Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.und verwöhnt durch ein Ensemble, wovon man bei den meisten andern Bühnen keine Wenn ich mitten in, Lärm und Wüthen politischer Gegensatze Ihnen und un¬ Und doch gibt es in unserem Vaterlande einen Ort, der vortrefflich dazu ge¬ 49*
und verwöhnt durch ein Ensemble, wovon man bei den meisten andern Bühnen keine Wenn ich mitten in, Lärm und Wüthen politischer Gegensatze Ihnen und un¬ Und doch gibt es in unserem Vaterlande einen Ort, der vortrefflich dazu ge¬ 49*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278897"/> <p xml:id="ID_1229" prev="#ID_1228"> und verwöhnt durch ein Ensemble, wovon man bei den meisten andern Bühnen keine<lb/> Ahnung mehr hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1230"> Wenn ich mitten in, Lärm und Wüthen politischer Gegensatze Ihnen und un¬<lb/> sern Lesern dies sage, so hat anch das seinen guten Grund. Ein Jahr der Ne><lb/> Volution und wohin ist unsere dramatische Kunst gekommen! Die besseren Theater¬<lb/> schriststeller sind aufgeregt und verstimmt, das Wenige was sie schaffen, ist nicht<lb/> gemacht, die Kunst zu fördern, die Tagearbeiter breiten sich mit schlechten Carrika-<lb/> turen, Parodien und gemeinen Faxen auf den mürrisch knarrenden Brettern; die<lb/> Existenz der meisten Theater ist bedroht, die Geldverhältnisse fast aller, sogar der<lb/> größeren Hoftheater zerrüttet, die darstellenden Künstler selbst an Gagen-Aussich-<lb/> ten und Courage sehr verkürzt, durch leere Häuser entmuthigt, die Besseren durch<lb/> die Launen und Rohheiten eines revolutionölustigen Publikums gedemüthigt. Wo<lb/> soll das hinaus? Nirgend in Deutschland hat die Kunst der dramatischen Dar¬<lb/> stellung gegenwärtig ein Asyl, wo sie im Schutz einer verständigen und kunstlie-<lb/> benden Bevölkerung sich erhalten und fortbilden könnte für unsere Nation, für<lb/> ruhigere Zeiten. Nicht in Berlin, nicht in Wien, nicht in Stuttgart, selbst in<lb/> Dresden nicht mehr. All den kleineren Höfen noch weniger. Ob das Publikum<lb/> von. Hamburg geeignet ist, der Kunst wohlzuthun, mögen Sie selbst beurtheilen.<lb/> Ueberall droht das Gespenst eines Bürgerkrieges, oder die harte Last von Be¬<lb/> lagerungszuständen und Ausnahmegesetzen. Auch solche Zeiten füllen die Hänser,<lb/> aber nicht zum Vortheil für die Kunst. Wer Kränkungen und politische Verstim¬<lb/> mungen unter dem Kronleuchter unseres Plafonds kuriren will, der verlangt stär¬<lb/> kere Mittel für Zwcrgfell und Thränensäcke, als ein ehrlicher Arzt ihm geben<lb/> darf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1231" next="#ID_1232"> Und doch gibt es in unserem Vaterlande einen Ort, der vortrefflich dazu ge¬<lb/> eignet ist, der geschenchtcn Muse des Dramas Zuflucht zu gewähre», und dieser<lb/> Ort ist Leipzig. Daß ich nicht durch persönliche Interessen zu dieser Ueberzeu¬<lb/> gung gebracht werde, mögen Sie mir schon zutrauen; ich bin ja selbst kein Bürger der<lb/> guten Stadt und kann mich mir als Wandergeselle betrachten, der zufällig in<lb/> ihren Mauern Arbeit gefunden hat. Wer aber Leipzig kennt, wird mir Recht<lb/> geben. Die Stadt zählt 60,000 Einwohner und ist von allen deutschen Städten<lb/> die, wo ein behaglicher Wohlstand am meisten verbreitet ist; sie hat seit alter<lb/> Zeit den Ruf, daß ihre Einwohner Bildung und Kunstliebe besitzen, und in der<lb/> That glaube ich, daß eine sehr wohlthuende Zuneigung zu der Kunst und ihren<lb/> Jünger» sich hier häufiger und liebenswürdiger äußert, als sonst irgendwo. Un¬<lb/> sere Freunde und Freundinnen vom Theater könnten viel davon erzählen, wie häufig<lb/> und wie zart und rührend zuweilen die Zeichen von menschlichem Antheil sind,<lb/> die ihnen von ganz Fremden, oft sehr schüchtern und heimlich kommen; Enncchnuu-<lb/> gen, Urtheile über einzelne Rollen, Lob und Dank, kurz Alles, was dem ehrli¬<lb/> chen Künstler Freude und Behagen macht, selbst wo es ungeschickt herauskommt,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 49*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0387]
und verwöhnt durch ein Ensemble, wovon man bei den meisten andern Bühnen keine
Ahnung mehr hat.
Wenn ich mitten in, Lärm und Wüthen politischer Gegensatze Ihnen und un¬
sern Lesern dies sage, so hat anch das seinen guten Grund. Ein Jahr der Ne>
Volution und wohin ist unsere dramatische Kunst gekommen! Die besseren Theater¬
schriststeller sind aufgeregt und verstimmt, das Wenige was sie schaffen, ist nicht
gemacht, die Kunst zu fördern, die Tagearbeiter breiten sich mit schlechten Carrika-
turen, Parodien und gemeinen Faxen auf den mürrisch knarrenden Brettern; die
Existenz der meisten Theater ist bedroht, die Geldverhältnisse fast aller, sogar der
größeren Hoftheater zerrüttet, die darstellenden Künstler selbst an Gagen-Aussich-
ten und Courage sehr verkürzt, durch leere Häuser entmuthigt, die Besseren durch
die Launen und Rohheiten eines revolutionölustigen Publikums gedemüthigt. Wo
soll das hinaus? Nirgend in Deutschland hat die Kunst der dramatischen Dar¬
stellung gegenwärtig ein Asyl, wo sie im Schutz einer verständigen und kunstlie-
benden Bevölkerung sich erhalten und fortbilden könnte für unsere Nation, für
ruhigere Zeiten. Nicht in Berlin, nicht in Wien, nicht in Stuttgart, selbst in
Dresden nicht mehr. All den kleineren Höfen noch weniger. Ob das Publikum
von. Hamburg geeignet ist, der Kunst wohlzuthun, mögen Sie selbst beurtheilen.
Ueberall droht das Gespenst eines Bürgerkrieges, oder die harte Last von Be¬
lagerungszuständen und Ausnahmegesetzen. Auch solche Zeiten füllen die Hänser,
aber nicht zum Vortheil für die Kunst. Wer Kränkungen und politische Verstim¬
mungen unter dem Kronleuchter unseres Plafonds kuriren will, der verlangt stär¬
kere Mittel für Zwcrgfell und Thränensäcke, als ein ehrlicher Arzt ihm geben
darf.
Und doch gibt es in unserem Vaterlande einen Ort, der vortrefflich dazu ge¬
eignet ist, der geschenchtcn Muse des Dramas Zuflucht zu gewähre», und dieser
Ort ist Leipzig. Daß ich nicht durch persönliche Interessen zu dieser Ueberzeu¬
gung gebracht werde, mögen Sie mir schon zutrauen; ich bin ja selbst kein Bürger der
guten Stadt und kann mich mir als Wandergeselle betrachten, der zufällig in
ihren Mauern Arbeit gefunden hat. Wer aber Leipzig kennt, wird mir Recht
geben. Die Stadt zählt 60,000 Einwohner und ist von allen deutschen Städten
die, wo ein behaglicher Wohlstand am meisten verbreitet ist; sie hat seit alter
Zeit den Ruf, daß ihre Einwohner Bildung und Kunstliebe besitzen, und in der
That glaube ich, daß eine sehr wohlthuende Zuneigung zu der Kunst und ihren
Jünger» sich hier häufiger und liebenswürdiger äußert, als sonst irgendwo. Un¬
sere Freunde und Freundinnen vom Theater könnten viel davon erzählen, wie häufig
und wie zart und rührend zuweilen die Zeichen von menschlichem Antheil sind,
die ihnen von ganz Fremden, oft sehr schüchtern und heimlich kommen; Enncchnuu-
gen, Urtheile über einzelne Rollen, Lob und Dank, kurz Alles, was dem ehrli¬
chen Künstler Freude und Behagen macht, selbst wo es ungeschickt herauskommt,
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