Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.den magyarischen Rebellen mit "größter Strenge zu vernichten" (die Andern mit Vor einigen Tagen sandte der Wiener Gemeinderath eine Deputation nach Nun, mein Wunsch ist erfüllt! Der Kaiser ist zu seiner Ausbildung auf Rei¬ *) Aber ich würde ihm jedenfalls einen würdigern Obcrsthofmeister mitgeben, als den von
des Kaisers Mutter erkorenen Fürsten Karl v. Liechtenstein. Die Ernennung dieses Ka¬ valiers zum kaiserlichen Obersthofmeistcr hat ein sehr unangenehmes Aufsehen erregt. Liechten¬ stein erfreut sich einer seltenen Popularität beim schönen Geschlecht, und er ist herablassend genug, sich mit allen plebejischen Schürzen Wiens "gemein zu machen." Auch die Busen- srcundschaft des russischen Kaisers, die er besitzt, spricht für seine geselligen Talente. Doch eignet ihn dies schwerlich zum Obersthosmcister eines achtzehnjährigen Monarchen. den magyarischen Rebellen mit „größter Strenge zu vernichten" (die Andern mit Vor einigen Tagen sandte der Wiener Gemeinderath eine Deputation nach Nun, mein Wunsch ist erfüllt! Der Kaiser ist zu seiner Ausbildung auf Rei¬ *) Aber ich würde ihm jedenfalls einen würdigern Obcrsthofmeister mitgeben, als den von
des Kaisers Mutter erkorenen Fürsten Karl v. Liechtenstein. Die Ernennung dieses Ka¬ valiers zum kaiserlichen Obersthofmeistcr hat ein sehr unangenehmes Aufsehen erregt. Liechten¬ stein erfreut sich einer seltenen Popularität beim schönen Geschlecht, und er ist herablassend genug, sich mit allen plebejischen Schürzen Wiens „gemein zu machen." Auch die Busen- srcundschaft des russischen Kaisers, die er besitzt, spricht für seine geselligen Talente. Doch eignet ihn dies schwerlich zum Obersthosmcister eines achtzehnjährigen Monarchen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278888"/> <p xml:id="ID_1175" prev="#ID_1174"> den magyarischen Rebellen mit „größter Strenge zu vernichten" (die Andern mit<lb/> größter Milde). Diese Stylübuugen Weidens gehören zu den kleinen Freuden<lb/> des Belagerungszustandes und die einzige Klage ist, daß sie jetzt seltener sind als<lb/> früher. Daß in Lemberg beleidigende Aeußerungen gegen den Czaren Nicolai<lb/> kriegsrechtlich bestraft werden und in Hradisch „auf Verlangen der Nüssen" kein<lb/> Jude übernachten darf, .'gehört nur in sofern Hieher, als wir das Vergnügen<lb/> haben, die betreffenden constitutionellen Erlasse in hiesigen offiziellen Blättern zu<lb/> lesen. Der „Lloyd" ist gewissermaßen stolz auf die Russen und prahlt mit ihnen<lb/> gegen Deutschland, Frankreich und Italien. Daß er so naiv ist, triumphirend<lb/> aus die Sympathien hinzuweisen, welche die russischen Retter und Befreier bei<lb/> deu Slaven Mährens und Ungarns finden, möge ihm das Ministerium verzeihen;<lb/> ich thue es gern. Auch das gehört zum Humor des Belagerungszustandes und hat<lb/> mit der Anwesenheit des Kaisers nichts zu schaffen; denn könnte sie anch Wunder<lb/> wirken, das Schamgefühl des Lloyd zu wecken, würde ihr nicht gelingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1176"> Vor einigen Tagen sandte der Wiener Gemeinderath eine Deputation nach<lb/> Olmütz an die Erzherzogin Sophie und ließ ihr, wie man sich erzählt, den Dank<lb/> der Residenz aussprechen für die treffliche und freisinnige Erziehung, die sie ihren:<lb/> Sohne Franz Joseph gegeben. — So kann nur der Aberglaube an das Von-<lb/> Gvttes-Gnaden-Dogma heucheln. Als wäre man mit achtzehn Jahren erzogen!<lb/> Armer Kaiser! Ich würde dich ein paar Jahre ans Universiäten und Reisen<lb/> schicken. In Heidelberg oder Cambridge, in Rom oder Edinburg, überall wür¬<lb/> dest du mehr lernen, als ein Romulus Augustulus zu werden, und nebenbei wür¬<lb/> dest dn wenigstens deine Jugend genießen*)!</p><lb/> <p xml:id="ID_1177" next="#ID_1178"> Nun, mein Wunsch ist erfüllt! Der Kaiser ist zu seiner Ausbildung auf Rei¬<lb/> sen gegangen — nach Warschau; wie die Wiener Zeitung meldet, um den zufällig<lb/> dort anwesenden Czaren, „den treuen Bundesgenossen und bewährten Freund des<lb/> kaiserlichen Hauses" mit einem Besuch zu überraschen. Den kaiserlichen Telemach<lb/> begleitet als constitutionelle Minerva oder Minervcneule der Ministerpräsident<lb/> Fürst Schwarzenberg. In der Umgebung des Czaren befinden sich Nesselrode<lb/> und Graf Orloff. Die imponirende Persönlichkeit des russischen Kaisers wird<lb/> ans Franz Joseph um so sicherer einen tiefen Eindruck machen, als der junge<lb/> Monarch vorwiegend militärische Neigungen und Anlagen besitzt und für den ge-</p><lb/> <note xml:id="FID_36" place="foot"> *) Aber ich würde ihm jedenfalls einen würdigern Obcrsthofmeister mitgeben, als den von<lb/> des Kaisers Mutter erkorenen Fürsten Karl v. Liechtenstein. Die Ernennung dieses Ka¬<lb/> valiers zum kaiserlichen Obersthofmeistcr hat ein sehr unangenehmes Aufsehen erregt. Liechten¬<lb/> stein erfreut sich einer seltenen Popularität beim schönen Geschlecht, und er ist herablassend<lb/> genug, sich mit allen plebejischen Schürzen Wiens „gemein zu machen." Auch die Busen-<lb/> srcundschaft des russischen Kaisers, die er besitzt, spricht für seine geselligen Talente. Doch<lb/> eignet ihn dies schwerlich zum Obersthosmcister eines achtzehnjährigen Monarchen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
den magyarischen Rebellen mit „größter Strenge zu vernichten" (die Andern mit
größter Milde). Diese Stylübuugen Weidens gehören zu den kleinen Freuden
des Belagerungszustandes und die einzige Klage ist, daß sie jetzt seltener sind als
früher. Daß in Lemberg beleidigende Aeußerungen gegen den Czaren Nicolai
kriegsrechtlich bestraft werden und in Hradisch „auf Verlangen der Nüssen" kein
Jude übernachten darf, .'gehört nur in sofern Hieher, als wir das Vergnügen
haben, die betreffenden constitutionellen Erlasse in hiesigen offiziellen Blättern zu
lesen. Der „Lloyd" ist gewissermaßen stolz auf die Russen und prahlt mit ihnen
gegen Deutschland, Frankreich und Italien. Daß er so naiv ist, triumphirend
aus die Sympathien hinzuweisen, welche die russischen Retter und Befreier bei
deu Slaven Mährens und Ungarns finden, möge ihm das Ministerium verzeihen;
ich thue es gern. Auch das gehört zum Humor des Belagerungszustandes und hat
mit der Anwesenheit des Kaisers nichts zu schaffen; denn könnte sie anch Wunder
wirken, das Schamgefühl des Lloyd zu wecken, würde ihr nicht gelingen.
Vor einigen Tagen sandte der Wiener Gemeinderath eine Deputation nach
Olmütz an die Erzherzogin Sophie und ließ ihr, wie man sich erzählt, den Dank
der Residenz aussprechen für die treffliche und freisinnige Erziehung, die sie ihren:
Sohne Franz Joseph gegeben. — So kann nur der Aberglaube an das Von-
Gvttes-Gnaden-Dogma heucheln. Als wäre man mit achtzehn Jahren erzogen!
Armer Kaiser! Ich würde dich ein paar Jahre ans Universiäten und Reisen
schicken. In Heidelberg oder Cambridge, in Rom oder Edinburg, überall wür¬
dest du mehr lernen, als ein Romulus Augustulus zu werden, und nebenbei wür¬
dest dn wenigstens deine Jugend genießen*)!
Nun, mein Wunsch ist erfüllt! Der Kaiser ist zu seiner Ausbildung auf Rei¬
sen gegangen — nach Warschau; wie die Wiener Zeitung meldet, um den zufällig
dort anwesenden Czaren, „den treuen Bundesgenossen und bewährten Freund des
kaiserlichen Hauses" mit einem Besuch zu überraschen. Den kaiserlichen Telemach
begleitet als constitutionelle Minerva oder Minervcneule der Ministerpräsident
Fürst Schwarzenberg. In der Umgebung des Czaren befinden sich Nesselrode
und Graf Orloff. Die imponirende Persönlichkeit des russischen Kaisers wird
ans Franz Joseph um so sicherer einen tiefen Eindruck machen, als der junge
Monarch vorwiegend militärische Neigungen und Anlagen besitzt und für den ge-
*) Aber ich würde ihm jedenfalls einen würdigern Obcrsthofmeister mitgeben, als den von
des Kaisers Mutter erkorenen Fürsten Karl v. Liechtenstein. Die Ernennung dieses Ka¬
valiers zum kaiserlichen Obersthofmeistcr hat ein sehr unangenehmes Aufsehen erregt. Liechten¬
stein erfreut sich einer seltenen Popularität beim schönen Geschlecht, und er ist herablassend
genug, sich mit allen plebejischen Schürzen Wiens „gemein zu machen." Auch die Busen-
srcundschaft des russischen Kaisers, die er besitzt, spricht für seine geselligen Talente. Doch
eignet ihn dies schwerlich zum Obersthosmcister eines achtzehnjährigen Monarchen.
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