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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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schworenen Ritter der Legitimität eine aufrichtige Bewunderung hegen soll. Es
läßt sich annehmen, daß die Unterredung zwischen den beiden, in ihren Schick¬
salen so unähnlichen Kaisern sich nicht auf die dringendsten Geschäftsangelegen¬
heiten beschränken wird und vermuthlich finden wir nächstens im Lloyd oder im Oest-
reichischen Korrespondenten einige Bruchstücke aus der Warschauer Conversation
mit diplomatischer Treue ausgezeignet, etwa wie folgt:

(In Warschau.)

Czar.
(den Kaiser umarmend)

So hab ich Sie endlich! -- Nußland ist

der Revolution zu hohem Dank verpflichtet für so werthen Gast und segnen möchte
Ich den bösen Feind, der alle Sturm' und Gluthen des Abgrundes gegen Ihr
ehrwürdiges Oestreich entfesselt hat. --


Kaiser,
(erröthet)

-- Nachteule. Wo die Noth am höchsten, ist der

Czar am nächsten.


Czar.

Noch ganz der langweilige Schmeichler wie 1825.

(bei Seite)
(Laut.)

Ja, Nußland verläßt seine Freunde nicht. Vor einem Jahre waren Wir

vergessen, zu den Barbaren geworfen, die ältesten und legitimsteu Bande schienen
ans ewig zerrissen. Man affectirte in Wien sogar, Unser Feind zu sein.


Nachteule.

Majestät verzeihen, es gibt eine constitutionelle Etiquette; die

Zunge mußte dem wüthenden Aufruhr nachgeben, das Herz zeigte, wie die Mag¬
netnadel stets nach Norden.

Lassen wir, was nicht zu ändern ist. Unrecht wäre es, auf das


Czar.

Haupt dieser unschuldigen Majestät glühende Kohlen zu sammeln. Sie, junger
Fürst, haben die Krone in einer schweren Zeit anf's Haupt gesetzt, Sie werden
Mühe haben, sie festzuhalten, aber nur Muth, ich werde Sie mit starkem Arm
unterstützen, wenn Sie standhaft genug sind, meinem väterlichen Rath zu folgen.

Erröthen Sie nicht. Es ist nicht Ihre

(Die Hand auf seine Schulter legend.)

Schuld, wenn Sie eines Vormundes bedürfen. Ihre Mutter ist der einzige Manu
im Hanse Habsburg. Werden Sie ein Mann und benutzen Sie die furchtbare Lehre,
die der schwache Ferdinand mit seinem zerrütteten Erbe Ihnen hinterließ. Halb¬
heit ist der Weg zum Abgrund, Sentimentalität ist Selbstmord. Ein Paar Flin¬
tenschüsse in der Herrengasse raubten ihm die Fassung. Und später mußten seine
Nerven doch den prächtigsten Kanonendonner vertragen lernen.

Ein Augenblick Festigkeit und die Ordnung war ans ein Menschenalter ge¬
rettet. Womit verglich Ich den Schaden, welchen Ferdinand angerichtet?

Mit dem Loch im Aermel. Noch im April, noch im Mai


Nesselrode.

war es zu flicken. Ja, die Konstitution ist ein garstiges Loch im Aermel, das
unfehlbar weiter reißt, bis der Purpur in Fetzen ist. Seltsam, im Abendlande
halten Völker und selbst Fürsten solch ein Loch wie einen Segen heilig und be¬
mühen sich vergeblich, es durch sogenannte gesetzliche Näthe zu begrenzen. Es
reißt doch immer weiter.


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schworenen Ritter der Legitimität eine aufrichtige Bewunderung hegen soll. Es
läßt sich annehmen, daß die Unterredung zwischen den beiden, in ihren Schick¬
salen so unähnlichen Kaisern sich nicht auf die dringendsten Geschäftsangelegen¬
heiten beschränken wird und vermuthlich finden wir nächstens im Lloyd oder im Oest-
reichischen Korrespondenten einige Bruchstücke aus der Warschauer Conversation
mit diplomatischer Treue ausgezeignet, etwa wie folgt:

(In Warschau.)

Czar.
(den Kaiser umarmend)

So hab ich Sie endlich! — Nußland ist

der Revolution zu hohem Dank verpflichtet für so werthen Gast und segnen möchte
Ich den bösen Feind, der alle Sturm' und Gluthen des Abgrundes gegen Ihr
ehrwürdiges Oestreich entfesselt hat. —


Kaiser,
(erröthet)

— Nachteule. Wo die Noth am höchsten, ist der

Czar am nächsten.


Czar.

Noch ganz der langweilige Schmeichler wie 1825.

(bei Seite)
(Laut.)

Ja, Nußland verläßt seine Freunde nicht. Vor einem Jahre waren Wir

vergessen, zu den Barbaren geworfen, die ältesten und legitimsteu Bande schienen
ans ewig zerrissen. Man affectirte in Wien sogar, Unser Feind zu sein.


Nachteule.

Majestät verzeihen, es gibt eine constitutionelle Etiquette; die

Zunge mußte dem wüthenden Aufruhr nachgeben, das Herz zeigte, wie die Mag¬
netnadel stets nach Norden.

Lassen wir, was nicht zu ändern ist. Unrecht wäre es, auf das


Czar.

Haupt dieser unschuldigen Majestät glühende Kohlen zu sammeln. Sie, junger
Fürst, haben die Krone in einer schweren Zeit anf's Haupt gesetzt, Sie werden
Mühe haben, sie festzuhalten, aber nur Muth, ich werde Sie mit starkem Arm
unterstützen, wenn Sie standhaft genug sind, meinem väterlichen Rath zu folgen.

Erröthen Sie nicht. Es ist nicht Ihre

(Die Hand auf seine Schulter legend.)

Schuld, wenn Sie eines Vormundes bedürfen. Ihre Mutter ist der einzige Manu
im Hanse Habsburg. Werden Sie ein Mann und benutzen Sie die furchtbare Lehre,
die der schwache Ferdinand mit seinem zerrütteten Erbe Ihnen hinterließ. Halb¬
heit ist der Weg zum Abgrund, Sentimentalität ist Selbstmord. Ein Paar Flin¬
tenschüsse in der Herrengasse raubten ihm die Fassung. Und später mußten seine
Nerven doch den prächtigsten Kanonendonner vertragen lernen.

Ein Augenblick Festigkeit und die Ordnung war ans ein Menschenalter ge¬
rettet. Womit verglich Ich den Schaden, welchen Ferdinand angerichtet?

Mit dem Loch im Aermel. Noch im April, noch im Mai


Nesselrode.

war es zu flicken. Ja, die Konstitution ist ein garstiges Loch im Aermel, das
unfehlbar weiter reißt, bis der Purpur in Fetzen ist. Seltsam, im Abendlande
halten Völker und selbst Fürsten solch ein Loch wie einen Segen heilig und be¬
mühen sich vergeblich, es durch sogenannte gesetzliche Näthe zu begrenzen. Es
reißt doch immer weiter.


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[0379] schworenen Ritter der Legitimität eine aufrichtige Bewunderung hegen soll. Es läßt sich annehmen, daß die Unterredung zwischen den beiden, in ihren Schick¬ salen so unähnlichen Kaisern sich nicht auf die dringendsten Geschäftsangelegen¬ heiten beschränken wird und vermuthlich finden wir nächstens im Lloyd oder im Oest- reichischen Korrespondenten einige Bruchstücke aus der Warschauer Conversation mit diplomatischer Treue ausgezeignet, etwa wie folgt: (In Warschau.) Czar. (den Kaiser umarmend) So hab ich Sie endlich! — Nußland ist der Revolution zu hohem Dank verpflichtet für so werthen Gast und segnen möchte Ich den bösen Feind, der alle Sturm' und Gluthen des Abgrundes gegen Ihr ehrwürdiges Oestreich entfesselt hat. — Kaiser, (erröthet) — Nachteule. Wo die Noth am höchsten, ist der Czar am nächsten. Czar. Noch ganz der langweilige Schmeichler wie 1825. (bei Seite) (Laut.) Ja, Nußland verläßt seine Freunde nicht. Vor einem Jahre waren Wir vergessen, zu den Barbaren geworfen, die ältesten und legitimsteu Bande schienen ans ewig zerrissen. Man affectirte in Wien sogar, Unser Feind zu sein. Nachteule. Majestät verzeihen, es gibt eine constitutionelle Etiquette; die Zunge mußte dem wüthenden Aufruhr nachgeben, das Herz zeigte, wie die Mag¬ netnadel stets nach Norden. Lassen wir, was nicht zu ändern ist. Unrecht wäre es, auf das Czar. Haupt dieser unschuldigen Majestät glühende Kohlen zu sammeln. Sie, junger Fürst, haben die Krone in einer schweren Zeit anf's Haupt gesetzt, Sie werden Mühe haben, sie festzuhalten, aber nur Muth, ich werde Sie mit starkem Arm unterstützen, wenn Sie standhaft genug sind, meinem väterlichen Rath zu folgen. Erröthen Sie nicht. Es ist nicht Ihre (Die Hand auf seine Schulter legend.) Schuld, wenn Sie eines Vormundes bedürfen. Ihre Mutter ist der einzige Manu im Hanse Habsburg. Werden Sie ein Mann und benutzen Sie die furchtbare Lehre, die der schwache Ferdinand mit seinem zerrütteten Erbe Ihnen hinterließ. Halb¬ heit ist der Weg zum Abgrund, Sentimentalität ist Selbstmord. Ein Paar Flin¬ tenschüsse in der Herrengasse raubten ihm die Fassung. Und später mußten seine Nerven doch den prächtigsten Kanonendonner vertragen lernen. Ein Augenblick Festigkeit und die Ordnung war ans ein Menschenalter ge¬ rettet. Womit verglich Ich den Schaden, welchen Ferdinand angerichtet? Mit dem Loch im Aermel. Noch im April, noch im Mai Nesselrode. war es zu flicken. Ja, die Konstitution ist ein garstiges Loch im Aermel, das unfehlbar weiter reißt, bis der Purpur in Fetzen ist. Seltsam, im Abendlande halten Völker und selbst Fürsten solch ein Loch wie einen Segen heilig und be¬ mühen sich vergeblich, es durch sogenannte gesetzliche Näthe zu begrenzen. Es reißt doch immer weiter. 48*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/379>, abgerufen am 15.01.2025.