Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Blättern der Zeitungen, es schwimmt in der Nöthe des Himmels, ja, es liegt Seht, der Tag ist so schön und die Menschen so froh, nud doch ist es in Zur neuesten Geschichte Ungarns. in. Ich sitze im Geiste nach Jahren im Lesesaal einer deutschen Bibliothek. Vor Wie so kömmt's, daß der Kampf in Ungarn so groß, so achtunggebietend, Blättern der Zeitungen, es schwimmt in der Nöthe des Himmels, ja, es liegt Seht, der Tag ist so schön und die Menschen so froh, nud doch ist es in Zur neuesten Geschichte Ungarns. in. Ich sitze im Geiste nach Jahren im Lesesaal einer deutschen Bibliothek. Vor Wie so kömmt's, daß der Kampf in Ungarn so groß, so achtunggebietend, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0492" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279002"/> <p xml:id="ID_1611" prev="#ID_1610"> Blättern der Zeitungen, es schwimmt in der Nöthe des Himmels, ja, es liegt<lb/> auch in dem Kelche der Rosen, es ist Bruderblut, welches dort rinnt, und wir<lb/> einfinden es bei Tag und Nacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1612"> Seht, der Tag ist so schön und die Menschen so froh, nud doch ist es in<lb/> Wien unmöglich zu sagen: nichts von Politik!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Zur neuesten Geschichte Ungarns.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> in.</head><lb/> <p xml:id="ID_1613"> Ich sitze im Geiste nach Jahren im Lesesaal einer deutschen Bibliothek. Vor<lb/> mir ein Schrank voll Bücher groß und klein, dick nud dünn, in Einbänden von<lb/> allen Farben, und auf dem Simse des Schrankes eine Tafel, darauf geschrieben<lb/> steht: Die Revolutionen Deutsch lands vom Jahre 1848 bis 1849.—<lb/> Es mögen an tausend Bände sein, und mich gelüstet, die Titelblätter anzuschaun.<lb/> Da finde ich wohlgeordnet die verschiedenen Berliner und Wiener Revolutionen,<lb/> dann die sächsische, bairische, die badische, die Breslauer, Elberfelder, Tüssel-<lb/> dorfer — und von der Sachsenhauser zwei voluminöse Bände, der dritte ist eben<lb/> ausgeborgt. Ich schäme mich der vielen Dummheiten, welche hier unsern Kindes¬<lb/> kindern überliefert werden schwarz auf weiß, und bücke mich, um mein Erröthen<lb/> zu verbergen nach einem ehrwürdigen Fvliobande, der ganz zu unterst auf einem<lb/> Gestelle einsam dasteht, in Schweinsleder gebunden mit rothem Randschnitt, Mes¬<lb/> singecken und Messingspangen. Es ist die Geschichte der ungarischen Revolution<lb/> und des ungarischen Freiheitskampfes gegen Oestreich und Rußland. Ob der Band<lb/> ans Unkenntniß oder Verständniß des Bibliothekdieners zu den deutschen Un¬<lb/> sterblichkeiten gerathen ist, weiß ich nicht zu sagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1614" next="#ID_1615"> Wie so kömmt's, daß der Kampf in Ungarn so groß, so achtunggebietend,<lb/> die Erhebung deS gebildetsten Volkes der Erde dagegen so kleinlich, so - - jäm¬<lb/> merlich war? — Mein armes theures Deutschland! worin du gefehlt und gesün¬<lb/> digt , das werden dir dieselben gelehrten Männer in umfangreichen Werken am<lb/> besten zu erklären wissen, die selber gefehlt und gesündigt habe» gegen dich, die<lb/> dich und sich betrogen haben aus zu großer Ehrlichkeit, die noch auf die Gro߬<lb/> herzigkeit einzelner hochgeboruer Menschen bauten, nachdem sie den Glauben an<lb/> den gesunden mäßigen Sinn ihres Volkes aufgegeben hatten. Was aber Ungarn<lb/> so stark machte in seinem Kampfe gegen ein Niesenreich, das — ein kindcömör¬<lb/> derisch er Pelikan — sich selber die Brust aufschlitzte, um seiue Jungen im<lb/> Blute zu ersäufen; wie es kam, daß es sich in Ungarn zu Schlachten und nicht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0492]
Blättern der Zeitungen, es schwimmt in der Nöthe des Himmels, ja, es liegt
auch in dem Kelche der Rosen, es ist Bruderblut, welches dort rinnt, und wir
einfinden es bei Tag und Nacht.
Seht, der Tag ist so schön und die Menschen so froh, nud doch ist es in
Wien unmöglich zu sagen: nichts von Politik!
Zur neuesten Geschichte Ungarns.
in.
Ich sitze im Geiste nach Jahren im Lesesaal einer deutschen Bibliothek. Vor
mir ein Schrank voll Bücher groß und klein, dick nud dünn, in Einbänden von
allen Farben, und auf dem Simse des Schrankes eine Tafel, darauf geschrieben
steht: Die Revolutionen Deutsch lands vom Jahre 1848 bis 1849.—
Es mögen an tausend Bände sein, und mich gelüstet, die Titelblätter anzuschaun.
Da finde ich wohlgeordnet die verschiedenen Berliner und Wiener Revolutionen,
dann die sächsische, bairische, die badische, die Breslauer, Elberfelder, Tüssel-
dorfer — und von der Sachsenhauser zwei voluminöse Bände, der dritte ist eben
ausgeborgt. Ich schäme mich der vielen Dummheiten, welche hier unsern Kindes¬
kindern überliefert werden schwarz auf weiß, und bücke mich, um mein Erröthen
zu verbergen nach einem ehrwürdigen Fvliobande, der ganz zu unterst auf einem
Gestelle einsam dasteht, in Schweinsleder gebunden mit rothem Randschnitt, Mes¬
singecken und Messingspangen. Es ist die Geschichte der ungarischen Revolution
und des ungarischen Freiheitskampfes gegen Oestreich und Rußland. Ob der Band
ans Unkenntniß oder Verständniß des Bibliothekdieners zu den deutschen Un¬
sterblichkeiten gerathen ist, weiß ich nicht zu sagen.
Wie so kömmt's, daß der Kampf in Ungarn so groß, so achtunggebietend,
die Erhebung deS gebildetsten Volkes der Erde dagegen so kleinlich, so - - jäm¬
merlich war? — Mein armes theures Deutschland! worin du gefehlt und gesün¬
digt , das werden dir dieselben gelehrten Männer in umfangreichen Werken am
besten zu erklären wissen, die selber gefehlt und gesündigt habe» gegen dich, die
dich und sich betrogen haben aus zu großer Ehrlichkeit, die noch auf die Gro߬
herzigkeit einzelner hochgeboruer Menschen bauten, nachdem sie den Glauben an
den gesunden mäßigen Sinn ihres Volkes aufgegeben hatten. Was aber Ungarn
so stark machte in seinem Kampfe gegen ein Niesenreich, das — ein kindcömör¬
derisch er Pelikan — sich selber die Brust aufschlitzte, um seiue Jungen im
Blute zu ersäufen; wie es kam, daß es sich in Ungarn zu Schlachten und nicht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |