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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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wir es dahin gestellt; wie weit ihr, die sogenannten Centrum-Männer, mit uns
einverstanden seid, das mag in anderen Zeiten einmal zur Sprache kommen. Für
jetzt wissen wir nicht, ob ihr mit uns einverstanden seid über das, was der Au¬
genblick erheischt, wir halten uns an die, von denen wir das wissen.

"Möge es der Regierung nicht blos gelingen, mit der Macht die sie besitzt,
den Aufruhr niederzutreten; möge sie sich auch nie täuschen über die öffentliche
Meinung im Lande. Wir haben Zeiten erlebt, in denen sie sich getäuscht hat.
Ich deute dabei an die Zeit, in der sie sich über ihre Macht, Ordnung nud Gesetz
aufrecht zu halten, -- wie ich glaube -- durch das Geschrei einer Partei täuschen
ließ, aber ich denke dabei auch an eine frühere Zeit, in der sie von einer andern
Partei getäuscht wurde. Möge sie das Beispiel wiederhole", das sie, im Besitz
der Macht, am l>. Dezember 1848 gegeben hat!"




Zur R o f e n z e i t.
Prolog von der Ferdinandsbrücke.



Ich weiß nicht, thut's das Sonnenlicht, oder die schöne Zeit der Rosen, oder
ist etwas Lustiges in der Stadt passirt, aber alle Leute, die heut an mir vorüber-
gehn, sehen aus, als ob sie innerlich lachten. Nicht übermäßig, nur ungefähr
so, wie der arme Schulmeister lächelt, wenn ihn sein Herr Pfarrer einmal auf
eine gemästete Gans einladet; es ist ein allerliebstes heimliches Lachen, es be¬
deutet offenbar: "heut thu' ich mir was Gut's, heut will ich froh sein und heut
nix von Politik." Ja es muß an der Lust liegen, seht nur, wie elastisch sie
ausschreiten, sogar der dicke Herr versucht ausdauernd sich mit den Beinchen im
Schwunge vorwärts zu schnelle", sie wollen hinaus aus deu engen Gassen, in'S
Freie, in's Grüne, unter das schöne blaue Zelt, das ihnen die Natur, die alte
würdige Schenkwirthin ausgespannt hat. Und diese Kinder, nein diese Kinder,
so viel Kinder hat Wien nie gehabt, als in diesem Nevolntivnsjahr. -- Meine
Herren, wir Alle wissen nicht, wohin es in diesem furchtbaren Jahr mit dem
Kaiserstaat noch kommen wird, wenigstens in jener Vergangenheit, als man auf
meiner Brücke noch von Politik sprechen durfte, sagten Einige: der arme Kaiser¬
staat kann's nicht aushalten, und Andere wieder: vielleicht thut er's doch noch
einmal; aber wie es auch mit dem Staat Oestreich werde, eins steht fest, die
Oestreicher hören nicht auf, darauf kann sich Europa verlassen; wenigstens meine
Wiener werden da sein, so lange noch irgend eine Möglichkeit vorhanden ist, auf
dieser Erde "menschlich mit Menschen umzugehn," wie ihr Nordländer sagt, oder


<S"n,bot"n. II. I""9. K2

wir es dahin gestellt; wie weit ihr, die sogenannten Centrum-Männer, mit uns
einverstanden seid, das mag in anderen Zeiten einmal zur Sprache kommen. Für
jetzt wissen wir nicht, ob ihr mit uns einverstanden seid über das, was der Au¬
genblick erheischt, wir halten uns an die, von denen wir das wissen.

„Möge es der Regierung nicht blos gelingen, mit der Macht die sie besitzt,
den Aufruhr niederzutreten; möge sie sich auch nie täuschen über die öffentliche
Meinung im Lande. Wir haben Zeiten erlebt, in denen sie sich getäuscht hat.
Ich deute dabei an die Zeit, in der sie sich über ihre Macht, Ordnung nud Gesetz
aufrecht zu halten, — wie ich glaube — durch das Geschrei einer Partei täuschen
ließ, aber ich denke dabei auch an eine frühere Zeit, in der sie von einer andern
Partei getäuscht wurde. Möge sie das Beispiel wiederhole», das sie, im Besitz
der Macht, am l>. Dezember 1848 gegeben hat!"




Zur R o f e n z e i t.
Prolog von der Ferdinandsbrücke.



Ich weiß nicht, thut's das Sonnenlicht, oder die schöne Zeit der Rosen, oder
ist etwas Lustiges in der Stadt passirt, aber alle Leute, die heut an mir vorüber-
gehn, sehen aus, als ob sie innerlich lachten. Nicht übermäßig, nur ungefähr
so, wie der arme Schulmeister lächelt, wenn ihn sein Herr Pfarrer einmal auf
eine gemästete Gans einladet; es ist ein allerliebstes heimliches Lachen, es be¬
deutet offenbar: „heut thu' ich mir was Gut's, heut will ich froh sein und heut
nix von Politik." Ja es muß an der Lust liegen, seht nur, wie elastisch sie
ausschreiten, sogar der dicke Herr versucht ausdauernd sich mit den Beinchen im
Schwunge vorwärts zu schnelle», sie wollen hinaus aus deu engen Gassen, in'S
Freie, in's Grüne, unter das schöne blaue Zelt, das ihnen die Natur, die alte
würdige Schenkwirthin ausgespannt hat. Und diese Kinder, nein diese Kinder,
so viel Kinder hat Wien nie gehabt, als in diesem Nevolntivnsjahr. — Meine
Herren, wir Alle wissen nicht, wohin es in diesem furchtbaren Jahr mit dem
Kaiserstaat noch kommen wird, wenigstens in jener Vergangenheit, als man auf
meiner Brücke noch von Politik sprechen durfte, sagten Einige: der arme Kaiser¬
staat kann's nicht aushalten, und Andere wieder: vielleicht thut er's doch noch
einmal; aber wie es auch mit dem Staat Oestreich werde, eins steht fest, die
Oestreicher hören nicht auf, darauf kann sich Europa verlassen; wenigstens meine
Wiener werden da sein, so lange noch irgend eine Möglichkeit vorhanden ist, auf
dieser Erde „menschlich mit Menschen umzugehn," wie ihr Nordländer sagt, oder


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[0489] wir es dahin gestellt; wie weit ihr, die sogenannten Centrum-Männer, mit uns einverstanden seid, das mag in anderen Zeiten einmal zur Sprache kommen. Für jetzt wissen wir nicht, ob ihr mit uns einverstanden seid über das, was der Au¬ genblick erheischt, wir halten uns an die, von denen wir das wissen. „Möge es der Regierung nicht blos gelingen, mit der Macht die sie besitzt, den Aufruhr niederzutreten; möge sie sich auch nie täuschen über die öffentliche Meinung im Lande. Wir haben Zeiten erlebt, in denen sie sich getäuscht hat. Ich deute dabei an die Zeit, in der sie sich über ihre Macht, Ordnung nud Gesetz aufrecht zu halten, — wie ich glaube — durch das Geschrei einer Partei täuschen ließ, aber ich denke dabei auch an eine frühere Zeit, in der sie von einer andern Partei getäuscht wurde. Möge sie das Beispiel wiederhole», das sie, im Besitz der Macht, am l>. Dezember 1848 gegeben hat!" Zur R o f e n z e i t. Prolog von der Ferdinandsbrücke. Ich weiß nicht, thut's das Sonnenlicht, oder die schöne Zeit der Rosen, oder ist etwas Lustiges in der Stadt passirt, aber alle Leute, die heut an mir vorüber- gehn, sehen aus, als ob sie innerlich lachten. Nicht übermäßig, nur ungefähr so, wie der arme Schulmeister lächelt, wenn ihn sein Herr Pfarrer einmal auf eine gemästete Gans einladet; es ist ein allerliebstes heimliches Lachen, es be¬ deutet offenbar: „heut thu' ich mir was Gut's, heut will ich froh sein und heut nix von Politik." Ja es muß an der Lust liegen, seht nur, wie elastisch sie ausschreiten, sogar der dicke Herr versucht ausdauernd sich mit den Beinchen im Schwunge vorwärts zu schnelle», sie wollen hinaus aus deu engen Gassen, in'S Freie, in's Grüne, unter das schöne blaue Zelt, das ihnen die Natur, die alte würdige Schenkwirthin ausgespannt hat. Und diese Kinder, nein diese Kinder, so viel Kinder hat Wien nie gehabt, als in diesem Nevolntivnsjahr. — Meine Herren, wir Alle wissen nicht, wohin es in diesem furchtbaren Jahr mit dem Kaiserstaat noch kommen wird, wenigstens in jener Vergangenheit, als man auf meiner Brücke noch von Politik sprechen durfte, sagten Einige: der arme Kaiser¬ staat kann's nicht aushalten, und Andere wieder: vielleicht thut er's doch noch einmal; aber wie es auch mit dem Staat Oestreich werde, eins steht fest, die Oestreicher hören nicht auf, darauf kann sich Europa verlassen; wenigstens meine Wiener werden da sein, so lange noch irgend eine Möglichkeit vorhanden ist, auf dieser Erde „menschlich mit Menschen umzugehn," wie ihr Nordländer sagt, oder <S«n,bot«n. II. I»«9. K2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/489>, abgerufen am 15.01.2025.