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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Das Verhältnis; dieser beiden produktiven Thätigkeiten zum Ackerbau wird aber wieder
bcstimiut durch die Waaren, welche sie beide fördern und durch die Größe der Reiucr-
tuige, welche sie ihrerseits dem Nationalvermögen zufließen lassen. Die Abhän¬
gigkeit der Handwerker in kleinen und Mittelstädten von den Landbewohnern
ihrer Umgegend ist sichtbar genug, aber auch die großen Städte, dieHauptvrte der Pro¬
vinzen und Staaten gedeihen bei uns zumeist als Mittelpunkte, aus denen die feinere
Gcuußlicbe des umliegenden Landes ihre Nahrung saugt. Die Fabrikanten sind als
Verarbeiter der Rohprodukte ihres Landes in derselben Abhängigkeit vom Landbau,
und selbst in dem seltneren Fall, wo sie aus fremden Rohstoffen: Baumwolle, Seide
u. s. w. ihre Fabrikate anfertigen, sind sie in Deutschland wieder zum großen
Theil vom Gutsbesitzer abhängig, weil der Verbrauch solcher Fabrikate in der
Regel auf das Inland beschränkt ist und die Fähigkeit der Städter, Waaren zu
bezahlen, immer wieder davon abhängt, ob diese ihrerseits von den Urprvduccn-
tcn des Landes, den Landbewohnern, Verdienst gehabt haben. Deshalb steht in
Deutschland nicht, wie in England, das Interesse der Fabrikanten dem der Land-
b.uicr entgegen, sondern geht mit ihm Hand in Hand. Der englische Gutsbesitzer
verlangt hope Getreidepreise und Schutzzölle, der englische Fabrikant freie Ge¬
treideeinfuhr, weil er daun mit billigeren Tagelohn zu arbeiten hofft und sein
Absatz nicht von den gefüllten Taschen des englischen Gutsbeschers abhängig ist.
Bei uns freut sich der Fabrikant, wenn das Getreide "gilt" und der Verkehr
der Getreidemärkte ein lebhafter ist. Ueber Theuerung der Halmfrüchte freut sich
aber bei uns auch der verständigeLaudwirth nicht. Der deutsche Großhandel endlich ist
entweder Vertrieb deutscher landwirthschaftlicher Producte und der Jndustrieerzeug-
uisse im Irland und ins Ausland, oder Erwerb fremder Waaren für den Kon¬
sum des Inlands. Der frühere große Transitohandel Deutschlands nach deM
Osten und von dem Osten in's westliche Ausland ist durch die russische und öst¬
reichische Handelspolitik in der letzten Zeit ausschließlich aus die deutschen Grenz¬
linien, den Rhein, die Triester Eisenbahn und etwa noch ein Stück Weichsel be¬
schränkt worden und auch auf diesen sehr verkümmert; die Hauptadern deutsche"
Handels, die Eid- und Oderliuie haben ihn fast ganz verloren. Wenn aber der
deutsche Kaufmann davon lebt, daß er Erzeugnisse unseres Bodens, gleichviel ob
Nvhproducte oder Fabrikate in's Ausland schafft, oder die Erzeugnisse des Aus¬
lands, Colonialwaaren, Fabrikate, rohe Producte für den Consum des Inlandes
herbeigeschafft, so ist klar, daß auch er in entschteduer Abhängigkeit von dem Acker¬
bau seines Landes steht. Denn die Consumtionskraft seiner Gegend richtet sich
den Provinzialstädten wie auf dem Lande nach den Börsen der Landbauern. Das
Behagen, welches die Sicherheit einer guten Ernte oder eines guten Wollmarkts
in irgend einem deutschen Land auch über alle Klassen der Handeltreibenden ver¬
breitet, ist ein Zeichen der Familienabhängigkeit, in welcher selbst der Handel l>el
uns noch von dem Patriarchen der Staatsproduction, dem Ackerbau steht.


Das Verhältnis; dieser beiden produktiven Thätigkeiten zum Ackerbau wird aber wieder
bcstimiut durch die Waaren, welche sie beide fördern und durch die Größe der Reiucr-
tuige, welche sie ihrerseits dem Nationalvermögen zufließen lassen. Die Abhän¬
gigkeit der Handwerker in kleinen und Mittelstädten von den Landbewohnern
ihrer Umgegend ist sichtbar genug, aber auch die großen Städte, dieHauptvrte der Pro¬
vinzen und Staaten gedeihen bei uns zumeist als Mittelpunkte, aus denen die feinere
Gcuußlicbe des umliegenden Landes ihre Nahrung saugt. Die Fabrikanten sind als
Verarbeiter der Rohprodukte ihres Landes in derselben Abhängigkeit vom Landbau,
und selbst in dem seltneren Fall, wo sie aus fremden Rohstoffen: Baumwolle, Seide
u. s. w. ihre Fabrikate anfertigen, sind sie in Deutschland wieder zum großen
Theil vom Gutsbesitzer abhängig, weil der Verbrauch solcher Fabrikate in der
Regel auf das Inland beschränkt ist und die Fähigkeit der Städter, Waaren zu
bezahlen, immer wieder davon abhängt, ob diese ihrerseits von den Urprvduccn-
tcn des Landes, den Landbewohnern, Verdienst gehabt haben. Deshalb steht in
Deutschland nicht, wie in England, das Interesse der Fabrikanten dem der Land-
b.uicr entgegen, sondern geht mit ihm Hand in Hand. Der englische Gutsbesitzer
verlangt hope Getreidepreise und Schutzzölle, der englische Fabrikant freie Ge¬
treideeinfuhr, weil er daun mit billigeren Tagelohn zu arbeiten hofft und sein
Absatz nicht von den gefüllten Taschen des englischen Gutsbeschers abhängig ist.
Bei uns freut sich der Fabrikant, wenn das Getreide „gilt" und der Verkehr
der Getreidemärkte ein lebhafter ist. Ueber Theuerung der Halmfrüchte freut sich
aber bei uns auch der verständigeLaudwirth nicht. Der deutsche Großhandel endlich ist
entweder Vertrieb deutscher landwirthschaftlicher Producte und der Jndustrieerzeug-
uisse im Irland und ins Ausland, oder Erwerb fremder Waaren für den Kon¬
sum des Inlands. Der frühere große Transitohandel Deutschlands nach deM
Osten und von dem Osten in's westliche Ausland ist durch die russische und öst¬
reichische Handelspolitik in der letzten Zeit ausschließlich aus die deutschen Grenz¬
linien, den Rhein, die Triester Eisenbahn und etwa noch ein Stück Weichsel be¬
schränkt worden und auch auf diesen sehr verkümmert; die Hauptadern deutsche»
Handels, die Eid- und Oderliuie haben ihn fast ganz verloren. Wenn aber der
deutsche Kaufmann davon lebt, daß er Erzeugnisse unseres Bodens, gleichviel ob
Nvhproducte oder Fabrikate in's Ausland schafft, oder die Erzeugnisse des Aus¬
lands, Colonialwaaren, Fabrikate, rohe Producte für den Consum des Inlandes
herbeigeschafft, so ist klar, daß auch er in entschteduer Abhängigkeit von dem Acker¬
bau seines Landes steht. Denn die Consumtionskraft seiner Gegend richtet sich
den Provinzialstädten wie auf dem Lande nach den Börsen der Landbauern. Das
Behagen, welches die Sicherheit einer guten Ernte oder eines guten Wollmarkts
in irgend einem deutschen Land auch über alle Klassen der Handeltreibenden ver¬
breitet, ist ein Zeichen der Familienabhängigkeit, in welcher selbst der Handel l>el
uns noch von dem Patriarchen der Staatsproduction, dem Ackerbau steht.


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[0418] Das Verhältnis; dieser beiden produktiven Thätigkeiten zum Ackerbau wird aber wieder bcstimiut durch die Waaren, welche sie beide fördern und durch die Größe der Reiucr- tuige, welche sie ihrerseits dem Nationalvermögen zufließen lassen. Die Abhän¬ gigkeit der Handwerker in kleinen und Mittelstädten von den Landbewohnern ihrer Umgegend ist sichtbar genug, aber auch die großen Städte, dieHauptvrte der Pro¬ vinzen und Staaten gedeihen bei uns zumeist als Mittelpunkte, aus denen die feinere Gcuußlicbe des umliegenden Landes ihre Nahrung saugt. Die Fabrikanten sind als Verarbeiter der Rohprodukte ihres Landes in derselben Abhängigkeit vom Landbau, und selbst in dem seltneren Fall, wo sie aus fremden Rohstoffen: Baumwolle, Seide u. s. w. ihre Fabrikate anfertigen, sind sie in Deutschland wieder zum großen Theil vom Gutsbesitzer abhängig, weil der Verbrauch solcher Fabrikate in der Regel auf das Inland beschränkt ist und die Fähigkeit der Städter, Waaren zu bezahlen, immer wieder davon abhängt, ob diese ihrerseits von den Urprvduccn- tcn des Landes, den Landbewohnern, Verdienst gehabt haben. Deshalb steht in Deutschland nicht, wie in England, das Interesse der Fabrikanten dem der Land- b.uicr entgegen, sondern geht mit ihm Hand in Hand. Der englische Gutsbesitzer verlangt hope Getreidepreise und Schutzzölle, der englische Fabrikant freie Ge¬ treideeinfuhr, weil er daun mit billigeren Tagelohn zu arbeiten hofft und sein Absatz nicht von den gefüllten Taschen des englischen Gutsbeschers abhängig ist. Bei uns freut sich der Fabrikant, wenn das Getreide „gilt" und der Verkehr der Getreidemärkte ein lebhafter ist. Ueber Theuerung der Halmfrüchte freut sich aber bei uns auch der verständigeLaudwirth nicht. Der deutsche Großhandel endlich ist entweder Vertrieb deutscher landwirthschaftlicher Producte und der Jndustrieerzeug- uisse im Irland und ins Ausland, oder Erwerb fremder Waaren für den Kon¬ sum des Inlands. Der frühere große Transitohandel Deutschlands nach deM Osten und von dem Osten in's westliche Ausland ist durch die russische und öst¬ reichische Handelspolitik in der letzten Zeit ausschließlich aus die deutschen Grenz¬ linien, den Rhein, die Triester Eisenbahn und etwa noch ein Stück Weichsel be¬ schränkt worden und auch auf diesen sehr verkümmert; die Hauptadern deutsche» Handels, die Eid- und Oderliuie haben ihn fast ganz verloren. Wenn aber der deutsche Kaufmann davon lebt, daß er Erzeugnisse unseres Bodens, gleichviel ob Nvhproducte oder Fabrikate in's Ausland schafft, oder die Erzeugnisse des Aus¬ lands, Colonialwaaren, Fabrikate, rohe Producte für den Consum des Inlandes herbeigeschafft, so ist klar, daß auch er in entschteduer Abhängigkeit von dem Acker¬ bau seines Landes steht. Denn die Consumtionskraft seiner Gegend richtet sich den Provinzialstädten wie auf dem Lande nach den Börsen der Landbauern. Das Behagen, welches die Sicherheit einer guten Ernte oder eines guten Wollmarkts in irgend einem deutschen Land auch über alle Klassen der Handeltreibenden ver¬ breitet, ist ein Zeichen der Familienabhängigkeit, in welcher selbst der Handel l>el uns noch von dem Patriarchen der Staatsproduction, dem Ackerbau steht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/418>, abgerufen am 15.01.2025.