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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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pheten mit Glück fein zu spiele", andererseits verkannte anch das souveräne Volk überall
den Lärm, den er machte, niemals die Hohlheit seiner Empfindungen. Der echte
Sansculotte läßt sich durch Tricots nicht täuschen , er fühlt sehr bald heraus / ob
man seines Gleichen ist von Natur oder durch Reflexion. Auch Kleou ist eine
Maske, die studirt sein will, selbst zur Gemeinheit gehört Methode. Julius ist
zu unruhig und wieder zu reflectirt, um lange mit der Masse gehen zu können.
Seine Zeitung ist zwar äußerlich unterdrückt, durch den Belagerungszustand, aber
sie wäre auch ohne das eingegangen, ihr Leben war nur ein scheinbares.


5. Die Nationalzeitung.

Wir kommen jetzt zu den jüngern Zeitungen, den Kindern der Revolution.
Sie vertreten sämmtliche Nuancen und Parteiungen, und haben vor den alten
Zeitungen insgesammt den Vorzug, von vornherein im Dienst eines bestimmten
Princips unternommen zu sein.

Die Nationalzeitung war die erste, welche aus der Revolution hervorging;
sie ist zugleich diejenige, welche den weitesten Umfang gewonnen hat. In den
ersten Monaten dieses Jahres hatte sie gegen 9000 Abonnenten; das kurze Verbot
wird wahrscheinlich dazu beigetragen haben, die Zahl derselben zu vermehren, wie
es auch das erste Mal der Fall gewesen ist.

Gleich nach Publikation der Preßfreiheit traten diejenigen Schriftsteller, welche
bisher als die vorzüglichsten Vertreter des specifischen Berliner Radikalismus ge¬
golten hatten, zusammen, um die Partei in einem bestimmten Organ zu fixiren.
I)r. Nutcnbcrg, eine Zeit lang Redacteur der Rheinischen Zeitung, Dr. Zabel,
Mügge, der Novellist, Volkmann, ein Rheinischer Advocat und einige andere.
Es waren dieselben, welche vor einigen Jahren unter Umgehung des polizeilichen
Verbots eine politische Wochenschrift hatten gründen wollen, aber von der Censur
daran verhindert waren.

Es bildete sich ziemlich schnell ein Actienvercin, und die Zeitung trat schon
den 1. April ins Leben. Sie war so schlan, eine Classe zu gewinnen, die bisher
von der Presse sehr vernachlässigt war, die aber zur Verbreitung derselben das meiste
beitragen konnte, die Postbeamten. Die Nationalzeitung drang mit Ernst darauf, die be¬
drängte Lage derselben zu verbessern, und gewann dadurch den großen Vortheil, schneller
und eindringlicher bekannt gemacht und verbreitet zu werden. Nachher förderte sie
freilich nicht dieser äußerste Umstand, sondern die Sympathien, die ihr Inhalt überall
erregte. Die Nationalzeitung leistet mit Bewußtsein, was die alten Berliner Blätter
aus Instinkt thaten: sie drückt die öffentliche Meinung aus, d. h. sie reproducirt die
Meinungen der meiste" Einwohner des preußischen Staats, die sich überhaupt mit
Politik abgeben. Ihre Gedanken sind wie Jedermanns Gedanken, sie gehn nicht
von der Heerstraße ab.

Sie begann daher in der Revolution nicht, wie die Zeitungshalle, mit Cr-


pheten mit Glück fein zu spiele», andererseits verkannte anch das souveräne Volk überall
den Lärm, den er machte, niemals die Hohlheit seiner Empfindungen. Der echte
Sansculotte läßt sich durch Tricots nicht täuschen , er fühlt sehr bald heraus / ob
man seines Gleichen ist von Natur oder durch Reflexion. Auch Kleou ist eine
Maske, die studirt sein will, selbst zur Gemeinheit gehört Methode. Julius ist
zu unruhig und wieder zu reflectirt, um lange mit der Masse gehen zu können.
Seine Zeitung ist zwar äußerlich unterdrückt, durch den Belagerungszustand, aber
sie wäre auch ohne das eingegangen, ihr Leben war nur ein scheinbares.


5. Die Nationalzeitung.

Wir kommen jetzt zu den jüngern Zeitungen, den Kindern der Revolution.
Sie vertreten sämmtliche Nuancen und Parteiungen, und haben vor den alten
Zeitungen insgesammt den Vorzug, von vornherein im Dienst eines bestimmten
Princips unternommen zu sein.

Die Nationalzeitung war die erste, welche aus der Revolution hervorging;
sie ist zugleich diejenige, welche den weitesten Umfang gewonnen hat. In den
ersten Monaten dieses Jahres hatte sie gegen 9000 Abonnenten; das kurze Verbot
wird wahrscheinlich dazu beigetragen haben, die Zahl derselben zu vermehren, wie
es auch das erste Mal der Fall gewesen ist.

Gleich nach Publikation der Preßfreiheit traten diejenigen Schriftsteller, welche
bisher als die vorzüglichsten Vertreter des specifischen Berliner Radikalismus ge¬
golten hatten, zusammen, um die Partei in einem bestimmten Organ zu fixiren.
I)r. Nutcnbcrg, eine Zeit lang Redacteur der Rheinischen Zeitung, Dr. Zabel,
Mügge, der Novellist, Volkmann, ein Rheinischer Advocat und einige andere.
Es waren dieselben, welche vor einigen Jahren unter Umgehung des polizeilichen
Verbots eine politische Wochenschrift hatten gründen wollen, aber von der Censur
daran verhindert waren.

Es bildete sich ziemlich schnell ein Actienvercin, und die Zeitung trat schon
den 1. April ins Leben. Sie war so schlan, eine Classe zu gewinnen, die bisher
von der Presse sehr vernachlässigt war, die aber zur Verbreitung derselben das meiste
beitragen konnte, die Postbeamten. Die Nationalzeitung drang mit Ernst darauf, die be¬
drängte Lage derselben zu verbessern, und gewann dadurch den großen Vortheil, schneller
und eindringlicher bekannt gemacht und verbreitet zu werden. Nachher förderte sie
freilich nicht dieser äußerste Umstand, sondern die Sympathien, die ihr Inhalt überall
erregte. Die Nationalzeitung leistet mit Bewußtsein, was die alten Berliner Blätter
aus Instinkt thaten: sie drückt die öffentliche Meinung aus, d. h. sie reproducirt die
Meinungen der meiste» Einwohner des preußischen Staats, die sich überhaupt mit
Politik abgeben. Ihre Gedanken sind wie Jedermanns Gedanken, sie gehn nicht
von der Heerstraße ab.

Sie begann daher in der Revolution nicht, wie die Zeitungshalle, mit Cr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/445>, abgerufen am 15.01.2025.