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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Thier! Einen Stein könnt' es erbarmen! Herr Jesus, laß es drüben seinen
Herrn wieder finden. Amen!" --

Rheinische Demokraten werden diese rührende Anhänglichkeit eines Thieres,
die verthierte Subordination eines zu Tode gehetzten Gaules
nennen. Gegen solche Ausdrücke müssen wir uns aber im Namen aller Husaren¬
pferde aufs feierlichste verwahre", so feierlich, wie sich der östreichische Korrespon¬
dent, das Organ Schwarzenbcrgs und des Wiener Hofes im Namen aller Esel
gegen die Zusammenkunft Gagerns und seiner Freunde in Gotha verwahrt hat.
Den Mer scheu überrascht oft die Liebe im Traum, in einer Postkutsche, in der
Oper, bei einer Quadrille; wo aber ein Thier die ganze Macht instinktartiger
Zuneigung einem Menschen zuwendet, da muß es durch Positiveres als durch die
Laune des Augenblicks bewegt werden. Sie lächeln Madame! und nennen eine
solche vierbeinige Liebe egoistisch. Mag sein, aber dafür hält sie länger Stich.
Das Hnsarenpferd darf seinen Reiter lieben ohne zu erröthen, denn es wird ihm
mit Liebe in gleichem Maße entgegenkommen. Das I es des Husaren ist, so lange
er lebt, die zweite Person, sein Pferd ist die erste, Er trinkt nicht und müßt'
er verdursten, bevor sein Pferd nicht versorgt ist; er ißt nicht 'ind müßt' er ver¬
hungern, so lange es nicht Heu oder Hafer zwischen den Zähnen knabbert, und
bevor das Roß nicht seine Streu hat geht er sicherlich selber nicht zur Und! Der
Husar hält sich für so klug, wie uur irgend eine" Menschen auf der Welt, sein
Pferd aber hält er für noch klüger als sich. Er muß wohl seine Gründe dazu
haben, denn er sitzt Stunden lang im Stalle neben ihm, und spricht mit ihm
und erzählt ihm Geschichten von Arpad und Mathyas und stellt Fragen und re-
plicirt auf die Antwort, die Niemandem außer ihm verständlich ist, und vergißt
auf die Kameraden und das Wirthshaus , und wenn er dann aus dem Stalle
herauskriecht, macht er ein zufriedenes Gesicht wie ein fleißiger Student nach einer
profitabler Vorlesung. Aber ins Wirthshaus zu gehn, ist schon zu spät -- "die
Schincickelkatz hat ihn einmal wieder über Gebühr aufgehalten" -- nun denn in
Gottes Namen kauft er sich noch eine Blase voll Tubal und -- um einen Gro¬
schen Seisengeist für die Schmcichelkatz.

Ja -- Seifengcist für's Pferd, das macht eine große Ziffer in der Rubrik
seiner Ausgaben. Heu nud Hafer gibt das Regiment, aber damit wird noch lange
kein Pferd stark und gesund; es braucht Scifeugeist für seine Glieder, und das
bezahlt der Mann aus seinem Beutel. Scifeugeist für'S Pferd, das ist seine Lei¬
denschaft. Er könnte mit Gott schmollen, daß der Plattensee nicht voll dieser stär¬
kenden Essenz ist, um seinen Freund dahin ins Bad zu schicken.

"Sehn Sie, Anno nenne" -- so erzählte mir ein alter pensionirter Oberst,
der von jedem Mann aus seiner Truppe ein Dutzend Geschichten wußte -- "da
hatte ein Korporal von unserm Regimente einen feindlichen Major gefangen. Sie
waren beide gut beritten gewesen, und mein alter Johl -- Gott hab' ihn selig


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Thier! Einen Stein könnt' es erbarmen! Herr Jesus, laß es drüben seinen
Herrn wieder finden. Amen!" —

Rheinische Demokraten werden diese rührende Anhänglichkeit eines Thieres,
die verthierte Subordination eines zu Tode gehetzten Gaules
nennen. Gegen solche Ausdrücke müssen wir uns aber im Namen aller Husaren¬
pferde aufs feierlichste verwahre«, so feierlich, wie sich der östreichische Korrespon¬
dent, das Organ Schwarzenbcrgs und des Wiener Hofes im Namen aller Esel
gegen die Zusammenkunft Gagerns und seiner Freunde in Gotha verwahrt hat.
Den Mer scheu überrascht oft die Liebe im Traum, in einer Postkutsche, in der
Oper, bei einer Quadrille; wo aber ein Thier die ganze Macht instinktartiger
Zuneigung einem Menschen zuwendet, da muß es durch Positiveres als durch die
Laune des Augenblicks bewegt werden. Sie lächeln Madame! und nennen eine
solche vierbeinige Liebe egoistisch. Mag sein, aber dafür hält sie länger Stich.
Das Hnsarenpferd darf seinen Reiter lieben ohne zu erröthen, denn es wird ihm
mit Liebe in gleichem Maße entgegenkommen. Das I es des Husaren ist, so lange
er lebt, die zweite Person, sein Pferd ist die erste, Er trinkt nicht und müßt'
er verdursten, bevor sein Pferd nicht versorgt ist; er ißt nicht 'ind müßt' er ver¬
hungern, so lange es nicht Heu oder Hafer zwischen den Zähnen knabbert, und
bevor das Roß nicht seine Streu hat geht er sicherlich selber nicht zur Und! Der
Husar hält sich für so klug, wie uur irgend eine» Menschen auf der Welt, sein
Pferd aber hält er für noch klüger als sich. Er muß wohl seine Gründe dazu
haben, denn er sitzt Stunden lang im Stalle neben ihm, und spricht mit ihm
und erzählt ihm Geschichten von Arpad und Mathyas und stellt Fragen und re-
plicirt auf die Antwort, die Niemandem außer ihm verständlich ist, und vergißt
auf die Kameraden und das Wirthshaus , und wenn er dann aus dem Stalle
herauskriecht, macht er ein zufriedenes Gesicht wie ein fleißiger Student nach einer
profitabler Vorlesung. Aber ins Wirthshaus zu gehn, ist schon zu spät — „die
Schincickelkatz hat ihn einmal wieder über Gebühr aufgehalten" -- nun denn in
Gottes Namen kauft er sich noch eine Blase voll Tubal und — um einen Gro¬
schen Seisengeist für die Schmcichelkatz.

Ja — Seifengcist für's Pferd, das macht eine große Ziffer in der Rubrik
seiner Ausgaben. Heu nud Hafer gibt das Regiment, aber damit wird noch lange
kein Pferd stark und gesund; es braucht Scifeugeist für seine Glieder, und das
bezahlt der Mann aus seinem Beutel. Scifeugeist für'S Pferd, das ist seine Lei¬
denschaft. Er könnte mit Gott schmollen, daß der Plattensee nicht voll dieser stär¬
kenden Essenz ist, um seinen Freund dahin ins Bad zu schicken.

„Sehn Sie, Anno nenne" — so erzählte mir ein alter pensionirter Oberst,
der von jedem Mann aus seiner Truppe ein Dutzend Geschichten wußte — „da
hatte ein Korporal von unserm Regimente einen feindlichen Major gefangen. Sie
waren beide gut beritten gewesen, und mein alter Johl — Gott hab' ihn selig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/499>, abgerufen am 15.01.2025.