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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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mit der Natur alle Jahre durchmacht, ist in seinen Grundzügen stets derselbe,
Bearbeitung des Bodens zur Saat, Vertheidigung der Saat gegen feindliche Kräfte
der Natur und zuletzt das triumphirende Einsammeln der geschaffenen Frucht ; aber
im Detail ist seine Arbeit unendlich verschiede" je uach dem Charakter des Bodens,
welchem er sich verbündet hat, und uach dem Charakter der Früchte, welche er
baut; und alle seiue Thätigkeit fordert eine gesunde Kraft des Geistes und Kör¬
pers, einen ganzen, tüchtigen Menschen. Man ist seit uralter Zeit gewöhnt, den
Lcuidbauer glücklich zu preisen; und wenn man die Unschuld des Landes und die
Verderbtheit der Städte einander gegenüber stellte, so pflegte man dem Lande zu
schmeicheln, und den Städten sehr viel Böses nachzusagen; was sich ganz natürlich
daraus erklärt, daß die Schreibende" und Preisenden meist Stadtbewohner sind,
welche am herzlichsten das loben, was sie gar nicht, oder nur unvollständig keime".
Nicht das Glück deö Landmanns, sondern seine Stellung zu der gegenwärtigen
Krisis unserer deutscheu Entwicklung, soll hier die Leser der Grenzboten interes-
siren, es sei daher erlaubt, deu leitenden Gedanken dieser Reflexion voranzustellen.

Bei allen gewaltsamen Erschütterungen der Staaten ist die
Beschaffenheit des Landbaus in dem einzelnen Staat maßgebend
für Form und Inhalt der neuen Bildungen, welche aus der Re¬
vo lutionsperi ode herauswachsen, aber wohlgemerkt, nur diejenige Be¬
schaffenheit des Landbau's und Grundbesitzes, welche am Ende einer umstürzen¬
den Periode vorhanden ist. Und zweitens läßt sich beweisen, daß die Festig¬
keit alter, wie derueuen staatlichen Bildungen zum großeuTheil
davon abhängt, ob die arbeitenden Kapitalien eines Volkes zu¬
meist aus den Ueberschüssen des groß en Grundbesitzes oder aus in¬
dustrieller speculatio n zusammen geflossen sind. Beide Wahrheiten beruhen
auf einem und demselben Grnnde, auf der großen conservativen Kraft, welche
der Landbau und Landbesitz im Staatsleben äußert. Es ist nicht uninteressant
nach den Ursachen zu suchen, ans denen der Ackerbau gegen staatliche Neuerungen
gern reagirt, die neuen Bildungen nach seinem Standpunkt modifizirt, und ihrer
Dauer Garantien gibt. Diese Ursachen liegen theils im Charakter des Landwirths,
theils in der natürlichen Beschaffenheit des ländlichen Grundbesitzes.

Wer im vorigen Jahr die Haufen aufgeregter Bauern mit Sensen und
Dreschflegeln gegen die Wohnungen der Gutsherrn ziehen sah, und das Glück be¬
obachtete, mit welchem die elendesten Agenten demokratischer Clubs ganze Kreise
ehrenwerther Grundbesitzer zu falschen politischen Maßregeln trieben, der wird
kein großes Vertrauen zu den conservativen Instinkten der Landbewohner haben
können. Aber die Erscheinungen des vorigen Jahres sind durchaus kein Ausfluß
der Gesinnungen und Grnndstimmungen des Landvolks. Es war der Mangel an
jeder politische" Bildung, welche nicht nur beim ländlichen Proletariat, sondern
auch bei größeren Grundbesitzern, dem Strome neuer Idee" gegenüber ans eine


mit der Natur alle Jahre durchmacht, ist in seinen Grundzügen stets derselbe,
Bearbeitung des Bodens zur Saat, Vertheidigung der Saat gegen feindliche Kräfte
der Natur und zuletzt das triumphirende Einsammeln der geschaffenen Frucht ; aber
im Detail ist seine Arbeit unendlich verschiede» je uach dem Charakter des Bodens,
welchem er sich verbündet hat, und uach dem Charakter der Früchte, welche er
baut; und alle seiue Thätigkeit fordert eine gesunde Kraft des Geistes und Kör¬
pers, einen ganzen, tüchtigen Menschen. Man ist seit uralter Zeit gewöhnt, den
Lcuidbauer glücklich zu preisen; und wenn man die Unschuld des Landes und die
Verderbtheit der Städte einander gegenüber stellte, so pflegte man dem Lande zu
schmeicheln, und den Städten sehr viel Böses nachzusagen; was sich ganz natürlich
daraus erklärt, daß die Schreibende« und Preisenden meist Stadtbewohner sind,
welche am herzlichsten das loben, was sie gar nicht, oder nur unvollständig keime».
Nicht das Glück deö Landmanns, sondern seine Stellung zu der gegenwärtigen
Krisis unserer deutscheu Entwicklung, soll hier die Leser der Grenzboten interes-
siren, es sei daher erlaubt, deu leitenden Gedanken dieser Reflexion voranzustellen.

Bei allen gewaltsamen Erschütterungen der Staaten ist die
Beschaffenheit des Landbaus in dem einzelnen Staat maßgebend
für Form und Inhalt der neuen Bildungen, welche aus der Re¬
vo lutionsperi ode herauswachsen, aber wohlgemerkt, nur diejenige Be¬
schaffenheit des Landbau's und Grundbesitzes, welche am Ende einer umstürzen¬
den Periode vorhanden ist. Und zweitens läßt sich beweisen, daß die Festig¬
keit alter, wie derueuen staatlichen Bildungen zum großeuTheil
davon abhängt, ob die arbeitenden Kapitalien eines Volkes zu¬
meist aus den Ueberschüssen des groß en Grundbesitzes oder aus in¬
dustrieller speculatio n zusammen geflossen sind. Beide Wahrheiten beruhen
auf einem und demselben Grnnde, auf der großen conservativen Kraft, welche
der Landbau und Landbesitz im Staatsleben äußert. Es ist nicht uninteressant
nach den Ursachen zu suchen, ans denen der Ackerbau gegen staatliche Neuerungen
gern reagirt, die neuen Bildungen nach seinem Standpunkt modifizirt, und ihrer
Dauer Garantien gibt. Diese Ursachen liegen theils im Charakter des Landwirths,
theils in der natürlichen Beschaffenheit des ländlichen Grundbesitzes.

Wer im vorigen Jahr die Haufen aufgeregter Bauern mit Sensen und
Dreschflegeln gegen die Wohnungen der Gutsherrn ziehen sah, und das Glück be¬
obachtete, mit welchem die elendesten Agenten demokratischer Clubs ganze Kreise
ehrenwerther Grundbesitzer zu falschen politischen Maßregeln trieben, der wird
kein großes Vertrauen zu den conservativen Instinkten der Landbewohner haben
können. Aber die Erscheinungen des vorigen Jahres sind durchaus kein Ausfluß
der Gesinnungen und Grnndstimmungen des Landvolks. Es war der Mangel an
jeder politische» Bildung, welche nicht nur beim ländlichen Proletariat, sondern
auch bei größeren Grundbesitzern, dem Strome neuer Idee» gegenüber ans eine


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[0406] mit der Natur alle Jahre durchmacht, ist in seinen Grundzügen stets derselbe, Bearbeitung des Bodens zur Saat, Vertheidigung der Saat gegen feindliche Kräfte der Natur und zuletzt das triumphirende Einsammeln der geschaffenen Frucht ; aber im Detail ist seine Arbeit unendlich verschiede» je uach dem Charakter des Bodens, welchem er sich verbündet hat, und uach dem Charakter der Früchte, welche er baut; und alle seiue Thätigkeit fordert eine gesunde Kraft des Geistes und Kör¬ pers, einen ganzen, tüchtigen Menschen. Man ist seit uralter Zeit gewöhnt, den Lcuidbauer glücklich zu preisen; und wenn man die Unschuld des Landes und die Verderbtheit der Städte einander gegenüber stellte, so pflegte man dem Lande zu schmeicheln, und den Städten sehr viel Böses nachzusagen; was sich ganz natürlich daraus erklärt, daß die Schreibende« und Preisenden meist Stadtbewohner sind, welche am herzlichsten das loben, was sie gar nicht, oder nur unvollständig keime». Nicht das Glück deö Landmanns, sondern seine Stellung zu der gegenwärtigen Krisis unserer deutscheu Entwicklung, soll hier die Leser der Grenzboten interes- siren, es sei daher erlaubt, deu leitenden Gedanken dieser Reflexion voranzustellen. Bei allen gewaltsamen Erschütterungen der Staaten ist die Beschaffenheit des Landbaus in dem einzelnen Staat maßgebend für Form und Inhalt der neuen Bildungen, welche aus der Re¬ vo lutionsperi ode herauswachsen, aber wohlgemerkt, nur diejenige Be¬ schaffenheit des Landbau's und Grundbesitzes, welche am Ende einer umstürzen¬ den Periode vorhanden ist. Und zweitens läßt sich beweisen, daß die Festig¬ keit alter, wie derueuen staatlichen Bildungen zum großeuTheil davon abhängt, ob die arbeitenden Kapitalien eines Volkes zu¬ meist aus den Ueberschüssen des groß en Grundbesitzes oder aus in¬ dustrieller speculatio n zusammen geflossen sind. Beide Wahrheiten beruhen auf einem und demselben Grnnde, auf der großen conservativen Kraft, welche der Landbau und Landbesitz im Staatsleben äußert. Es ist nicht uninteressant nach den Ursachen zu suchen, ans denen der Ackerbau gegen staatliche Neuerungen gern reagirt, die neuen Bildungen nach seinem Standpunkt modifizirt, und ihrer Dauer Garantien gibt. Diese Ursachen liegen theils im Charakter des Landwirths, theils in der natürlichen Beschaffenheit des ländlichen Grundbesitzes. Wer im vorigen Jahr die Haufen aufgeregter Bauern mit Sensen und Dreschflegeln gegen die Wohnungen der Gutsherrn ziehen sah, und das Glück be¬ obachtete, mit welchem die elendesten Agenten demokratischer Clubs ganze Kreise ehrenwerther Grundbesitzer zu falschen politischen Maßregeln trieben, der wird kein großes Vertrauen zu den conservativen Instinkten der Landbewohner haben können. Aber die Erscheinungen des vorigen Jahres sind durchaus kein Ausfluß der Gesinnungen und Grnndstimmungen des Landvolks. Es war der Mangel an jeder politische» Bildung, welche nicht nur beim ländlichen Proletariat, sondern auch bei größeren Grundbesitzern, dem Strome neuer Idee» gegenüber ans eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/406>, abgerufen am 15.01.2025.