Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu Cravallen, zu Siegen, aber nicht zu Barrikadenkämpfer gestalten konnte, das
will ich hier versuchen, auseinander zu setzen.

Ich werde nicht sprechen vom juridischen Rechte der Magyaren -- einen hei¬
ligerer Kampf als deu des deutschen Volkes in diesen Jahren hat es in der Ge¬
schichte nie gegeben; ich werde auch nicht sprechen von den Männern, die an der
Spitze der Bewegung stehn -- auch in Deutschland wird es uicht an Männern
fehlen, die Größe des Momentes zu erfassen; ich will auch uicht sprechen von den
wahnsinnigen Maßregeln der Negierung -- sie werden überall leicht den Kopf ver¬
lieren; mit Einem Worte, ich will mich in keine Parallele einlassen zwischen der
deutschen und der ungarischen Erhebung, so lehrreich auch dieses Thema werden
könnte; ich will hier blos die Eigenthümlichkeiten Ungarns und seiner Be¬
wohner zu schildern versuchen, welche ihren Kämpfen gegen ein wohlansgerüstetes
eingeübtes Heer sehr zu Statten kamen, und dem deutschen Leser einiges Interesse
abgewinnen können. Sie werden bald sehn, daß diese Eigenthümlichkeiten im
Ganzen nicht eben sehr beneidenswerther Natur send, so poetisch sie sich auch
darstellen.

Die humusreiche Schwärze des Bodeus ist die Lichtseite des Landes. Der
Landmann, der ein Feld sein eigen nennt, ist mehr dessen Rentier als dessen Behälter.
Er pflügt nicht, und säet nicht, und erntet nicht, und ißt sein Brot uicht im Schweiße
seines Angesichts und schlägt somit dem Fluche Gottes vom ersten SchöpfungSjahr
ein Schnippchen. Im Frühjahr komme" Caravanen dürftiger Mährer über die
Grenze und der Slovake kömmt mit Weib und Kind in die fruchtbaren Ebenen
des Magyaren. Sie bebauen ihm gegen Lohn sein Feld, im Herbste schneiden
sie ihm sei" Korn. Er scU'se reitet mit seinen Jungen des Morgens n"d in der
Abendkühle hinaus auf den Acker, um nachzusehen, und im Schatten einer
Kukuruzstaude seine Pfeife zu rauchen. Im Winter zehrt er dann wie ein Mur-
melthier an seinem Fette und an dem seines Schweines, an Brot ist kein Mangel
auf dem Tische, und an Holz nicht im riesenhaften Ofen. Die Tabaksstaude blüht
im Gärtchen vor der Thüre, und die Rede streckt ihre Augen zum Fenster hinein.
Was kann ihm da der Krieg so Arges anthun? Steckt ihm in Gottes Namen
die Hütte in Brand, so zieht er mit Weib und Kind von dannen. Ihm folgt
sein Pferd treu wie sein Hund, das Dach stürzt ein, der Ofen bleibt, und liegt
das Feld ein Jahr lang brach, so wird es das Blut der Feinde nur noch frucht¬
barer machen.

Unter solchen Verhältnissen ist der Landsturm leicht organisirt, wenn hervor¬
ragende, im Lande geachtete Persönlichkeiten das Landvolk zu fauatisiren verstehen.
Denn so träge der Bauer auch ist, dem Boden ein paar armselige Kohlköpfe ab-
M-iiigeu, so rührig ist er, wenn es sich um den Kopf eines Feindes handelt.
Dazu hat er den Willen, die Kraft und das Temperament. Die alten Türken¬
kriege leben in Legenden und Gesängen unter dem Volke fort, und braucht es jetzt


zu Cravallen, zu Siegen, aber nicht zu Barrikadenkämpfer gestalten konnte, das
will ich hier versuchen, auseinander zu setzen.

Ich werde nicht sprechen vom juridischen Rechte der Magyaren — einen hei¬
ligerer Kampf als deu des deutschen Volkes in diesen Jahren hat es in der Ge¬
schichte nie gegeben; ich werde auch nicht sprechen von den Männern, die an der
Spitze der Bewegung stehn — auch in Deutschland wird es uicht an Männern
fehlen, die Größe des Momentes zu erfassen; ich will auch uicht sprechen von den
wahnsinnigen Maßregeln der Negierung — sie werden überall leicht den Kopf ver¬
lieren; mit Einem Worte, ich will mich in keine Parallele einlassen zwischen der
deutschen und der ungarischen Erhebung, so lehrreich auch dieses Thema werden
könnte; ich will hier blos die Eigenthümlichkeiten Ungarns und seiner Be¬
wohner zu schildern versuchen, welche ihren Kämpfen gegen ein wohlansgerüstetes
eingeübtes Heer sehr zu Statten kamen, und dem deutschen Leser einiges Interesse
abgewinnen können. Sie werden bald sehn, daß diese Eigenthümlichkeiten im
Ganzen nicht eben sehr beneidenswerther Natur send, so poetisch sie sich auch
darstellen.

Die humusreiche Schwärze des Bodeus ist die Lichtseite des Landes. Der
Landmann, der ein Feld sein eigen nennt, ist mehr dessen Rentier als dessen Behälter.
Er pflügt nicht, und säet nicht, und erntet nicht, und ißt sein Brot uicht im Schweiße
seines Angesichts und schlägt somit dem Fluche Gottes vom ersten SchöpfungSjahr
ein Schnippchen. Im Frühjahr komme» Caravanen dürftiger Mährer über die
Grenze und der Slovake kömmt mit Weib und Kind in die fruchtbaren Ebenen
des Magyaren. Sie bebauen ihm gegen Lohn sein Feld, im Herbste schneiden
sie ihm sei« Korn. Er scU'se reitet mit seinen Jungen des Morgens n»d in der
Abendkühle hinaus auf den Acker, um nachzusehen, und im Schatten einer
Kukuruzstaude seine Pfeife zu rauchen. Im Winter zehrt er dann wie ein Mur-
melthier an seinem Fette und an dem seines Schweines, an Brot ist kein Mangel
auf dem Tische, und an Holz nicht im riesenhaften Ofen. Die Tabaksstaude blüht
im Gärtchen vor der Thüre, und die Rede streckt ihre Augen zum Fenster hinein.
Was kann ihm da der Krieg so Arges anthun? Steckt ihm in Gottes Namen
die Hütte in Brand, so zieht er mit Weib und Kind von dannen. Ihm folgt
sein Pferd treu wie sein Hund, das Dach stürzt ein, der Ofen bleibt, und liegt
das Feld ein Jahr lang brach, so wird es das Blut der Feinde nur noch frucht¬
barer machen.

Unter solchen Verhältnissen ist der Landsturm leicht organisirt, wenn hervor¬
ragende, im Lande geachtete Persönlichkeiten das Landvolk zu fauatisiren verstehen.
Denn so träge der Bauer auch ist, dem Boden ein paar armselige Kohlköpfe ab-
M-iiigeu, so rührig ist er, wenn es sich um den Kopf eines Feindes handelt.
Dazu hat er den Willen, die Kraft und das Temperament. Die alten Türken¬
kriege leben in Legenden und Gesängen unter dem Volke fort, und braucht es jetzt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279003"/>
            <p xml:id="ID_1615" prev="#ID_1614"> zu Cravallen, zu Siegen, aber nicht zu Barrikadenkämpfer gestalten konnte, das<lb/>
will ich hier versuchen, auseinander zu setzen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1616"> Ich werde nicht sprechen vom juridischen Rechte der Magyaren &#x2014; einen hei¬<lb/>
ligerer Kampf als deu des deutschen Volkes in diesen Jahren hat es in der Ge¬<lb/>
schichte nie gegeben; ich werde auch nicht sprechen von den Männern, die an der<lb/>
Spitze der Bewegung stehn &#x2014; auch in Deutschland wird es uicht an Männern<lb/>
fehlen, die Größe des Momentes zu erfassen; ich will auch uicht sprechen von den<lb/>
wahnsinnigen Maßregeln der Negierung &#x2014; sie werden überall leicht den Kopf ver¬<lb/>
lieren; mit Einem Worte, ich will mich in keine Parallele einlassen zwischen der<lb/>
deutschen und der ungarischen Erhebung, so lehrreich auch dieses Thema werden<lb/>
könnte; ich will hier blos die Eigenthümlichkeiten Ungarns und seiner Be¬<lb/>
wohner zu schildern versuchen, welche ihren Kämpfen gegen ein wohlansgerüstetes<lb/>
eingeübtes Heer sehr zu Statten kamen, und dem deutschen Leser einiges Interesse<lb/>
abgewinnen können. Sie werden bald sehn, daß diese Eigenthümlichkeiten im<lb/>
Ganzen nicht eben sehr beneidenswerther Natur send, so poetisch sie sich auch<lb/>
darstellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1617"> Die humusreiche Schwärze des Bodeus ist die Lichtseite des Landes. Der<lb/>
Landmann, der ein Feld sein eigen nennt, ist mehr dessen Rentier als dessen Behälter.<lb/>
Er pflügt nicht, und säet nicht, und erntet nicht, und ißt sein Brot uicht im Schweiße<lb/>
seines Angesichts und schlägt somit dem Fluche Gottes vom ersten SchöpfungSjahr<lb/>
ein Schnippchen. Im Frühjahr komme» Caravanen dürftiger Mährer über die<lb/>
Grenze und der Slovake kömmt mit Weib und Kind in die fruchtbaren Ebenen<lb/>
des Magyaren. Sie bebauen ihm gegen Lohn sein Feld, im Herbste schneiden<lb/>
sie ihm sei« Korn. Er scU'se reitet mit seinen Jungen des Morgens n»d in der<lb/>
Abendkühle hinaus auf den Acker, um nachzusehen, und im Schatten einer<lb/>
Kukuruzstaude seine Pfeife zu rauchen. Im Winter zehrt er dann wie ein Mur-<lb/>
melthier an seinem Fette und an dem seines Schweines, an Brot ist kein Mangel<lb/>
auf dem Tische, und an Holz nicht im riesenhaften Ofen. Die Tabaksstaude blüht<lb/>
im Gärtchen vor der Thüre, und die Rede streckt ihre Augen zum Fenster hinein.<lb/>
Was kann ihm da der Krieg so Arges anthun? Steckt ihm in Gottes Namen<lb/>
die Hütte in Brand, so zieht er mit Weib und Kind von dannen. Ihm folgt<lb/>
sein Pferd treu wie sein Hund, das Dach stürzt ein, der Ofen bleibt, und liegt<lb/>
das Feld ein Jahr lang brach, so wird es das Blut der Feinde nur noch frucht¬<lb/>
barer machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1618" next="#ID_1619"> Unter solchen Verhältnissen ist der Landsturm leicht organisirt, wenn hervor¬<lb/>
ragende, im Lande geachtete Persönlichkeiten das Landvolk zu fauatisiren verstehen.<lb/>
Denn so träge der Bauer auch ist, dem Boden ein paar armselige Kohlköpfe ab-<lb/>
M-iiigeu, so rührig ist er, wenn es sich um den Kopf eines Feindes handelt.<lb/>
Dazu hat er den Willen, die Kraft und das Temperament. Die alten Türken¬<lb/>
kriege leben in Legenden und Gesängen unter dem Volke fort, und braucht es jetzt</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0493] zu Cravallen, zu Siegen, aber nicht zu Barrikadenkämpfer gestalten konnte, das will ich hier versuchen, auseinander zu setzen. Ich werde nicht sprechen vom juridischen Rechte der Magyaren — einen hei¬ ligerer Kampf als deu des deutschen Volkes in diesen Jahren hat es in der Ge¬ schichte nie gegeben; ich werde auch nicht sprechen von den Männern, die an der Spitze der Bewegung stehn — auch in Deutschland wird es uicht an Männern fehlen, die Größe des Momentes zu erfassen; ich will auch uicht sprechen von den wahnsinnigen Maßregeln der Negierung — sie werden überall leicht den Kopf ver¬ lieren; mit Einem Worte, ich will mich in keine Parallele einlassen zwischen der deutschen und der ungarischen Erhebung, so lehrreich auch dieses Thema werden könnte; ich will hier blos die Eigenthümlichkeiten Ungarns und seiner Be¬ wohner zu schildern versuchen, welche ihren Kämpfen gegen ein wohlansgerüstetes eingeübtes Heer sehr zu Statten kamen, und dem deutschen Leser einiges Interesse abgewinnen können. Sie werden bald sehn, daß diese Eigenthümlichkeiten im Ganzen nicht eben sehr beneidenswerther Natur send, so poetisch sie sich auch darstellen. Die humusreiche Schwärze des Bodeus ist die Lichtseite des Landes. Der Landmann, der ein Feld sein eigen nennt, ist mehr dessen Rentier als dessen Behälter. Er pflügt nicht, und säet nicht, und erntet nicht, und ißt sein Brot uicht im Schweiße seines Angesichts und schlägt somit dem Fluche Gottes vom ersten SchöpfungSjahr ein Schnippchen. Im Frühjahr komme» Caravanen dürftiger Mährer über die Grenze und der Slovake kömmt mit Weib und Kind in die fruchtbaren Ebenen des Magyaren. Sie bebauen ihm gegen Lohn sein Feld, im Herbste schneiden sie ihm sei« Korn. Er scU'se reitet mit seinen Jungen des Morgens n»d in der Abendkühle hinaus auf den Acker, um nachzusehen, und im Schatten einer Kukuruzstaude seine Pfeife zu rauchen. Im Winter zehrt er dann wie ein Mur- melthier an seinem Fette und an dem seines Schweines, an Brot ist kein Mangel auf dem Tische, und an Holz nicht im riesenhaften Ofen. Die Tabaksstaude blüht im Gärtchen vor der Thüre, und die Rede streckt ihre Augen zum Fenster hinein. Was kann ihm da der Krieg so Arges anthun? Steckt ihm in Gottes Namen die Hütte in Brand, so zieht er mit Weib und Kind von dannen. Ihm folgt sein Pferd treu wie sein Hund, das Dach stürzt ein, der Ofen bleibt, und liegt das Feld ein Jahr lang brach, so wird es das Blut der Feinde nur noch frucht¬ barer machen. Unter solchen Verhältnissen ist der Landsturm leicht organisirt, wenn hervor¬ ragende, im Lande geachtete Persönlichkeiten das Landvolk zu fauatisiren verstehen. Denn so träge der Bauer auch ist, dem Boden ein paar armselige Kohlköpfe ab- M-iiigeu, so rührig ist er, wenn es sich um den Kopf eines Feindes handelt. Dazu hat er den Willen, die Kraft und das Temperament. Die alten Türken¬ kriege leben in Legenden und Gesängen unter dem Volke fort, und braucht es jetzt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/493
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/493>, abgerufen am 15.01.2025.