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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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den zu diesem Zweck ausdrücklich einberufenen Reichstag in denselben, sehr er¬
schwerenden Formen geschehen soll, wie spätere Abänderungen derselben. ES ist
ferner keine Garantie dafür geboten, daß der vorliegende Entwurf auch wirklich
von den Fürsten gehalten wird, falls das Volk darauf eingeht: ein Mangel, der
um so mißlicher ist, da die Experimente mit der preußischen Verfassung vorliegen.

VIII. Neichswahlgesetz. Wir müssen zugeben, daß das Frankfurter
Wahlgesetz zu demokratisch war. Die Volksvertretung soll die Bildung des Volks
repräsentiren, das geschieht aber nicht, wenn der Bildungsumfang aller Einzelnen
summirt und dann die mittlere Proportionale daraus gezogen wird. So war es
unter andern mit den aufgelösten sächsische,: Kammern. Der preußische Entwurf
geht aber auf der andern Seite viel zu weit, und muß unter allen Umständen
modificirt werden. Das Recht, zu wählen, ist an folgende Bedingungen geknüpft,
l) Alter von 25 Jahren. 2) Berechtigung zu den Gemeinde-Wahlen des Wohn¬
orts. 3) Zahlung einer directen Steuer. 4) Unbescholtenheit. 5) Fester Wohn¬
sitz von wenigstens drei Jahren am Ort der Wahl und Heimaths-
berechtigung daselbst. (Diese Bestimmung, vou der die Soldaten
ausgenommen sind, schmeckt ganz nach dem vereinigten Landtage,)

Nimmt man dazu, daß die Wahl induced und nach den bekannten drei Steuer¬
klassen vollzogen wird, so ergibt sich allerdings ein höchst conservatives, aber auch
ein höchst unwahres Resultat. Aus einer so beschränkten Wahl geht keine wahre
Volksrepräsentation hervor, und der Reichstag würde wie das Jnliparlament als
ein fremdartiges Institut dem Volk gegenüberstehn.




Die conservative Kraft des Ackerbaues.



Wer an' dem Rand der grünen Felder dahinschreitet und seineu Blick auf dem
wogenden Meer der Halme hinanfglciten läßt, dem wird grade jetzt ein wunder-
sames Gefühl von Ruhe und Behagen kommen. Das Leben der Staaten scheint so
krank, so trostlos, dagegen das Leben der Natur, welche der Mensch seinen Zwecken
dienstbar gemacht hat, gerade jetzt so gesund, so vielverheißend. Die Periode der
Frühlingssaaten ist vorbei, schon beginnt die schöne Zeit der Ernte, wo die Scholle
des Ackers den Pflüger mit goldenem Dank bezahlt. Von der lustigen Hcnmath
über die Halmerute bis zum Spätherbst, wo die pflegmatischcu Knollengewächse
das Tageslicht kugeln, welch eine Mle von Ereignissen, wie gesetzmäßig siud
^ in ihrer Folge, und wie verständlich und nützlich für das Ganze ist jede dabei
Nöthige Thätigkeit des Menschen. Der Kreislauf, welchen der Landwirth im Bunde


den zu diesem Zweck ausdrücklich einberufenen Reichstag in denselben, sehr er¬
schwerenden Formen geschehen soll, wie spätere Abänderungen derselben. ES ist
ferner keine Garantie dafür geboten, daß der vorliegende Entwurf auch wirklich
von den Fürsten gehalten wird, falls das Volk darauf eingeht: ein Mangel, der
um so mißlicher ist, da die Experimente mit der preußischen Verfassung vorliegen.

VIII. Neichswahlgesetz. Wir müssen zugeben, daß das Frankfurter
Wahlgesetz zu demokratisch war. Die Volksvertretung soll die Bildung des Volks
repräsentiren, das geschieht aber nicht, wenn der Bildungsumfang aller Einzelnen
summirt und dann die mittlere Proportionale daraus gezogen wird. So war es
unter andern mit den aufgelösten sächsische,: Kammern. Der preußische Entwurf
geht aber auf der andern Seite viel zu weit, und muß unter allen Umständen
modificirt werden. Das Recht, zu wählen, ist an folgende Bedingungen geknüpft,
l) Alter von 25 Jahren. 2) Berechtigung zu den Gemeinde-Wahlen des Wohn¬
orts. 3) Zahlung einer directen Steuer. 4) Unbescholtenheit. 5) Fester Wohn¬
sitz von wenigstens drei Jahren am Ort der Wahl und Heimaths-
berechtigung daselbst. (Diese Bestimmung, vou der die Soldaten
ausgenommen sind, schmeckt ganz nach dem vereinigten Landtage,)

Nimmt man dazu, daß die Wahl induced und nach den bekannten drei Steuer¬
klassen vollzogen wird, so ergibt sich allerdings ein höchst conservatives, aber auch
ein höchst unwahres Resultat. Aus einer so beschränkten Wahl geht keine wahre
Volksrepräsentation hervor, und der Reichstag würde wie das Jnliparlament als
ein fremdartiges Institut dem Volk gegenüberstehn.




Die conservative Kraft des Ackerbaues.



Wer an' dem Rand der grünen Felder dahinschreitet und seineu Blick auf dem
wogenden Meer der Halme hinanfglciten läßt, dem wird grade jetzt ein wunder-
sames Gefühl von Ruhe und Behagen kommen. Das Leben der Staaten scheint so
krank, so trostlos, dagegen das Leben der Natur, welche der Mensch seinen Zwecken
dienstbar gemacht hat, gerade jetzt so gesund, so vielverheißend. Die Periode der
Frühlingssaaten ist vorbei, schon beginnt die schöne Zeit der Ernte, wo die Scholle
des Ackers den Pflüger mit goldenem Dank bezahlt. Von der lustigen Hcnmath
über die Halmerute bis zum Spätherbst, wo die pflegmatischcu Knollengewächse
das Tageslicht kugeln, welch eine Mle von Ereignissen, wie gesetzmäßig siud
^ in ihrer Folge, und wie verständlich und nützlich für das Ganze ist jede dabei
Nöthige Thätigkeit des Menschen. Der Kreislauf, welchen der Landwirth im Bunde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/405>, abgerufen am 15.01.2025.