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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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hat;-er kennt die Kunstgriffe der meisten Handwerke, ist den Geheimnissen des
Handels nicht fremd, hat Veranlassung die mannigfaltigsten geschäftlichen Verbin¬
dungen mit andern Menschen einzugehen, die Gesetzgebung und die administrativen
Einrichtungen seines Staates kennen zu lernen, daraus entsteht ein schönes Ge¬
fühl der Sicherheit, es gibt wenig Fremdes, was den erfahrenen Landwirtl) im-
ponirt, wenig Beziehungen der Menschen zu einander, von welchen er nicht dnrch
sein Leben Vorstellungen bekommen hat. Dazu kommt endlich das wichtigste von
Allem, daß jeder, auch der niedrigste Tagelöhner der Feldmark, mit eigenen Augen
den Segen erblickt, welchen seine Arbeit auf das Ganze der Wirthschaft ausübt.
Im Lauf eines Jahres wird der Kreis der landwirthschaftlichen Thätigkeit unter
seinen Angen vollendet, wer gut gesäet hat, steht seine Saat regelmäßig aufge¬
hen, wer dem Wasser des Himmels in den ausgeworfenen Rinnen genügenden
Abfluß bereitet, sieht den Wolkenbruch vielleicht ohne Schaden über das Feld sei¬
ner, Thätigkeit dahinstürzen, wer zur Erntezeit die Sense geschwungen hat, mißt im
Winter die Scheffel der Körner, welche er einbringen half. Dieser Umstand, daß
der Nutzen jeder Arbeit so Aar, ihre gute oder schlechte Besorgung von solchem
Einfluß auf das Ganze des complicirten Geschäftes ist, gewährt den Arbeiter
-nicht nur das Gefühl der Nützlichkeit in hohem Grade, sondern außerdem noch
el" Verständniß des Ganzen, ein Behagen und eine Freude an seiner Arbeit,
welche der Fabrikarbeiter selten hat. Dazu rechne man noch die bekannten Vor¬
züge des Landlebens, die gesunde Thätigkeit in freier Lust und eine verhältnißmäßige
Leichtigkeit, die ersten Bedürfnisse des Lebens zu gewinnen.

Dies kräftige Selbstgefühl des Landmanns ist in Deutschland gegenwärtig
eine der besten Garantien für die jugendliche Kraft unserer Nation. Man muß
Misanthrop sein um es wegzuleugnen. Allerdings sind die Gegenden nicht selten
wo ein schlechter Boden die Ansiedler schwach und roh erhält, wo schädliche Ab¬
hängigkeitsgesetze und eine ungesunde Vertheiluug des Grund und Bodens die
Ursache widriger Aufsätzigkeit oder eines fortwährenden Mißbehagens der Gedruckten
werden, aber bei weitem der größte Theil unserer Landbauer ist im Genuß eines
gesunden Lebens, oder doch auf dem Wege dasselbe zu gewinnen.

In seinem Verhältniß zur Welt wird der Landwirth sich daher um so mehr als
Egoist ausweisen, je weniger er durch anderweitige Thätigkeit humanisirt ist. Gewöhnt,
sich als nützlicher Mensch, als der Mittelpunkt, oder als nothwendiger Theil eines
geschlossenen Ganzen, der Wirthschaft, zu betrachten, ist er geneigt, von diesem
Mittelpunkte aus die übrige bestehende Welt so anzusehen, als sei sie zu seinem
Nutzen vorhanden, wie sein Acker, sein Gespann. Aber der Egoismus des Land¬
bewohners ist bei aller Roheit doch nicht ohne eine sehr gemüthliche Zuthat. Er
schließt sich uicht ab gegen die Welt, sondern er verarbeitet sie gern und mit war¬
mem Herzen. Mau hat das Gemüthsleben unserer ländlichen Bevölkerung häufig,
aber nicht immer glücklich als Stoss für die Poesie benutzt, indem man die Ein-'


hat;-er kennt die Kunstgriffe der meisten Handwerke, ist den Geheimnissen des
Handels nicht fremd, hat Veranlassung die mannigfaltigsten geschäftlichen Verbin¬
dungen mit andern Menschen einzugehen, die Gesetzgebung und die administrativen
Einrichtungen seines Staates kennen zu lernen, daraus entsteht ein schönes Ge¬
fühl der Sicherheit, es gibt wenig Fremdes, was den erfahrenen Landwirtl) im-
ponirt, wenig Beziehungen der Menschen zu einander, von welchen er nicht dnrch
sein Leben Vorstellungen bekommen hat. Dazu kommt endlich das wichtigste von
Allem, daß jeder, auch der niedrigste Tagelöhner der Feldmark, mit eigenen Augen
den Segen erblickt, welchen seine Arbeit auf das Ganze der Wirthschaft ausübt.
Im Lauf eines Jahres wird der Kreis der landwirthschaftlichen Thätigkeit unter
seinen Angen vollendet, wer gut gesäet hat, steht seine Saat regelmäßig aufge¬
hen, wer dem Wasser des Himmels in den ausgeworfenen Rinnen genügenden
Abfluß bereitet, sieht den Wolkenbruch vielleicht ohne Schaden über das Feld sei¬
ner, Thätigkeit dahinstürzen, wer zur Erntezeit die Sense geschwungen hat, mißt im
Winter die Scheffel der Körner, welche er einbringen half. Dieser Umstand, daß
der Nutzen jeder Arbeit so Aar, ihre gute oder schlechte Besorgung von solchem
Einfluß auf das Ganze des complicirten Geschäftes ist, gewährt den Arbeiter
-nicht nur das Gefühl der Nützlichkeit in hohem Grade, sondern außerdem noch
el» Verständniß des Ganzen, ein Behagen und eine Freude an seiner Arbeit,
welche der Fabrikarbeiter selten hat. Dazu rechne man noch die bekannten Vor¬
züge des Landlebens, die gesunde Thätigkeit in freier Lust und eine verhältnißmäßige
Leichtigkeit, die ersten Bedürfnisse des Lebens zu gewinnen.

Dies kräftige Selbstgefühl des Landmanns ist in Deutschland gegenwärtig
eine der besten Garantien für die jugendliche Kraft unserer Nation. Man muß
Misanthrop sein um es wegzuleugnen. Allerdings sind die Gegenden nicht selten
wo ein schlechter Boden die Ansiedler schwach und roh erhält, wo schädliche Ab¬
hängigkeitsgesetze und eine ungesunde Vertheiluug des Grund und Bodens die
Ursache widriger Aufsätzigkeit oder eines fortwährenden Mißbehagens der Gedruckten
werden, aber bei weitem der größte Theil unserer Landbauer ist im Genuß eines
gesunden Lebens, oder doch auf dem Wege dasselbe zu gewinnen.

In seinem Verhältniß zur Welt wird der Landwirth sich daher um so mehr als
Egoist ausweisen, je weniger er durch anderweitige Thätigkeit humanisirt ist. Gewöhnt,
sich als nützlicher Mensch, als der Mittelpunkt, oder als nothwendiger Theil eines
geschlossenen Ganzen, der Wirthschaft, zu betrachten, ist er geneigt, von diesem
Mittelpunkte aus die übrige bestehende Welt so anzusehen, als sei sie zu seinem
Nutzen vorhanden, wie sein Acker, sein Gespann. Aber der Egoismus des Land¬
bewohners ist bei aller Roheit doch nicht ohne eine sehr gemüthliche Zuthat. Er
schließt sich uicht ab gegen die Welt, sondern er verarbeitet sie gern und mit war¬
mem Herzen. Mau hat das Gemüthsleben unserer ländlichen Bevölkerung häufig,
aber nicht immer glücklich als Stoss für die Poesie benutzt, indem man die Ein-'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/408>, abgerufen am 15.01.2025.