernung mehr kommt es nicht an. Der
weite Ocean ist keine Kluft, sondern eine Brücke zwischen Alt- und Nendentsch-
land. Selbst uuter den Rothhäuten wird er sich nicht so verloren fühlen, wie auf
den Pußten, aus deren Grunde das Blut der Völkerhetze zum Himmel um Rache
schreit....

Doch Predigen ist eitel. Und spräche Schwarzenberg zehnmal offener und bur¬
lesker als meine Phantasie ihn sprechen ließ, er würde den Professor und Minister
Pfordten doch gewinnen, denn Pfordten muß bereits mit unheilbarem Großdeutsch-
thum geschlagen sein, sonst hätte er unmöglich als Ritter „der glorreichen 1000-
jährigen Partikulargeschichte", als Paladin der bairischen Politik, nach Wien
kommen können.

Großdentschland hat nur noch einen Lindwurm zu erlegen, und der heißt:
Magyarieu. Es ist wahr, aller Unternehmungsgeist, alle Ritterlichkeit, alle Ener¬
gie stehn auf magyarischer, alles Zopfthum anf östreichisch-russischer Seite — ich
werde dies Thema nächstens ausführlich behandeln — aber die slavisch-östreichische
Sündfluth wird den stolzen Felsen untergraben; die ungeheuere Majorität der
Flinten- und Kanonenkugeln wird abstimmen und das Magyarcnvolk zum Schwei¬
gen bringen, auf ein Jahrfüuf wenigstens. Dann wird Oestreich den deutschen
Zuständen eine noch größere Aufmerksamkeit schenken als jetzt. Es wird ja.hof¬
fentlich nicht an einem zeitgemäßen Krawall da oder dort in Mitteldeutschland
fehlen, der die Hilfe der ersten deutschen Macht wünschenswerth erscheinen läßt.
Diese wird sogar genöthigt sein, wie Rußland in Ungarn, die eigenen Feinde
aus deutschem Gebiet zu bekämpfen. Der Kreuzzug wird nicht gegen das consti-
tutionelle Unwesen gerichtet sein, — behüte, — nur gegen die Umsturzpartei,
welche, unter dem Vorwande, für eine Verfassung zu kämpfen, mit communisti-
schen Zahn an den Wurzeln der Gesellschaft nagt. Und dann wird ein Tag kom¬
men, da man sagen wird: Das Jahr 1848 ist ein schöner Traum gewesen.

Wenn Sie wüßten, welche Pläne in den Salons unserer militärischen Di¬
plomatie mit gemüthlicher Offenheit besprochen werden, so würden Sie meine
Worte nicht als Schwarzmalerei belächeln, wie Sie jetzt wahrscheinlich thun. —
Trösten wir uns mit dem Sprichwort: Man soll den Tag nicht vor dem Abend
tadeln.




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[0509] man anziehen? Nein, der deutsche Landmann, der seine Heimath einmal aufzuge¬ ben entschlossen ist, trage die Wiege seiner Kiuder lieber nach Pensylvanien. - Auf ein paar hundert Meilen Entfernung mehr kommt es nicht an. Der weite Ocean ist keine Kluft, sondern eine Brücke zwischen Alt- und Nendentsch- land. Selbst uuter den Rothhäuten wird er sich nicht so verloren fühlen, wie auf den Pußten, aus deren Grunde das Blut der Völkerhetze zum Himmel um Rache schreit.... Doch Predigen ist eitel. Und spräche Schwarzenberg zehnmal offener und bur¬ lesker als meine Phantasie ihn sprechen ließ, er würde den Professor und Minister Pfordten doch gewinnen, denn Pfordten muß bereits mit unheilbarem Großdeutsch- thum geschlagen sein, sonst hätte er unmöglich als Ritter „der glorreichen 1000- jährigen Partikulargeschichte", als Paladin der bairischen Politik, nach Wien kommen können. Großdentschland hat nur noch einen Lindwurm zu erlegen, und der heißt: Magyarieu. Es ist wahr, aller Unternehmungsgeist, alle Ritterlichkeit, alle Ener¬ gie stehn auf magyarischer, alles Zopfthum anf östreichisch-russischer Seite — ich werde dies Thema nächstens ausführlich behandeln — aber die slavisch-östreichische Sündfluth wird den stolzen Felsen untergraben; die ungeheuere Majorität der Flinten- und Kanonenkugeln wird abstimmen und das Magyarcnvolk zum Schwei¬ gen bringen, auf ein Jahrfüuf wenigstens. Dann wird Oestreich den deutschen Zuständen eine noch größere Aufmerksamkeit schenken als jetzt. Es wird ja.hof¬ fentlich nicht an einem zeitgemäßen Krawall da oder dort in Mitteldeutschland fehlen, der die Hilfe der ersten deutschen Macht wünschenswerth erscheinen läßt. Diese wird sogar genöthigt sein, wie Rußland in Ungarn, die eigenen Feinde aus deutschem Gebiet zu bekämpfen. Der Kreuzzug wird nicht gegen das consti- tutionelle Unwesen gerichtet sein, — behüte, — nur gegen die Umsturzpartei, welche, unter dem Vorwande, für eine Verfassung zu kämpfen, mit communisti- schen Zahn an den Wurzeln der Gesellschaft nagt. Und dann wird ein Tag kom¬ men, da man sagen wird: Das Jahr 1848 ist ein schöner Traum gewesen. Wenn Sie wüßten, welche Pläne in den Salons unserer militärischen Di¬ plomatie mit gemüthlicher Offenheit besprochen werden, so würden Sie meine Worte nicht als Schwarzmalerei belächeln, wie Sie jetzt wahrscheinlich thun. — Trösten wir uns mit dem Sprichwort: Man soll den Tag nicht vor dem Abend tadeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/509>, abgerufen am 15.01.2025.