Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.klagt wurde. Das Justizministerium versprach ihnen Genugthuung. Am 30. Mai Ich weiß es, Sie erlassen mir gern die ohnehin nicht sehr interessanten De¬ Dem Adel zunächst ist wieder seine früher olympische Ruhe in vollem Maße Grenzbotcn. II. Isis. hg
klagt wurde. Das Justizministerium versprach ihnen Genugthuung. Am 30. Mai Ich weiß es, Sie erlassen mir gern die ohnehin nicht sehr interessanten De¬ Dem Adel zunächst ist wieder seine früher olympische Ruhe in vollem Maße Grenzbotcn. II. Isis. hg
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278975"/> <p xml:id="ID_1506" prev="#ID_1505"> klagt wurde. Das Justizministerium versprach ihnen Genugthuung. Am 30. Mai<lb/> übergaben die Deputaten die Petition der 156 Gemeinden dem Gen. Adjut. Sr.<lb/> Majestät, und erhielten in einer Audienz am 1. Juni vom Kaiser den B:schalt,<lb/> daß dem Ministerium bereits eine allerhöchste Verfügung zugekommen sei, ehestens eine<lb/> schriftliche Erwiederung abzufassen, welche der Tcputativn durch das bösen. Lan¬<lb/> despräsidium zugestellt werden würde." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1507"> Ich weiß es, Sie erlassen mir gern die ohnehin nicht sehr interessanten De¬<lb/> tails unseres Belagerungszustandes und werden sich mit einigen allgemeinern Be¬<lb/> merkungen zufrieden stelle». Der Belagerungszustand ist seinem Wesen nach ein<lb/> künstliches Idyll, ein anbefohlener Feiertag, an dem man von der geschichtlichen<lb/> Arbeit ausruhen, und uur ftomme Lieder, wie z. B. die Volkshymne singen soll.<lb/> Wäre ich ein reicher Bourgois, oder auch nur ein armer Edelmann, dann würde<lb/> ich über dieses Idyll mit Religion zu schreiben verstehen, und gelinde schwärmen<lb/> von diesem seligen Indifferenzpunkt, in dem die fieberhaft bewegten Pulse des ge¬<lb/> schichtlichen Lebens verstummen, von diesem glücklichen Paradies, in das wir durch<lb/> die Entschlossenheit eines kaiserlichen Generals wenigstens auf einige Monate zu¬<lb/> rückgeführt werden können , von dem geschichtlosen Quietismus, von diesem «l»Ich<lb/> t'in- liivuto im Schatten der Kanonen, die uus alle zu dem allein seligmachenden<lb/> Staate, von dem wir durch die Revolution abgefallen sind, wieder bekehren sollen.<lb/> So aber muß ich mich damit begnügen, in der nüchternen Weise der Grenzboten<lb/> eine ganz uuromcmtische Schilderung derjenigen Arkadier zu entwerfe», die sich im<lb/> Belagerungszustände selig fühlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1508" next="#ID_1509"> Dem Adel zunächst ist wieder seine früher olympische Ruhe in vollem Maße<lb/> zurückgekehrt. Jetzt darf die Canaille seine Palläste nicht mehr mit jenen wirren<lb/> Lärm umtoben, den mau die geschichtliche Bewegung nennt. Früher wurde er<lb/> aus seiner standesgemäßen Weltverachtung auf so unangenehme Weise herausge¬<lb/> rissen; die bewegte Menge konnte ihm nicht mehr gleichgiltig sein, da er gegen<lb/> sie ankämpfen mußte. Jede kann er aber wieder eine Zeit lang über den Ernst,<lb/> der die Massen bewegt, vornehm lächeln, ohne daß die Angst, die sich ehemals<lb/> in den blassen Zügen malte, mit dieser Ironie contrastirt. Er kann sich wieder<lb/> dem arkadischen Genuß seiner an sich werthvollen Existenz hingeben, und wieder<lb/> ruhig wie früher seine Thiergärten, Pferdeställe und Bildergalerien besorgen. Denn<lb/> er allein hat noch nicht das Paradies verloren, in dein der Mensch in einer hei¬<lb/> ligen Gemeinschaft mit Gott nud den Thieren lebte, uur der Troß ist daraus ver-<lb/> trieben worden, um draußen im Schweiße des Angesichts sein Brot zu essen, und<lb/> mit hungrigen Magen Geschichte zu machen. Ihm ist daher die Dialektik der<lb/> Weltgeschichte mit ihren zahllosen „Gemeinheiten" ein Gräuel; die Vergangenheit<lb/> steht ihm still in den Bildern seiner Ahnen, und in der üppigen Vegetation des<lb/> Stammbaums gedeiht jenes vornehme Pflanzenleben, welches erst mit dem Baron<lb/> anfängt. Es ist in der That merkwürdig, wie schnell sich der Adel den nachmärz-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcn. II. Isis. hg</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
klagt wurde. Das Justizministerium versprach ihnen Genugthuung. Am 30. Mai
übergaben die Deputaten die Petition der 156 Gemeinden dem Gen. Adjut. Sr.
Majestät, und erhielten in einer Audienz am 1. Juni vom Kaiser den B:schalt,
daß dem Ministerium bereits eine allerhöchste Verfügung zugekommen sei, ehestens eine
schriftliche Erwiederung abzufassen, welche der Tcputativn durch das bösen. Lan¬
despräsidium zugestellt werden würde." —
Ich weiß es, Sie erlassen mir gern die ohnehin nicht sehr interessanten De¬
tails unseres Belagerungszustandes und werden sich mit einigen allgemeinern Be¬
merkungen zufrieden stelle». Der Belagerungszustand ist seinem Wesen nach ein
künstliches Idyll, ein anbefohlener Feiertag, an dem man von der geschichtlichen
Arbeit ausruhen, und uur ftomme Lieder, wie z. B. die Volkshymne singen soll.
Wäre ich ein reicher Bourgois, oder auch nur ein armer Edelmann, dann würde
ich über dieses Idyll mit Religion zu schreiben verstehen, und gelinde schwärmen
von diesem seligen Indifferenzpunkt, in dem die fieberhaft bewegten Pulse des ge¬
schichtlichen Lebens verstummen, von diesem glücklichen Paradies, in das wir durch
die Entschlossenheit eines kaiserlichen Generals wenigstens auf einige Monate zu¬
rückgeführt werden können , von dem geschichtlosen Quietismus, von diesem «l»Ich
t'in- liivuto im Schatten der Kanonen, die uus alle zu dem allein seligmachenden
Staate, von dem wir durch die Revolution abgefallen sind, wieder bekehren sollen.
So aber muß ich mich damit begnügen, in der nüchternen Weise der Grenzboten
eine ganz uuromcmtische Schilderung derjenigen Arkadier zu entwerfe», die sich im
Belagerungszustände selig fühlen.
Dem Adel zunächst ist wieder seine früher olympische Ruhe in vollem Maße
zurückgekehrt. Jetzt darf die Canaille seine Palläste nicht mehr mit jenen wirren
Lärm umtoben, den mau die geschichtliche Bewegung nennt. Früher wurde er
aus seiner standesgemäßen Weltverachtung auf so unangenehme Weise herausge¬
rissen; die bewegte Menge konnte ihm nicht mehr gleichgiltig sein, da er gegen
sie ankämpfen mußte. Jede kann er aber wieder eine Zeit lang über den Ernst,
der die Massen bewegt, vornehm lächeln, ohne daß die Angst, die sich ehemals
in den blassen Zügen malte, mit dieser Ironie contrastirt. Er kann sich wieder
dem arkadischen Genuß seiner an sich werthvollen Existenz hingeben, und wieder
ruhig wie früher seine Thiergärten, Pferdeställe und Bildergalerien besorgen. Denn
er allein hat noch nicht das Paradies verloren, in dein der Mensch in einer hei¬
ligen Gemeinschaft mit Gott nud den Thieren lebte, uur der Troß ist daraus ver-
trieben worden, um draußen im Schweiße des Angesichts sein Brot zu essen, und
mit hungrigen Magen Geschichte zu machen. Ihm ist daher die Dialektik der
Weltgeschichte mit ihren zahllosen „Gemeinheiten" ein Gräuel; die Vergangenheit
steht ihm still in den Bildern seiner Ahnen, und in der üppigen Vegetation des
Stammbaums gedeiht jenes vornehme Pflanzenleben, welches erst mit dem Baron
anfängt. Es ist in der That merkwürdig, wie schnell sich der Adel den nachmärz-
Grenzbotcn. II. Isis. hg
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