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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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auch nur ein officielles Lokal einräumen soll. Ein Staat nach dem andern wird
zu den Sonderbnudlcrn abfallen und zuletzt wird dem Rumpf nichts weiter übrig
bleiben, als sich weiter nach links zu wenden, nach Badni hinaus oder nach der
Pfalz, wo die liederliche GaminwirllMaft sich bereits eines solchen Umfangs er¬
freut, daß es von den Regierungen sehr unklug ist, sich darein zu mischen: sich
selbst überlassen, würde die heitere Maskerade in wenig Tagen zu Eude sein.

Noch wunderlicher sieht der zweite Rumpf ans, der uuter der Führung der
Herrn Wuttke und Buß i" Frankfurt zuiückgebliebeu ist. Er schaart sich um eine
in Bezug auf die Zahl ihrer Mitglieder noch ziemlich complicirte Reichsregiernng,
die aber ans dieser weiten Erde nichts zu regieren hat, und die von Niemand
mehr anerkannt ist. Indeß kommt es dieser großdeutschen Partei -- in deren
Namen neulich Herr v. d. Pfordten eine Erklärung gegeben hat, deren Perioden-
bau nnr in Deutschland möglich ist: "freilich", "indessen", "sondern", "aber"
u. s. w. mit einem Wort: wie kaun das uralte Haus der Wittclbacher hinter den
jungen Parvenus, den Hohenzollern, hergchn! -- es kommt dieser Partei weniger
darauf auf, daß etwas geschieht, als daß nichts geschieht, nichts nämlich, um die
Souvcräuitcitsrechte der europäischen Staaten Baiern u. s. w. zu beeinträchtigen.
Baiern befindet sich in der sonderbaren Lage, weder mit Preuße", noch mit dem
Frankfurter Parlament, noch mit dem Stuttgarter, noch selbst mit Oestreich gehen
zu können, und die Thätigkeit der großdeutschen Partei wird sich so ziemlich daraus
beschränken, durch Herrn Professor Wuttke Bußpredigten gegen die Erbkaiscrli-
cheu ius Leipziger Tageblatt zu schicken.

Die Versammlung zu Gotha wird von den drei Parlamenten entschieden das
würdigste sein, denn die edelsten Kräfte der Nation werden sich darin vereinigen.
Aber ihre Stellung ist zu unklar, als daß sich eine sehr bedeutende Wirksamkeit
von ihm erwarten ließe. Einmal wird bis dahin Manches eingetreten sein, was
der Bewegung einen bestimmter" Impuls gibt, als alle Berathungen wohlmeinen¬
der Männer; sodann wird sie sich gar zu leicht versucht fühlen, sich wieder als
eine Art Vorparlament zu geriren, und in die schon hinlänglich ausgebildete Ver¬
wirrung noch einen neuen Knäuel zu werfen. Ihre edle Aufgabe ist die doppelte!
einmal die drei verbündeten Mächte zu Modifikationen in ihrem Verfassungsent-
wurf, namentlich aber im Wahlmodus, zubewegen; andererseits die kleinen Staa¬
ten zu bestimmen, sich alsdann dem Entwurf anzuschließen. Unter den vorhandene"
Uebeln -- der rothen Partei und der schwarzgelben -- ist dies das erträglichste-




Verlag von F. L. Hcrvig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt-
Druck von Friedrich Andrä.

auch nur ein officielles Lokal einräumen soll. Ein Staat nach dem andern wird
zu den Sonderbnudlcrn abfallen und zuletzt wird dem Rumpf nichts weiter übrig
bleiben, als sich weiter nach links zu wenden, nach Badni hinaus oder nach der
Pfalz, wo die liederliche GaminwirllMaft sich bereits eines solchen Umfangs er¬
freut, daß es von den Regierungen sehr unklug ist, sich darein zu mischen: sich
selbst überlassen, würde die heitere Maskerade in wenig Tagen zu Eude sein.

Noch wunderlicher sieht der zweite Rumpf ans, der uuter der Führung der
Herrn Wuttke und Buß i» Frankfurt zuiückgebliebeu ist. Er schaart sich um eine
in Bezug auf die Zahl ihrer Mitglieder noch ziemlich complicirte Reichsregiernng,
die aber ans dieser weiten Erde nichts zu regieren hat, und die von Niemand
mehr anerkannt ist. Indeß kommt es dieser großdeutschen Partei — in deren
Namen neulich Herr v. d. Pfordten eine Erklärung gegeben hat, deren Perioden-
bau nnr in Deutschland möglich ist: „freilich", „indessen", „sondern", „aber"
u. s. w. mit einem Wort: wie kaun das uralte Haus der Wittclbacher hinter den
jungen Parvenus, den Hohenzollern, hergchn! — es kommt dieser Partei weniger
darauf auf, daß etwas geschieht, als daß nichts geschieht, nichts nämlich, um die
Souvcräuitcitsrechte der europäischen Staaten Baiern u. s. w. zu beeinträchtigen.
Baiern befindet sich in der sonderbaren Lage, weder mit Preuße», noch mit dem
Frankfurter Parlament, noch mit dem Stuttgarter, noch selbst mit Oestreich gehen
zu können, und die Thätigkeit der großdeutschen Partei wird sich so ziemlich daraus
beschränken, durch Herrn Professor Wuttke Bußpredigten gegen die Erbkaiscrli-
cheu ius Leipziger Tageblatt zu schicken.

Die Versammlung zu Gotha wird von den drei Parlamenten entschieden das
würdigste sein, denn die edelsten Kräfte der Nation werden sich darin vereinigen.
Aber ihre Stellung ist zu unklar, als daß sich eine sehr bedeutende Wirksamkeit
von ihm erwarten ließe. Einmal wird bis dahin Manches eingetreten sein, was
der Bewegung einen bestimmter» Impuls gibt, als alle Berathungen wohlmeinen¬
der Männer; sodann wird sie sich gar zu leicht versucht fühlen, sich wieder als
eine Art Vorparlament zu geriren, und in die schon hinlänglich ausgebildete Ver¬
wirrung noch einen neuen Knäuel zu werfen. Ihre edle Aufgabe ist die doppelte!
einmal die drei verbündeten Mächte zu Modifikationen in ihrem Verfassungsent-
wurf, namentlich aber im Wahlmodus, zubewegen; andererseits die kleinen Staa¬
ten zu bestimmen, sich alsdann dem Entwurf anzuschließen. Unter den vorhandene»
Uebeln — der rothen Partei und der schwarzgelben — ist dies das erträglichste-




Verlag von F. L. Hcrvig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt-
Druck von Friedrich Andrä.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/432>, abgerufen am 15.01.2025.