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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Knicam'n's Lager im Bonat.



Ein kühler Septembermorgen dämmerte, als wir Panceva verließen, um noch
vor Mittag im Feldlager bei Tomasevac einzutreffen, wo der bekannte serbische
Held Stephan Petrovic Kniccmin, fürstlich serbischer Jnfanterieobrist und Geheim-
rath, kommandirte. Wir fuhren durch die ausgedehnten Ebenen des Banats,
dieses slavischen Kanaans, wo sich die üppigsten Weizenbödeu ausbreiten, wo das
herrlichste Obst und trefflicher Wein im Ueberfluß gedeiht. Jetzt freilich sind viele
Landstriche, welche früher beneidet wurden, sehr bedauernswert!) geworden. Viel Acker¬
land liegt brach, weil dessen Bebauer Harke und Pflug mit der Flinte und Lanze ver¬
tauscht haben, um die Marken des Vaterlandes vor dem alten Erbfeind zu wahren,
die Fruchtbäume und Pflanzungen sind niedergebrannt, die Getreidefelder von dem
Sturm kämpfender Männer und tummelnder Rosse aufgewühlt und zerstampft, ganze
Dörfer verwüstet und verödet. Der rauhe Krieg, der Länder verheerende, hat
hier fürchterlich gewüthet; doch das gesegnete Banat wird sich als freies Land
schnell wieder erholen, und Menschenblut für die Freiheit vergossen, ist ein treff¬
licher Dünger!

"Herr Gott! Seht dort die Reiter! Wenn das feindliche wären! In jener
Richtung liegt Weißkirchen mit starker Magyaren-Besatzung. Was wird ans uns
und unsern Depeschen? Fahre zu, Kutscher!"

Ich ließ den Kutscher langsam fahren, rückte Pistolen und Säbel zurecht, und
rief einen der Straße zunächst haltenden Reiter an. Dieser ritt harr an den
Wagen Hera", die Hand grüßend zum breiten hochanfgckrämpten Hut von schwar¬
zem verschossenen Filz erhebend. Er war ein hagerer Kerl mit platter Nase,
kleinen Augen und breitem, dicklippigem Mund, über den ein schwarzer, struppiger
Bart hing. Seine sämmtliche Kleidung bestand in einem kurzen Hemd und breiter
Leinwandhose -- beide hatten wohl mit Seife und Wasser niemals Bekanntschaft
gemacht -- und einem braunen Mantel, wie ihn die slovakischcn Nastelbindcr zu
^'ager Pflegen. Am Sattelknopf hing ihm eine rostige Doppelflinte und eine
Troßbauchige Kürbisflasche und an langer Leine hielt er einen hochbeinigen, zottcl-
haarigeu Hirtenhund, der knurrend seine Fangzähne zeigte; des Hundes weißes,
suppiges Fell und sein wohlwollendes Wesen deutete auf die nahe Verwandschaft
^


renzbvtcn. II. ,8i". g
Knicam'n's Lager im Bonat.



Ein kühler Septembermorgen dämmerte, als wir Panceva verließen, um noch
vor Mittag im Feldlager bei Tomasevac einzutreffen, wo der bekannte serbische
Held Stephan Petrovic Kniccmin, fürstlich serbischer Jnfanterieobrist und Geheim-
rath, kommandirte. Wir fuhren durch die ausgedehnten Ebenen des Banats,
dieses slavischen Kanaans, wo sich die üppigsten Weizenbödeu ausbreiten, wo das
herrlichste Obst und trefflicher Wein im Ueberfluß gedeiht. Jetzt freilich sind viele
Landstriche, welche früher beneidet wurden, sehr bedauernswert!) geworden. Viel Acker¬
land liegt brach, weil dessen Bebauer Harke und Pflug mit der Flinte und Lanze ver¬
tauscht haben, um die Marken des Vaterlandes vor dem alten Erbfeind zu wahren,
die Fruchtbäume und Pflanzungen sind niedergebrannt, die Getreidefelder von dem
Sturm kämpfender Männer und tummelnder Rosse aufgewühlt und zerstampft, ganze
Dörfer verwüstet und verödet. Der rauhe Krieg, der Länder verheerende, hat
hier fürchterlich gewüthet; doch das gesegnete Banat wird sich als freies Land
schnell wieder erholen, und Menschenblut für die Freiheit vergossen, ist ein treff¬
licher Dünger!

„Herr Gott! Seht dort die Reiter! Wenn das feindliche wären! In jener
Richtung liegt Weißkirchen mit starker Magyaren-Besatzung. Was wird ans uns
und unsern Depeschen? Fahre zu, Kutscher!"

Ich ließ den Kutscher langsam fahren, rückte Pistolen und Säbel zurecht, und
rief einen der Straße zunächst haltenden Reiter an. Dieser ritt harr an den
Wagen Hera», die Hand grüßend zum breiten hochanfgckrämpten Hut von schwar¬
zem verschossenen Filz erhebend. Er war ein hagerer Kerl mit platter Nase,
kleinen Augen und breitem, dicklippigem Mund, über den ein schwarzer, struppiger
Bart hing. Seine sämmtliche Kleidung bestand in einem kurzen Hemd und breiter
Leinwandhose — beide hatten wohl mit Seife und Wasser niemals Bekanntschaft
gemacht — und einem braunen Mantel, wie ihn die slovakischcn Nastelbindcr zu
^'ager Pflegen. Am Sattelknopf hing ihm eine rostige Doppelflinte und eine
Troßbauchige Kürbisflasche und an langer Leine hielt er einen hochbeinigen, zottcl-
haarigeu Hirtenhund, der knurrend seine Fangzähne zeigte; des Hundes weißes,
suppiges Fell und sein wohlwollendes Wesen deutete auf die nahe Verwandschaft
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[0045] Knicam'n's Lager im Bonat. Ein kühler Septembermorgen dämmerte, als wir Panceva verließen, um noch vor Mittag im Feldlager bei Tomasevac einzutreffen, wo der bekannte serbische Held Stephan Petrovic Kniccmin, fürstlich serbischer Jnfanterieobrist und Geheim- rath, kommandirte. Wir fuhren durch die ausgedehnten Ebenen des Banats, dieses slavischen Kanaans, wo sich die üppigsten Weizenbödeu ausbreiten, wo das herrlichste Obst und trefflicher Wein im Ueberfluß gedeiht. Jetzt freilich sind viele Landstriche, welche früher beneidet wurden, sehr bedauernswert!) geworden. Viel Acker¬ land liegt brach, weil dessen Bebauer Harke und Pflug mit der Flinte und Lanze ver¬ tauscht haben, um die Marken des Vaterlandes vor dem alten Erbfeind zu wahren, die Fruchtbäume und Pflanzungen sind niedergebrannt, die Getreidefelder von dem Sturm kämpfender Männer und tummelnder Rosse aufgewühlt und zerstampft, ganze Dörfer verwüstet und verödet. Der rauhe Krieg, der Länder verheerende, hat hier fürchterlich gewüthet; doch das gesegnete Banat wird sich als freies Land schnell wieder erholen, und Menschenblut für die Freiheit vergossen, ist ein treff¬ licher Dünger! „Herr Gott! Seht dort die Reiter! Wenn das feindliche wären! In jener Richtung liegt Weißkirchen mit starker Magyaren-Besatzung. Was wird ans uns und unsern Depeschen? Fahre zu, Kutscher!" Ich ließ den Kutscher langsam fahren, rückte Pistolen und Säbel zurecht, und rief einen der Straße zunächst haltenden Reiter an. Dieser ritt harr an den Wagen Hera», die Hand grüßend zum breiten hochanfgckrämpten Hut von schwar¬ zem verschossenen Filz erhebend. Er war ein hagerer Kerl mit platter Nase, kleinen Augen und breitem, dicklippigem Mund, über den ein schwarzer, struppiger Bart hing. Seine sämmtliche Kleidung bestand in einem kurzen Hemd und breiter Leinwandhose — beide hatten wohl mit Seife und Wasser niemals Bekanntschaft gemacht — und einem braunen Mantel, wie ihn die slovakischcn Nastelbindcr zu ^'ager Pflegen. Am Sattelknopf hing ihm eine rostige Doppelflinte und eine Troßbauchige Kürbisflasche und an langer Leine hielt er einen hochbeinigen, zottcl- haarigeu Hirtenhund, der knurrend seine Fangzähne zeigte; des Hundes weißes, suppiges Fell und sein wohlwollendes Wesen deutete auf die nahe Verwandschaft ^ renzbvtcn. II. ,8i». g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/45>, abgerufen am 15.01.2025.