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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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mögen darüber ängstlich werden : ans die Masse des Volkes hat sie einen erbittern¬
de", aber nicht entmuthigenden Eindruck gemacht.

Wie kommt es doch, daß jeder Schritt und Tritt der Magyaren romantische
Echos weckt, daß ihr ganzes Thun und Treiben sich so chevaleresk und poetisch
gestaltet, während in ganz Oestreich für Oestreich sich kein Hauch der Begeisterung
regen will. Und wenn einst der Magyar von russischen Füßen zertreten und ein¬
gestampft ist, so werden Görgey, Kossuth und ihre Husaren im Munde des öst¬
reichischen Volkes fortleben, Ziller- und Harfenklang wird sie in jeder Schenke
feiern, während Melden, Windischgrätz und Hayuau vielleicht im Wurstclprater
beim Marionettenspiel als komische Wntheriche figuriren werden.

Die Gesammtmonarchie appellirt an die materiellen Interessen. Es ist klar,
wie Einmaleins, daß die materiellen Interessen den Zusammenhang der östreichischen
Lande verlangen. Am Ende ist die leibliche Nothdurft der Kitt aller Staaten,
aber wehe dem Staat, dessen ganze Seele die Nothdurft ist. Sie begeistert nicht,
sie fanatisirt nicht, sie hilft nicht aus den Brandungen einer Krisis, wie die jetzige;
die Rücksicht ans die materiellen Interessen verfärbt höchstens den Großhändler,
wenn er die Kassandra durch die Grünangergasse stürzen sieht und schreien hört:
Das Silber steht 25 Procent! Es fällt ihm darum nicht ein, sein Vermögen
ans den Altar des Vaterlandes zu legen, sondern er kauft englische Papiere. So
rächt sich die althabsbnrgische Verachtung jeder Idee, welche sich über den Gedan¬
ken der Disciplin und Subordination erhebt.

Wenn der Magyar siegen sollte, so wird die Macht der materiellen Be¬
dürfnisse den Zusammenhang der östreichischen Lande ebenfalls fordern. Die Mo¬
narchie wird vielleicht auf kurze Zeit aus den Fugen gehen, und die getrennten
Reiche werden sich wieder einigen, aber durch ein anderes Band als den eisernen
Reisen des Schwarzenberg'schen Absolutismus.




Das Frohnleichnamsfest in Wien.

Das Frohnleichnamsfest und der Appetit der Wiener erfreuen sich seit un¬
denklichen Zeiten einer gewissen Celebrität in der christkatholischen Welt. Der
Appetit ist geblieben trotz der Ungenießbarkeit unserer Zustände, aber das Frohn¬
leichnamsfest hat viel von seinem Glänze eingebüßt, seit Oestreich seine Aufer-
stehung feierte. Demokraten mit subjectiver Anschauung mögen es im vorigen
Jahre idealisch schön gefunden haben. Da machte Nationalgarde und academische
Legion Spalier, der Sicherheits-Ausschuß mit Fischhof an der Spitze hatte den


mögen darüber ängstlich werden : ans die Masse des Volkes hat sie einen erbittern¬
de», aber nicht entmuthigenden Eindruck gemacht.

Wie kommt es doch, daß jeder Schritt und Tritt der Magyaren romantische
Echos weckt, daß ihr ganzes Thun und Treiben sich so chevaleresk und poetisch
gestaltet, während in ganz Oestreich für Oestreich sich kein Hauch der Begeisterung
regen will. Und wenn einst der Magyar von russischen Füßen zertreten und ein¬
gestampft ist, so werden Görgey, Kossuth und ihre Husaren im Munde des öst¬
reichischen Volkes fortleben, Ziller- und Harfenklang wird sie in jeder Schenke
feiern, während Melden, Windischgrätz und Hayuau vielleicht im Wurstclprater
beim Marionettenspiel als komische Wntheriche figuriren werden.

Die Gesammtmonarchie appellirt an die materiellen Interessen. Es ist klar,
wie Einmaleins, daß die materiellen Interessen den Zusammenhang der östreichischen
Lande verlangen. Am Ende ist die leibliche Nothdurft der Kitt aller Staaten,
aber wehe dem Staat, dessen ganze Seele die Nothdurft ist. Sie begeistert nicht,
sie fanatisirt nicht, sie hilft nicht aus den Brandungen einer Krisis, wie die jetzige;
die Rücksicht ans die materiellen Interessen verfärbt höchstens den Großhändler,
wenn er die Kassandra durch die Grünangergasse stürzen sieht und schreien hört:
Das Silber steht 25 Procent! Es fällt ihm darum nicht ein, sein Vermögen
ans den Altar des Vaterlandes zu legen, sondern er kauft englische Papiere. So
rächt sich die althabsbnrgische Verachtung jeder Idee, welche sich über den Gedan¬
ken der Disciplin und Subordination erhebt.

Wenn der Magyar siegen sollte, so wird die Macht der materiellen Be¬
dürfnisse den Zusammenhang der östreichischen Lande ebenfalls fordern. Die Mo¬
narchie wird vielleicht auf kurze Zeit aus den Fugen gehen, und die getrennten
Reiche werden sich wieder einigen, aber durch ein anderes Band als den eisernen
Reisen des Schwarzenberg'schen Absolutismus.




Das Frohnleichnamsfest in Wien.

Das Frohnleichnamsfest und der Appetit der Wiener erfreuen sich seit un¬
denklichen Zeiten einer gewissen Celebrität in der christkatholischen Welt. Der
Appetit ist geblieben trotz der Ungenießbarkeit unserer Zustände, aber das Frohn¬
leichnamsfest hat viel von seinem Glänze eingebüßt, seit Oestreich seine Aufer-
stehung feierte. Demokraten mit subjectiver Anschauung mögen es im vorigen
Jahre idealisch schön gefunden haben. Da machte Nationalgarde und academische
Legion Spalier, der Sicherheits-Ausschuß mit Fischhof an der Spitze hatte den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/456>, abgerufen am 15.01.2025.