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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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gut es dem wackern Mann seine Korpulenz erlaubte, sichtlich überrascht auf und
fiel mir mit einem herzlichen Kuß um den Hals. Es war ein alter lieber Be¬
kannter! -- Herr Paul Stamatovic, der Protvpresbytcr, derselbe, welcher wah¬
rend des Slavencongresses die berühmt gewordene, vielfach verketzerte Slavenmesse
auf dem Roßmarkte zu Prag gelesen hatte. Ans einer Barrikade hatten wir uns
zum letzten Male gesehen! In Wien war mir ein magyarisches Journal mit der
Zeituugslüge in die Hand gekommen, der Priester der Slavenmcsse sei auf seiner
Heimreise bei Preßburg ergriffen und auf die Festung Munkacz gebracht worden.
Ich freute mich also doppelt, den würdigen Herrn als Knicaniu's Feldpater fröh¬
lich und wohlbehäbig wiederzusehen. Während Obrist Knicanin die überreichten
Depeschen durchflog, hatte ich Muße, das ganze Zelt zu mustern. Im dunkelsten
Winkel zwischen Tellern, Kaffeetassen und Tabakspfeifen kauerte ein böhmischer
Mönch (Kaludjcr), ein zweiter Adhemar von Puy, eine Mischung von Geistlich
und Kriegerisch; über die schwarze Klosterkutte war ein Ledergurt geschnallt, in
dem ein Handczar nud zwei Pistolen steckten; sein ausdrucksvolles, gefurchtes Ge¬
sicht, die kühne Habichtsnase und der struppige, bereits mit Grau vermischte Bart
harmonirte mit dem Waffenschmuck mehr, als mit dem geistlichen Gewand und
seiner runden, griechischen Priestermütze. Derlei Erscheinungen sind übrigens in
Serbien, Bosnien, Herzogvwiua und Montenegro nichts Seltenes; ich fand später
unter den Freischärlcrn im Tvmasevacer Lager mehre gesalbte Häupter, die Säbel
und Muskete zu handhaben verstanden, wie Meßkelch und Monstranz. -- Auf
einem Feldstuhl am Eingang des Zeltes streckte sich das halbkahle Haupt aus den
Korbgriff seines mächtigen Pallasches gestützt, die lauge" Beine weit ausgereckt,
ein ältlicher Mann in russischer Kampagnenniform, es war Major M., ein Serbe
von Geburt, der früher im Generalstabe des Pravoslavny Car gestanden, ein Hau¬
degen und tüchtiger Strategiker! --

Unsere Unterhaltung mit Feldherrn und Feldkaplan war eben im besten Zuge
und fing an höchst interessant zu werden, als ein Diener mit der Meldung, die
Tafel sei gedeckt, den Faden der Conversation abschnitt, welcher sich grade über
Frankfurt und Deutschland dahuispann. Wir gingen mit kriegerischen Absichten
in das Speisezelt, wo des Feldherrn Tisch für zwölf Personen gedeckt war. Neben
Knicanin, dem Major M., beiden Popen und uns vervollständigten zwei Adju¬
tanten in serbischer Uniform, des Obristen Secretair und drei ganz rationell ko-
stnmirte junge Männer, deren einer einen Turban trug, die Tafelrunde. -- "Der
mit dem Turban" -- erklärte Freund Stamatovic -- "ist einer unserer tüchtigsten
Artillerieoffiziere, ein Türke aus Constantinopel, welcher mit einer erlesenen
Reiterschaar von 4t> Köpfen meist Türken oder arnanttsche Zigeuner -- her-
überkam und Handgeld nahm. Dort der junge schmächtige Bursch im schmucken
NativnaMeid muß Sie als lebendiges Abbild seines berühmten Großvaters in-
teressiren, dem er wie aus den Auge" geschnitten gleich sehen soll. Er ist des


gut es dem wackern Mann seine Korpulenz erlaubte, sichtlich überrascht auf und
fiel mir mit einem herzlichen Kuß um den Hals. Es war ein alter lieber Be¬
kannter! — Herr Paul Stamatovic, der Protvpresbytcr, derselbe, welcher wah¬
rend des Slavencongresses die berühmt gewordene, vielfach verketzerte Slavenmesse
auf dem Roßmarkte zu Prag gelesen hatte. Ans einer Barrikade hatten wir uns
zum letzten Male gesehen! In Wien war mir ein magyarisches Journal mit der
Zeituugslüge in die Hand gekommen, der Priester der Slavenmcsse sei auf seiner
Heimreise bei Preßburg ergriffen und auf die Festung Munkacz gebracht worden.
Ich freute mich also doppelt, den würdigen Herrn als Knicaniu's Feldpater fröh¬
lich und wohlbehäbig wiederzusehen. Während Obrist Knicanin die überreichten
Depeschen durchflog, hatte ich Muße, das ganze Zelt zu mustern. Im dunkelsten
Winkel zwischen Tellern, Kaffeetassen und Tabakspfeifen kauerte ein böhmischer
Mönch (Kaludjcr), ein zweiter Adhemar von Puy, eine Mischung von Geistlich
und Kriegerisch; über die schwarze Klosterkutte war ein Ledergurt geschnallt, in
dem ein Handczar nud zwei Pistolen steckten; sein ausdrucksvolles, gefurchtes Ge¬
sicht, die kühne Habichtsnase und der struppige, bereits mit Grau vermischte Bart
harmonirte mit dem Waffenschmuck mehr, als mit dem geistlichen Gewand und
seiner runden, griechischen Priestermütze. Derlei Erscheinungen sind übrigens in
Serbien, Bosnien, Herzogvwiua und Montenegro nichts Seltenes; ich fand später
unter den Freischärlcrn im Tvmasevacer Lager mehre gesalbte Häupter, die Säbel
und Muskete zu handhaben verstanden, wie Meßkelch und Monstranz. — Auf
einem Feldstuhl am Eingang des Zeltes streckte sich das halbkahle Haupt aus den
Korbgriff seines mächtigen Pallasches gestützt, die lauge« Beine weit ausgereckt,
ein ältlicher Mann in russischer Kampagnenniform, es war Major M., ein Serbe
von Geburt, der früher im Generalstabe des Pravoslavny Car gestanden, ein Hau¬
degen und tüchtiger Strategiker! —

Unsere Unterhaltung mit Feldherrn und Feldkaplan war eben im besten Zuge
und fing an höchst interessant zu werden, als ein Diener mit der Meldung, die
Tafel sei gedeckt, den Faden der Conversation abschnitt, welcher sich grade über
Frankfurt und Deutschland dahuispann. Wir gingen mit kriegerischen Absichten
in das Speisezelt, wo des Feldherrn Tisch für zwölf Personen gedeckt war. Neben
Knicanin, dem Major M., beiden Popen und uns vervollständigten zwei Adju¬
tanten in serbischer Uniform, des Obristen Secretair und drei ganz rationell ko-
stnmirte junge Männer, deren einer einen Turban trug, die Tafelrunde. — „Der
mit dem Turban" — erklärte Freund Stamatovic — „ist einer unserer tüchtigsten
Artillerieoffiziere, ein Türke aus Constantinopel, welcher mit einer erlesenen
Reiterschaar von 4t> Köpfen meist Türken oder arnanttsche Zigeuner — her-
überkam und Handgeld nahm. Dort der junge schmächtige Bursch im schmucken
NativnaMeid muß Sie als lebendiges Abbild seines berühmten Großvaters in-
teressiren, dem er wie aus den Auge» geschnitten gleich sehen soll. Er ist des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/50>, abgerufen am 15.01.2025.