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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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höchst wahrscheinlich auch in Amerika einfinden werden, wenn die Bevölkerung
lange Zeit in demselben Maaße zugenommen haben wird.

Daß bei uns aber die bestehende Einrichtung aller Wirthschaften einen großen
Einfluß auf die loyalen Stimmungen der ländliche" Bevölkerung ausübt, darf
nicht verkannt werden. Auch in den Gegenden, wo das aufgeregte Landvolk in
Massen nach Republik ruft und mit Sensen auszieht, sie zu erringen, ist der In¬
stinkt des Volkes für Monarchie noch eben so sehr vorhanden als in Anderen, und
wird sich sicher über kurz oder lang geltend machen. Denn die Gemüthsstimmungen
und natürlichen Neigungen der Völker werden, wie bei einzelnen Menschen, oft
durch die Stürme plötzlicher Affecte durchkreuzt und in den Hintergrund gedrückt,
sie tauchen doch immer wieder auf, erlangen nach und nach ihre alte Macht wieder
und geben gerade da den Ausschlag, wo es gilt, große Krisen zu beendigen. Der
größte Theil der schnellen Umschläge in den Stimmungen eines Volkes ist aus
den Gegenarbeiten seiner dauernde" gemüthliche" Neigungen und temporären Lei-
deuschafreu zu erklären.

Die Neigung des Landmanns zu monarchischen Institutionen wird durch
eine andere Eigenthümlichkeit seines Empfindens bedeutend verstärkt, durch sein
Festhalten an dem Bestehenden, Gegebenen, an dem Gesetz und Brauch, in
welchem er eingelebt ist. Auch diese Eigenschaft hat ihren Grund in der jähr¬
lichen regelmäßigen Wiederkehr aller seiner Geschäfte, so wie darin, daß alle
Handgriffe, alle technische Fertigkeit, welche er sich erworben hat, ihm weit mehr
imponiren und größeren Antheil an seinem Selbstgefühl haben, als wir Cultur-
menschen uns träumen lassen. Jeder Landwirth weiß, wie schwer es ist, heimelt
Arbeitern neue Handgriffe, neue Ackerwerkzeuge anzugewöhnen, es ist uicht Unge¬
schicklichkeit, welche sich dagegen stemmt, sondern verletztes Selbstgefühl und Miß'
trauen gegen eine Neuerung, welche mehr zu bedeuten vorgibt als das, was der
Arbeiter bis dahin mit Sicherheit sein eigen genannt hat. Dies zähe Festhalten
an dem Bestehenden läßt sich beim Landmann in ruhiger Zeit an allen Richtun¬
gen seines Lebens wahrnehmen, es ist eine bekannte und alte Klage; es wird
auch in Beziehung anf den Staat sich allgemein geltend machen, wenn erst der
Bauer einsehen wird, daß seine egoistischen Interessen durch das Revolution^
fK'ber nicht unbedingt gefördert werden, daß die Getreidepreise deshalb niedrig
stehen, die Abgaben sich vermehren, und daß durch die Mobilmachung der Heere
ihm die Arbeitskraft seiner Söhne und Knechte entzogen wird. Wir haben, w"
er nicht schon eingetreten ist, bei unserem Landvolk in der nächsten Zukunft eine"
großen Rückschlag der Stimmung zu Gunsten der Kronen zu erwarten.

Was hier gesagt ist, sollte in kurzer Uebersicht längst Bekanntes begründe",
daß Leben und Thätigkeit das Individuum auf dem Lande bei uns im Allge¬
meinen conservativ stimmen und wahrscheinlich noch lange stimmen werden.
dem gegenwärtigen Kampfe um ein neues Staatsleben sind diese Stimmungen


höchst wahrscheinlich auch in Amerika einfinden werden, wenn die Bevölkerung
lange Zeit in demselben Maaße zugenommen haben wird.

Daß bei uns aber die bestehende Einrichtung aller Wirthschaften einen großen
Einfluß auf die loyalen Stimmungen der ländliche» Bevölkerung ausübt, darf
nicht verkannt werden. Auch in den Gegenden, wo das aufgeregte Landvolk in
Massen nach Republik ruft und mit Sensen auszieht, sie zu erringen, ist der In¬
stinkt des Volkes für Monarchie noch eben so sehr vorhanden als in Anderen, und
wird sich sicher über kurz oder lang geltend machen. Denn die Gemüthsstimmungen
und natürlichen Neigungen der Völker werden, wie bei einzelnen Menschen, oft
durch die Stürme plötzlicher Affecte durchkreuzt und in den Hintergrund gedrückt,
sie tauchen doch immer wieder auf, erlangen nach und nach ihre alte Macht wieder
und geben gerade da den Ausschlag, wo es gilt, große Krisen zu beendigen. Der
größte Theil der schnellen Umschläge in den Stimmungen eines Volkes ist aus
den Gegenarbeiten seiner dauernde» gemüthliche» Neigungen und temporären Lei-
deuschafreu zu erklären.

Die Neigung des Landmanns zu monarchischen Institutionen wird durch
eine andere Eigenthümlichkeit seines Empfindens bedeutend verstärkt, durch sein
Festhalten an dem Bestehenden, Gegebenen, an dem Gesetz und Brauch, in
welchem er eingelebt ist. Auch diese Eigenschaft hat ihren Grund in der jähr¬
lichen regelmäßigen Wiederkehr aller seiner Geschäfte, so wie darin, daß alle
Handgriffe, alle technische Fertigkeit, welche er sich erworben hat, ihm weit mehr
imponiren und größeren Antheil an seinem Selbstgefühl haben, als wir Cultur-
menschen uns träumen lassen. Jeder Landwirth weiß, wie schwer es ist, heimelt
Arbeitern neue Handgriffe, neue Ackerwerkzeuge anzugewöhnen, es ist uicht Unge¬
schicklichkeit, welche sich dagegen stemmt, sondern verletztes Selbstgefühl und Miß'
trauen gegen eine Neuerung, welche mehr zu bedeuten vorgibt als das, was der
Arbeiter bis dahin mit Sicherheit sein eigen genannt hat. Dies zähe Festhalten
an dem Bestehenden läßt sich beim Landmann in ruhiger Zeit an allen Richtun¬
gen seines Lebens wahrnehmen, es ist eine bekannte und alte Klage; es wird
auch in Beziehung anf den Staat sich allgemein geltend machen, wenn erst der
Bauer einsehen wird, daß seine egoistischen Interessen durch das Revolution^
fK'ber nicht unbedingt gefördert werden, daß die Getreidepreise deshalb niedrig
stehen, die Abgaben sich vermehren, und daß durch die Mobilmachung der Heere
ihm die Arbeitskraft seiner Söhne und Knechte entzogen wird. Wir haben, w»
er nicht schon eingetreten ist, bei unserem Landvolk in der nächsten Zukunft eine»
großen Rückschlag der Stimmung zu Gunsten der Kronen zu erwarten.

Was hier gesagt ist, sollte in kurzer Uebersicht längst Bekanntes begründe«,
daß Leben und Thätigkeit das Individuum auf dem Lande bei uns im Allge¬
meinen conservativ stimmen und wahrscheinlich noch lange stimmen werden.
dem gegenwärtigen Kampfe um ein neues Staatsleben sind diese Stimmungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/410>, abgerufen am 15.01.2025.