Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.die Dünnen und die Dicken nicht mehr, seitdem es an den breitbeinigen Thronen Heute aber war's gut, daß die Bischöfe anwesend waren; sie gaben dem re¬ Holla! He! Ihr Ordner des Zuges, Ihr reichbetreßten Hofmarschälle, Ihr Hör' aus zu fragen, toller Junge -- wir haben keine Königin, und die Frau, Ja wohl -- der Glanz der Krone ist verdunkelt durch blutige Flecken aller die Dünnen und die Dicken nicht mehr, seitdem es an den breitbeinigen Thronen Heute aber war's gut, daß die Bischöfe anwesend waren; sie gaben dem re¬ Holla! He! Ihr Ordner des Zuges, Ihr reichbetreßten Hofmarschälle, Ihr Hör' aus zu fragen, toller Junge — wir haben keine Königin, und die Frau, Ja wohl — der Glanz der Krone ist verdunkelt durch blutige Flecken aller <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278968"/> <p xml:id="ID_1483" prev="#ID_1482"> die Dünnen und die Dicken nicht mehr, seitdem es an den breitbeinigen Thronen<lb/> gerüttelt, und scheert sich um die Bannblitze der Kirche nichts mehr, seit es dem<lb/> profanen Donner der Kanonen Stand gehalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1484"> Heute aber war's gut, daß die Bischöfe anwesend waren; sie gaben dem re¬<lb/> ligiösen Festzuge etwas theistisch - superbes, denn der monarchische Staat war<lb/> mesquin-monotonisch. Der Glanz der östreichischen Krone ist durch Rostflecke<lb/> entstellt. Rostet denn auch Gold durch Blut wie gemeines Eise», oder war das<lb/> Metall nie ächt gewesen? Ich weiß es nicht zu sage», aber wer den Spectakel<lb/> von sonst gesehen, der mußte, und hätte er seit 2 Jahren keine Zeitung gelesen,<lb/> beim Anblick des heurigen Festes auf den Gedanken kommen: Es ist etwas<lb/> faul in Dänemark.</p><lb/> <p xml:id="ID_1485"> Holla! He! Ihr Ordner des Zuges, Ihr reichbetreßten Hofmarschälle, Ihr<lb/> goldbortirten Ceremonienmeister! wo bleiben denn Heuer die ungarischen Magna¬<lb/> ten mit den kostbaren Dolmans, an denen jede Schnur eine Perlenreihe und je¬<lb/> der Knopf ein Edelstein war? Wo steckt die italienische Garde, die Blüthe des<lb/> lombardischen Adels, mit ihren feinen Gesichtern und goldenen Helmen und ihren<lb/> herrlichen braunen Rossen? Und warum fehlen die hundert jungen Edelleute<lb/> ans Ungarn mit ihren rothen silbervcrzierten Gewändern, den Zobel auf dem<lb/> Haupte, und den Reiher auf dem Kalpak, und ihre silberweißen Rößlein, die sie<lb/> sonst bäumen ließe», daß die Pflastersteine und die Frauenaugen Feuer sprühten?<lb/> Und wo weilen denn die schönen Damen aus Polen, Ungarn und Italien, die<lb/> sonst das Auge blendeten durch ihre Schönheit und mit feenhaftem Schmucke an¬<lb/> gethan ihrer Kaiserin und Königin zur Kirche folgten? —</p><lb/> <p xml:id="ID_1486"> Hör' aus zu fragen, toller Junge — wir haben keine Königin, und die Frau,<lb/> die uns regiert, hat daheim in der Wirthschaft zu thun, derweil ihr Sohn den<lb/> Kaiser spielt. O sie ist klug und kennt die Welt, und weiß, was sie dem Volke<lb/> gilt, darum will sie nicht, daß der Schatten ihrer Gegenwart die Zukunftsblüthe<lb/> ihres Sohns verdunkle. Die schönen Damen sind auch daheim geblieben. In<lb/> Mailand und Brescia und Verona kniet die Signora in Trauerflor gehüllt im<lb/> kühle» Dome und betet warm und heiß für sich und alle Welt, nur uicht für<lb/> Oestreich. In Lemberg lugt die Frau des Edelmanns hinter den Fenstergar¬<lb/> dinen, ob kein russischer Sbirre sich blicken läßt, dieweil ihr Gemahl sich in der<lb/> Stube mit den Freunden bespricht ob es noch nicht an der Zeit ist — und<lb/> vor dem Thore ihres Schlosses sitzt die Edelfrau in Ungarn in Mitten ihrer<lb/> Mägde, und zupft Charpie zurecht für blutige Wunden, und lauscht dem fernen<lb/> Kanonendonner und betet für ihren Mann, für ihren Sohn, für ihre Knechte,<lb/> und flucht dem Könige, der nicht mehr ihr König heißen soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1487"> Ja wohl — der Glanz der Krone ist verdunkelt durch blutige Flecken aller<lb/> Art. Was heute noch an ihr schimmerte, war baar bezahlter Flitter an Hofla¬<lb/> kaien, Generalen und Hofchargen, daun die Geistlichkeit, die sich selbst honorirt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
die Dünnen und die Dicken nicht mehr, seitdem es an den breitbeinigen Thronen
gerüttelt, und scheert sich um die Bannblitze der Kirche nichts mehr, seit es dem
profanen Donner der Kanonen Stand gehalten.
Heute aber war's gut, daß die Bischöfe anwesend waren; sie gaben dem re¬
ligiösen Festzuge etwas theistisch - superbes, denn der monarchische Staat war
mesquin-monotonisch. Der Glanz der östreichischen Krone ist durch Rostflecke
entstellt. Rostet denn auch Gold durch Blut wie gemeines Eise», oder war das
Metall nie ächt gewesen? Ich weiß es nicht zu sage», aber wer den Spectakel
von sonst gesehen, der mußte, und hätte er seit 2 Jahren keine Zeitung gelesen,
beim Anblick des heurigen Festes auf den Gedanken kommen: Es ist etwas
faul in Dänemark.
Holla! He! Ihr Ordner des Zuges, Ihr reichbetreßten Hofmarschälle, Ihr
goldbortirten Ceremonienmeister! wo bleiben denn Heuer die ungarischen Magna¬
ten mit den kostbaren Dolmans, an denen jede Schnur eine Perlenreihe und je¬
der Knopf ein Edelstein war? Wo steckt die italienische Garde, die Blüthe des
lombardischen Adels, mit ihren feinen Gesichtern und goldenen Helmen und ihren
herrlichen braunen Rossen? Und warum fehlen die hundert jungen Edelleute
ans Ungarn mit ihren rothen silbervcrzierten Gewändern, den Zobel auf dem
Haupte, und den Reiher auf dem Kalpak, und ihre silberweißen Rößlein, die sie
sonst bäumen ließe», daß die Pflastersteine und die Frauenaugen Feuer sprühten?
Und wo weilen denn die schönen Damen aus Polen, Ungarn und Italien, die
sonst das Auge blendeten durch ihre Schönheit und mit feenhaftem Schmucke an¬
gethan ihrer Kaiserin und Königin zur Kirche folgten? —
Hör' aus zu fragen, toller Junge — wir haben keine Königin, und die Frau,
die uns regiert, hat daheim in der Wirthschaft zu thun, derweil ihr Sohn den
Kaiser spielt. O sie ist klug und kennt die Welt, und weiß, was sie dem Volke
gilt, darum will sie nicht, daß der Schatten ihrer Gegenwart die Zukunftsblüthe
ihres Sohns verdunkle. Die schönen Damen sind auch daheim geblieben. In
Mailand und Brescia und Verona kniet die Signora in Trauerflor gehüllt im
kühle» Dome und betet warm und heiß für sich und alle Welt, nur uicht für
Oestreich. In Lemberg lugt die Frau des Edelmanns hinter den Fenstergar¬
dinen, ob kein russischer Sbirre sich blicken läßt, dieweil ihr Gemahl sich in der
Stube mit den Freunden bespricht ob es noch nicht an der Zeit ist — und
vor dem Thore ihres Schlosses sitzt die Edelfrau in Ungarn in Mitten ihrer
Mägde, und zupft Charpie zurecht für blutige Wunden, und lauscht dem fernen
Kanonendonner und betet für ihren Mann, für ihren Sohn, für ihre Knechte,
und flucht dem Könige, der nicht mehr ihr König heißen soll.
Ja wohl — der Glanz der Krone ist verdunkelt durch blutige Flecken aller
Art. Was heute noch an ihr schimmerte, war baar bezahlter Flitter an Hofla¬
kaien, Generalen und Hofchargen, daun die Geistlichkeit, die sich selbst honorirt.
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