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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Mythe einer neuen Verschwörung fertig gedichtet, und spukte in verschiedenen
Varianten durch mehrere Journale. Daß aber der Hauptsache nach nur die
Worte der stop-uiickii lijiii. welche freilich noch lange keine Thaten waren, die
Verhängung des Auönahmözustandes zur Folge hatten, kann man unter andern
anch aus folgender merkwürdiger Geschichte entnehmen, welche uns in der "Nu-
rodny Nowiny" erzählt wird: "Von 156 Gemeinden des Buuzlauer und Rako-
uizer Kreises war eine Deputation abgesendet worden, welche dem Kaiser eine
Petition überreichen sollte, die in einem noch weit entschiedeneren Tone, als die
von der Llov-miet!! entworfene, abgefaßt war. Sie enthielt nämlich folgende
Punkte: 1) Se. Majestät möge das Ministerium Schwarzenberg entlassen und vor
ein Gericht stellen, weil eS durch die Auflösung des Reichstages u. s. w. die
Rechte des Volkes und die kaiserlichen Gelübde verletzt hätte; 2) die octroyirte
Charte vom 4. März und alle von diesem Ministerium erlassenen Gesetze wieder-
rufen; Z) ein neues Ministerium aus redlichen und volkstümlichen Männern bil¬
den; 4) die vom Reichstag entworfene Verfassung als Verfassung Oestreichs pro-
tlamireu und auf deren Grundlage einen neuen Reichstag einberufen; 5) eine
rasche Errichtung der neuen Justiz- und politischen Behörden verfügen.

Mit dieser Petition begaben sich die Deputirten, an ihrer Spitze H. Clemens
Morawek aus Mscheno, am 17. Mai uach Schopla (bei Metrik), wo sich die dem
dortigen Amte zugehörigen Glieder der Deputation die nöthigen Gcleitscheine ver¬
schaffen wollten. Da jedoch der Schopkaer Amtödirektor ihnen dieselben verwei¬
gerte, so beschlossen sie, die nöthigen Schritte beim k. k. böhmischen Landespräsi¬
dium zu machen; wurden aber unterwegs bei Lieben von einem Unbekannten an¬
gehalten, um ihre Gcleitscheine befragt, und kaum daß sich Morawek seinerseits
mit einem solchen ausgewiesen, von Knrassiren umringt, und in das k. k. Jnva-
lidcnhans bei Prag gebracht. Dort wurden sie nach langem Warten von einer
militärischen Commission einzeln verhört, und genau durchsucht, die Petition ihnen
genommen, die Deputirten aber, mit alleiniger Ausnahme des Herrn Morawek,
in Freiheit gesetzt. Gleich am folgenden Tage machte die Deputation die nöthigen
Schritte um Freilassung ihres verhafteten College" und um Rückgabe ihrer Petition,
und wählte-endlich -- nach langem Hin- und Herziehen -- aus ihrer Mitte drei
Mitglieder, welche beim Justizministerium eine Klage wegen Verletzung des Pe¬
titionsrechtes und der persönlichen Sicherheit einbringen, und die Freilassung des,
Herrn Morawek, sowie die Rückstellung der Petition verlangn! sollten. Während
diese drei Abgeordneten nach Wien abreisten, wurde Morawek nach 4tägiger Haft
freigelassen, und die Petition zurückgestellt, mit dieser zugleich aber durch Versehen
einige Denuntiatiousbriefe (?), in Folge deren der Deputation die erwähnten Un¬
annehmlichkeiten widerfahren waren. Morawek folgte nun sogleich der Deputation
nach Wien, wo beim Justizministerium auf Untersuchung und Bestrafung der an
dieser rechtswidrigen Verhaftung und Behandlung schuldtragenden Personen ge-


Mythe einer neuen Verschwörung fertig gedichtet, und spukte in verschiedenen
Varianten durch mehrere Journale. Daß aber der Hauptsache nach nur die
Worte der stop-uiickii lijiii. welche freilich noch lange keine Thaten waren, die
Verhängung des Auönahmözustandes zur Folge hatten, kann man unter andern
anch aus folgender merkwürdiger Geschichte entnehmen, welche uns in der „Nu-
rodny Nowiny" erzählt wird: „Von 156 Gemeinden des Buuzlauer und Rako-
uizer Kreises war eine Deputation abgesendet worden, welche dem Kaiser eine
Petition überreichen sollte, die in einem noch weit entschiedeneren Tone, als die
von der Llov-miet!! entworfene, abgefaßt war. Sie enthielt nämlich folgende
Punkte: 1) Se. Majestät möge das Ministerium Schwarzenberg entlassen und vor
ein Gericht stellen, weil eS durch die Auflösung des Reichstages u. s. w. die
Rechte des Volkes und die kaiserlichen Gelübde verletzt hätte; 2) die octroyirte
Charte vom 4. März und alle von diesem Ministerium erlassenen Gesetze wieder-
rufen; Z) ein neues Ministerium aus redlichen und volkstümlichen Männern bil¬
den; 4) die vom Reichstag entworfene Verfassung als Verfassung Oestreichs pro-
tlamireu und auf deren Grundlage einen neuen Reichstag einberufen; 5) eine
rasche Errichtung der neuen Justiz- und politischen Behörden verfügen.

Mit dieser Petition begaben sich die Deputirten, an ihrer Spitze H. Clemens
Morawek aus Mscheno, am 17. Mai uach Schopla (bei Metrik), wo sich die dem
dortigen Amte zugehörigen Glieder der Deputation die nöthigen Gcleitscheine ver¬
schaffen wollten. Da jedoch der Schopkaer Amtödirektor ihnen dieselben verwei¬
gerte, so beschlossen sie, die nöthigen Schritte beim k. k. böhmischen Landespräsi¬
dium zu machen; wurden aber unterwegs bei Lieben von einem Unbekannten an¬
gehalten, um ihre Gcleitscheine befragt, und kaum daß sich Morawek seinerseits
mit einem solchen ausgewiesen, von Knrassiren umringt, und in das k. k. Jnva-
lidcnhans bei Prag gebracht. Dort wurden sie nach langem Warten von einer
militärischen Commission einzeln verhört, und genau durchsucht, die Petition ihnen
genommen, die Deputirten aber, mit alleiniger Ausnahme des Herrn Morawek,
in Freiheit gesetzt. Gleich am folgenden Tage machte die Deputation die nöthigen
Schritte um Freilassung ihres verhafteten College» und um Rückgabe ihrer Petition,
und wählte-endlich — nach langem Hin- und Herziehen — aus ihrer Mitte drei
Mitglieder, welche beim Justizministerium eine Klage wegen Verletzung des Pe¬
titionsrechtes und der persönlichen Sicherheit einbringen, und die Freilassung des,
Herrn Morawek, sowie die Rückstellung der Petition verlangn! sollten. Während
diese drei Abgeordneten nach Wien abreisten, wurde Morawek nach 4tägiger Haft
freigelassen, und die Petition zurückgestellt, mit dieser zugleich aber durch Versehen
einige Denuntiatiousbriefe (?), in Folge deren der Deputation die erwähnten Un¬
annehmlichkeiten widerfahren waren. Morawek folgte nun sogleich der Deputation
nach Wien, wo beim Justizministerium auf Untersuchung und Bestrafung der an
dieser rechtswidrigen Verhaftung und Behandlung schuldtragenden Personen ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/464>, abgerufen am 15.01.2025.