Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.stitution bieten würde, wie sie Oestreich in sich gegenwärtig durchaus uicht auf¬ Mit dieser Erschlaffung haben die bisherigen rein nationalen Bestrebungen Die slavische Gescuumtbewcgung in Oestreich hat wohl eine innere Berechti¬ stitution bieten würde, wie sie Oestreich in sich gegenwärtig durchaus uicht auf¬ Mit dieser Erschlaffung haben die bisherigen rein nationalen Bestrebungen Die slavische Gescuumtbewcgung in Oestreich hat wohl eine innere Berechti¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278936"/> <p xml:id="ID_1377" prev="#ID_1376"> stitution bieten würde, wie sie Oestreich in sich gegenwärtig durchaus uicht auf¬<lb/> zuweisen hat. Es war aber die Ervbcrnngswuth des deutschen Parlaments, die<lb/> unersättliche Länder - und Völkergier des jung aufsprossenden Deutschlands, welche<lb/> uus zur Vorsicht mahnte, nachdem wir die Wirkungen des großen „Dranges nach<lb/> Osten" leider schon mit einem großen und weiten Läudcrgebiete gebüßt haben.<lb/> Jetzt ist diese Eroberungssucht gestillt, und so kann überhaupt jetzt allerdings die<lb/> Rede von einem Anschluß von Oestreich an Deutschland sein."</p><lb/> <p xml:id="ID_1378"> Mit dieser Erschlaffung haben die bisherigen rein nationalen Bestrebungen<lb/> der Czechen geendet. Sie suchten den Naturwuchs ihrer slavischen Brüder durch<lb/> ihre gemachte Romantik zu ersetzen; sie führten mit nüchterner Abstchtlichkeit das<lb/> Wunderbare wieder ein in die Prosa der Gegenwart, und pflegten jene exotische<lb/> Blüthe in dem Treibhause der Reflexion, die in Serbien und Kroatien allerdings<lb/> im Freien gedeiht. Sie entschlossen sich zur Schwärmerei, die darum ein°Selbst-<lb/> betrug war, weil ihr der Entschluß, aus dem gewöhnlichen Zustand der Nüchtern¬<lb/> heit herauszutreten, voranging. Die naturwüchsige Kraft der wahren Schwärme¬<lb/> rei ging ihnen auch ab, und sie bestanden uur mittelmäßig bei jener Bluttaufe,<lb/> der sich der naive Schwärmer ohne Bedenken unterzieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1379" next="#ID_1380"> Die slavische Gescuumtbewcgung in Oestreich hat wohl eine innere Berechti¬<lb/> gung, die uur der Befangene in Zweifel ziehen kann — aber es fehlt ihr noch<lb/> an Maaß und Richtung, und an einem bestimmten, erreichbaren Zielpunkt. Wie<lb/> in Frankreich die Ständcglcichheit nach der Erstürmung der Bastille, so war in<lb/> Oestreich die Gleichbcrechtiguiig der Nationalitäten das nächste Motto der Revo¬<lb/> lution ; von den durch ihre Vergangenheit geadelten Nationen fordern andere wie¬<lb/> der einen freien Spielraum für die Zukunft. Handelt es sich bei der socialen<lb/> Umgestaltung darum, daß die festgewordenen Unterschiede der Stände fallen, so<lb/> ist es hier, wo die Einzelnen nicht nur mit einem bestimmten Standesbewußtsein,<lb/> sondern mit einer gewissen durch historische Reminiscenzen ausgebildeten Ausschlie߬<lb/> lichkeit sich selbst gegen das Allgemeine des Staatslebens börniren, darum zu thun,<lb/> daß diese Befangenheit, dieser Ahnenstolz, diese Ueber- und Unterordnung der<lb/> Nationen schwinde. Die Erklärung der Menschenrechte, welche Lafayette eins<lb/> Amerika nach Frankreich mitbrachte, soll in Oestreich nicht Mehr auf einzelne Staats¬<lb/> bürger, sondern auf ganze Völker Anwendung finden. Hier durften zunächst die<lb/> Slaven mit vollem Rechte von den Deutschen und Magyaren verlangen, daß sie<lb/> ihnen gegenüber jedes aristokratische Vorurtheil aufgeben, und ihre politische Zu¬<lb/> kunft in keiner Weise verkümmern mögen ; sie habe» aber darin gefehlt, daß sie<lb/> die Perspective ihrer Zukunft blos mit den Bildern ihrer Vergangenheit ausfüllten.<lb/> So haben die Czeckeu eine poetische Vergangenheit heraufgeholt, die Serben da¬<lb/> gegen verschollene Institutionen, die keine Lebenskraft mehr haben, in die Gegen¬<lb/> wart verpflanzt. Die Revolution ist nicht da, um unter den Todten Wunder zu<lb/> thun, durch das Erdbeben soll der Boden befruchtet, aber nicht die Grüfte aus-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0426]
stitution bieten würde, wie sie Oestreich in sich gegenwärtig durchaus uicht auf¬
zuweisen hat. Es war aber die Ervbcrnngswuth des deutschen Parlaments, die
unersättliche Länder - und Völkergier des jung aufsprossenden Deutschlands, welche
uus zur Vorsicht mahnte, nachdem wir die Wirkungen des großen „Dranges nach
Osten" leider schon mit einem großen und weiten Läudcrgebiete gebüßt haben.
Jetzt ist diese Eroberungssucht gestillt, und so kann überhaupt jetzt allerdings die
Rede von einem Anschluß von Oestreich an Deutschland sein."
Mit dieser Erschlaffung haben die bisherigen rein nationalen Bestrebungen
der Czechen geendet. Sie suchten den Naturwuchs ihrer slavischen Brüder durch
ihre gemachte Romantik zu ersetzen; sie führten mit nüchterner Abstchtlichkeit das
Wunderbare wieder ein in die Prosa der Gegenwart, und pflegten jene exotische
Blüthe in dem Treibhause der Reflexion, die in Serbien und Kroatien allerdings
im Freien gedeiht. Sie entschlossen sich zur Schwärmerei, die darum ein°Selbst-
betrug war, weil ihr der Entschluß, aus dem gewöhnlichen Zustand der Nüchtern¬
heit herauszutreten, voranging. Die naturwüchsige Kraft der wahren Schwärme¬
rei ging ihnen auch ab, und sie bestanden uur mittelmäßig bei jener Bluttaufe,
der sich der naive Schwärmer ohne Bedenken unterzieht.
Die slavische Gescuumtbewcgung in Oestreich hat wohl eine innere Berechti¬
gung, die uur der Befangene in Zweifel ziehen kann — aber es fehlt ihr noch
an Maaß und Richtung, und an einem bestimmten, erreichbaren Zielpunkt. Wie
in Frankreich die Ständcglcichheit nach der Erstürmung der Bastille, so war in
Oestreich die Gleichbcrechtiguiig der Nationalitäten das nächste Motto der Revo¬
lution ; von den durch ihre Vergangenheit geadelten Nationen fordern andere wie¬
der einen freien Spielraum für die Zukunft. Handelt es sich bei der socialen
Umgestaltung darum, daß die festgewordenen Unterschiede der Stände fallen, so
ist es hier, wo die Einzelnen nicht nur mit einem bestimmten Standesbewußtsein,
sondern mit einer gewissen durch historische Reminiscenzen ausgebildeten Ausschlie߬
lichkeit sich selbst gegen das Allgemeine des Staatslebens börniren, darum zu thun,
daß diese Befangenheit, dieser Ahnenstolz, diese Ueber- und Unterordnung der
Nationen schwinde. Die Erklärung der Menschenrechte, welche Lafayette eins
Amerika nach Frankreich mitbrachte, soll in Oestreich nicht Mehr auf einzelne Staats¬
bürger, sondern auf ganze Völker Anwendung finden. Hier durften zunächst die
Slaven mit vollem Rechte von den Deutschen und Magyaren verlangen, daß sie
ihnen gegenüber jedes aristokratische Vorurtheil aufgeben, und ihre politische Zu¬
kunft in keiner Weise verkümmern mögen ; sie habe» aber darin gefehlt, daß sie
die Perspective ihrer Zukunft blos mit den Bildern ihrer Vergangenheit ausfüllten.
So haben die Czeckeu eine poetische Vergangenheit heraufgeholt, die Serben da¬
gegen verschollene Institutionen, die keine Lebenskraft mehr haben, in die Gegen¬
wart verpflanzt. Die Revolution ist nicht da, um unter den Todten Wunder zu
thun, durch das Erdbeben soll der Boden befruchtet, aber nicht die Grüfte aus-
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