Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.und wie daraus das klägliche Schauspiel sich entwickelt hat, daß ein Theil-der Lassen Sie uns miteinander die Grunde in Erwägung zieh", welche sich einer Erstens. Das Ehrgefühl der deutschen Nation sträubt sich dagegen, ein Zweitens. Das in der Revolution entwickelte Rechtsbewußtsein wird ver¬ Drittens. Die Gabe wird noch weiter verdächtigt durck die Geber, und Erlauben Sie, daß ich alle diese Punkte einer nähern Prüfung unterwerfe. Was den ersten betrifft, so können die Männer, deren unmittelbares Werk 60*
und wie daraus das klägliche Schauspiel sich entwickelt hat, daß ein Theil-der Lassen Sie uns miteinander die Grunde in Erwägung zieh», welche sich einer Erstens. Das Ehrgefühl der deutschen Nation sträubt sich dagegen, ein Zweitens. Das in der Revolution entwickelte Rechtsbewußtsein wird ver¬ Drittens. Die Gabe wird noch weiter verdächtigt durck die Geber, und Erlauben Sie, daß ich alle diese Punkte einer nähern Prüfung unterwerfe. Was den ersten betrifft, so können die Männer, deren unmittelbares Werk 60*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278985"/> <p xml:id="ID_1531" prev="#ID_1530"> und wie daraus das klägliche Schauspiel sich entwickelt hat, daß ein Theil-der<lb/> Deputirten durch unwürdige Intriguen — ich erinnere an die Abstimmung der<lb/> schwarzgelben für das Suspeusiv - Veto der Reichsgewalt — diese Verfassung<lb/> illusorisch zu machen suchte — so, meine Herren, würde auch das Resultat eines<lb/> neuen constituirenden Reichstags sein. Die Oestreicher von einem solchen auszu¬<lb/> schließen, haben Sie kein Recht, und es ist eine Willkür, wenn Sie z. B. die<lb/> Baiern, die nnr für den Fall, daß Oestreich eintritt, an dem „Reich" teilnehmen<lb/> wollen, wider ihren Willen dazu zwingen wollten. Sie haben sehr Recke, meine<lb/> Herren, daß 39 Regierungen sich nie über eine gemeinsame Verfassung vereinbaren<lb/> werden; wohl aber köunen sich zwei, drei vereinigen, und die politische Nothwen¬<lb/> digkeit kann alsdann die andern zwingen, sich diesem Vertrage nachträglich anzu¬<lb/> schließen. Der Zollverein ist ein Beispiel. Ein Vertrag zwischen Staaten aber,<lb/> welcher die Souveränitätsrechte derselben alterirt, kann nur durch die einheitlichen<lb/> Vertreter derselben, die Regierungen, abgeschlossen werden, nicht dnrch einen<lb/> ständischen Kongreß — wenn nicht vor diesem Congreß factisch die Existenz jener<lb/> Staaten aufgehoben ist. Daß dies bereits geschehen wäre, darin lag der große,<lb/> unheilvolle Irrthum des Jahres 1848.</p><lb/> <p xml:id="ID_1532"> Lassen Sie uns miteinander die Grunde in Erwägung zieh», welche sich einer<lb/> unbedingten Annahme des Berliner Entwurfs entgegenstellen. Sie kommen auf<lb/> folgende drei Punkte heraus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1533"> Erstens. Das Ehrgefühl der deutschen Nation sträubt sich dagegen, ein<lb/> Werk aufzugeben, an welchem ihre edelsten Kräfte ein schweres Jahr hindurch in<lb/> rühmlicher Anstrengung gearbeitet, aufzugeben den eigenen Willen gegen das Ge¬<lb/> schenk einer fremden Willkür.</p><lb/> <p xml:id="ID_1534"> Zweitens. Das in der Revolution entwickelte Rechtsbewußtsein wird ver¬<lb/> letzt dnrch den Inhalt dieser Gabe, in welchem — abgesehn von einzelnen, minder<lb/> wichtigen Jnconvenienzen — zwei der theuersten Ideen des Volks die Anerken¬<lb/> nung versagt wird: der Volkssouveränität und der Einheit Dentscklands.</p><lb/> <p xml:id="ID_1535"> Drittens. Die Gabe wird noch weiter verdächtigt durck die Geber, und<lb/> es läßt sich sehr wohl die Frage auswerfen, ob nicht dieselbe Willkür, welche die<lb/> Verfassung verlieh, sich unter Umständen anch veranlaßt fühlen dürste, sie wieder<lb/> zu nehmen, zu modiftcircn, oder wie es sonst gut scheint. Das Beispiel der<lb/> preußischen Verfassung liegt zu nahe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1536"> Erlauben Sie, daß ich alle diese Punkte einer nähern Prüfung unterwerfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1537" next="#ID_1538"> Was den ersten betrifft, so können die Männer, deren unmittelbares Werk<lb/> die Verfassung vom 28. März ist, nicht lebhafter von diesem Gefühl Verletzter<lb/> Ehre durchdrungen sein, als ich selber, als überhaupt jeder Deutsche, der mit<lb/> Theilnahme den Anstrengungen der Nation, sich ans eigener Kraft zu constituiren,<lb/> gefolgt ist. Unsere Wünsche, Hoffnungen, Ideen, zinvcileu selbst unsere positiven<lb/> Rath schläge, begleiteten die Arbeit der Nationalversammlung, und in diesem Sinne</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 60*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0475]
und wie daraus das klägliche Schauspiel sich entwickelt hat, daß ein Theil-der
Deputirten durch unwürdige Intriguen — ich erinnere an die Abstimmung der
schwarzgelben für das Suspeusiv - Veto der Reichsgewalt — diese Verfassung
illusorisch zu machen suchte — so, meine Herren, würde auch das Resultat eines
neuen constituirenden Reichstags sein. Die Oestreicher von einem solchen auszu¬
schließen, haben Sie kein Recht, und es ist eine Willkür, wenn Sie z. B. die
Baiern, die nnr für den Fall, daß Oestreich eintritt, an dem „Reich" teilnehmen
wollen, wider ihren Willen dazu zwingen wollten. Sie haben sehr Recke, meine
Herren, daß 39 Regierungen sich nie über eine gemeinsame Verfassung vereinbaren
werden; wohl aber köunen sich zwei, drei vereinigen, und die politische Nothwen¬
digkeit kann alsdann die andern zwingen, sich diesem Vertrage nachträglich anzu¬
schließen. Der Zollverein ist ein Beispiel. Ein Vertrag zwischen Staaten aber,
welcher die Souveränitätsrechte derselben alterirt, kann nur durch die einheitlichen
Vertreter derselben, die Regierungen, abgeschlossen werden, nicht dnrch einen
ständischen Kongreß — wenn nicht vor diesem Congreß factisch die Existenz jener
Staaten aufgehoben ist. Daß dies bereits geschehen wäre, darin lag der große,
unheilvolle Irrthum des Jahres 1848.
Lassen Sie uns miteinander die Grunde in Erwägung zieh», welche sich einer
unbedingten Annahme des Berliner Entwurfs entgegenstellen. Sie kommen auf
folgende drei Punkte heraus.
Erstens. Das Ehrgefühl der deutschen Nation sträubt sich dagegen, ein
Werk aufzugeben, an welchem ihre edelsten Kräfte ein schweres Jahr hindurch in
rühmlicher Anstrengung gearbeitet, aufzugeben den eigenen Willen gegen das Ge¬
schenk einer fremden Willkür.
Zweitens. Das in der Revolution entwickelte Rechtsbewußtsein wird ver¬
letzt dnrch den Inhalt dieser Gabe, in welchem — abgesehn von einzelnen, minder
wichtigen Jnconvenienzen — zwei der theuersten Ideen des Volks die Anerken¬
nung versagt wird: der Volkssouveränität und der Einheit Dentscklands.
Drittens. Die Gabe wird noch weiter verdächtigt durck die Geber, und
es läßt sich sehr wohl die Frage auswerfen, ob nicht dieselbe Willkür, welche die
Verfassung verlieh, sich unter Umständen anch veranlaßt fühlen dürste, sie wieder
zu nehmen, zu modiftcircn, oder wie es sonst gut scheint. Das Beispiel der
preußischen Verfassung liegt zu nahe.
Erlauben Sie, daß ich alle diese Punkte einer nähern Prüfung unterwerfe.
Was den ersten betrifft, so können die Männer, deren unmittelbares Werk
die Verfassung vom 28. März ist, nicht lebhafter von diesem Gefühl Verletzter
Ehre durchdrungen sein, als ich selber, als überhaupt jeder Deutsche, der mit
Theilnahme den Anstrengungen der Nation, sich ans eigener Kraft zu constituiren,
gefolgt ist. Unsere Wünsche, Hoffnungen, Ideen, zinvcileu selbst unsere positiven
Rath schläge, begleiteten die Arbeit der Nationalversammlung, und in diesem Sinne
60*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |