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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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in der Rheinpfalz in lebendigem Verkehr; sie enthält mehr Frauen als Männer
und hat sich aus dem Protestantismus überwiegender als aus dem Katholicismus
recrutirt.

Um die hiesige "deutsche constitutionelle Zeitung" , das edelste Localorgan,
ist wie um ein gemeinsames Banner die Gemeinde der wahrhaft Constitu-
tionellen geschaart. Fern von äußerer schroffer Parteibildung erstreben hier in
verständigen, sachgemäßen Aufsätzen, Aristokraten, Geistliche, Lehrer, Beamte, kurz
Männer aus alleu Lebensrichtungen die Verwirklichung, den organischen Ausbau
der Monarchie mit reinem Gewissen. Die Beiträge werden freiwillig und ohne
alles Interesse geleistet. Die leitenden Aufsätze sind meist aus der Feder des
Fürsten Wallerstein, der seit den Erschütterungen des Jahres 1848 ein aufrichti¬
ger Vorkämpfer für die Volksinteressen geworden zu sein scheint. Daß dieses Un¬
ternehmen trotz den freiwilligen Beiträgen und der Aufopferung seines Verlegers
nur geringe materielle Führung erhalte", beweist am schlagendsten, wie wenig Bo¬
den in ganz Baiern für deu von alleu Auswüchsen und Unaufrichtig-
ketten gereinigten Constitutionalismus zu finden ist, wie sich auch
unseres Wissens sür Nechtsgiltigleit der deutschen Grundrechte in ganz Baiern nur
ein Senat des Stadtgerichts in Bamberg und nnr ein praktischer Jurist, der
rechtskundige Magistratsrath Reichere in Bamberg erhoben hat, während ein Se¬
nat des obersten Gerichtshofes in München sich offen dagegen ausgesprochen hat.

Die eigentlich demokratische Partei, die deutsche gegenwärtig genannt,
lst von dem hiesigen Centralmärz verein und deu mit ihm innigst verbunde¬
nen Vaterlands verein getragen, die mit beiden gleichnamigen Vereinen in
der Vorstadt An und in dem nahen Haidhansen in steter Wcchselwich'amten stehen.
Der Ccntralmärzverein, an dessen Spitze gegenwärtig der Coucipist Her¬
mann steht, der politische O'Connell Oberbaierns, hat seit seinem Bestehen
eine enorme Thätigkeit entwickelt. Der Ccntralmärzverein hat sein Hauptaugen¬
werk ans die allgemeinen politischen Verhältnisse Deutschlands, der Vaterlandsverein
hat die des engern Vaterlandes Baiern kritisch in's Auge gesaßt. Das erklärte Preß-
°rgan beider Vereine ist der hiesige "Eilbote", außerdem finden sich Aufsätze
"As der Feder vou Mitgliedern beider Bereine in der "deutschen constitutionellen
Zeitung," im "Laudboten", in den "Neusten Nachrichten" und im "Gradaus", der
^s ausschließliches Organ deö Auer Märzvereius sehr radical ist. Das unablässige
Bemühen beider Vereine, einen festen Halt in der Bürgerschaft und in den mitt¬
leren Ständen zu finden mißlang natürlich trotz allen öffentlichen Demonstrationen,
was ihnen aber hier abging, das wurde ihnen durch eine nähere Verbindung mit
der Linken der Volkskammer und dnrch einen großen Einfluß auf deu hiesigen
^entrai-Arbeiterbild ungs verein zum Theil ersitzt. Dieser Verein von
entschieden social demokratischer Tendenz, hat zum Wahlspruch: "Einheit macht
uns stark, Entschiedenheit führt uns zum Ziele"; ist der Centralpunkt aller Ar-


in der Rheinpfalz in lebendigem Verkehr; sie enthält mehr Frauen als Männer
und hat sich aus dem Protestantismus überwiegender als aus dem Katholicismus
recrutirt.

Um die hiesige „deutsche constitutionelle Zeitung" , das edelste Localorgan,
ist wie um ein gemeinsames Banner die Gemeinde der wahrhaft Constitu-
tionellen geschaart. Fern von äußerer schroffer Parteibildung erstreben hier in
verständigen, sachgemäßen Aufsätzen, Aristokraten, Geistliche, Lehrer, Beamte, kurz
Männer aus alleu Lebensrichtungen die Verwirklichung, den organischen Ausbau
der Monarchie mit reinem Gewissen. Die Beiträge werden freiwillig und ohne
alles Interesse geleistet. Die leitenden Aufsätze sind meist aus der Feder des
Fürsten Wallerstein, der seit den Erschütterungen des Jahres 1848 ein aufrichti¬
ger Vorkämpfer für die Volksinteressen geworden zu sein scheint. Daß dieses Un¬
ternehmen trotz den freiwilligen Beiträgen und der Aufopferung seines Verlegers
nur geringe materielle Führung erhalte», beweist am schlagendsten, wie wenig Bo¬
den in ganz Baiern für deu von alleu Auswüchsen und Unaufrichtig-
ketten gereinigten Constitutionalismus zu finden ist, wie sich auch
unseres Wissens sür Nechtsgiltigleit der deutschen Grundrechte in ganz Baiern nur
ein Senat des Stadtgerichts in Bamberg und nnr ein praktischer Jurist, der
rechtskundige Magistratsrath Reichere in Bamberg erhoben hat, während ein Se¬
nat des obersten Gerichtshofes in München sich offen dagegen ausgesprochen hat.

Die eigentlich demokratische Partei, die deutsche gegenwärtig genannt,
lst von dem hiesigen Centralmärz verein und deu mit ihm innigst verbunde¬
nen Vaterlands verein getragen, die mit beiden gleichnamigen Vereinen in
der Vorstadt An und in dem nahen Haidhansen in steter Wcchselwich'amten stehen.
Der Ccntralmärzverein, an dessen Spitze gegenwärtig der Coucipist Her¬
mann steht, der politische O'Connell Oberbaierns, hat seit seinem Bestehen
eine enorme Thätigkeit entwickelt. Der Ccntralmärzverein hat sein Hauptaugen¬
werk ans die allgemeinen politischen Verhältnisse Deutschlands, der Vaterlandsverein
hat die des engern Vaterlandes Baiern kritisch in's Auge gesaßt. Das erklärte Preß-
°rgan beider Vereine ist der hiesige „Eilbote", außerdem finden sich Aufsätze
"As der Feder vou Mitgliedern beider Bereine in der „deutschen constitutionellen
Zeitung," im „Laudboten", in den „Neusten Nachrichten" und im „Gradaus", der
^s ausschließliches Organ deö Auer Märzvereius sehr radical ist. Das unablässige
Bemühen beider Vereine, einen festen Halt in der Bürgerschaft und in den mitt¬
leren Ständen zu finden mißlang natürlich trotz allen öffentlichen Demonstrationen,
was ihnen aber hier abging, das wurde ihnen durch eine nähere Verbindung mit
der Linken der Volkskammer und dnrch einen großen Einfluß auf deu hiesigen
^entrai-Arbeiterbild ungs verein zum Theil ersitzt. Dieser Verein von
entschieden social demokratischer Tendenz, hat zum Wahlspruch: „Einheit macht
uns stark, Entschiedenheit führt uns zum Ziele"; ist der Centralpunkt aller Ar-


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[0373] in der Rheinpfalz in lebendigem Verkehr; sie enthält mehr Frauen als Männer und hat sich aus dem Protestantismus überwiegender als aus dem Katholicismus recrutirt. Um die hiesige „deutsche constitutionelle Zeitung" , das edelste Localorgan, ist wie um ein gemeinsames Banner die Gemeinde der wahrhaft Constitu- tionellen geschaart. Fern von äußerer schroffer Parteibildung erstreben hier in verständigen, sachgemäßen Aufsätzen, Aristokraten, Geistliche, Lehrer, Beamte, kurz Männer aus alleu Lebensrichtungen die Verwirklichung, den organischen Ausbau der Monarchie mit reinem Gewissen. Die Beiträge werden freiwillig und ohne alles Interesse geleistet. Die leitenden Aufsätze sind meist aus der Feder des Fürsten Wallerstein, der seit den Erschütterungen des Jahres 1848 ein aufrichti¬ ger Vorkämpfer für die Volksinteressen geworden zu sein scheint. Daß dieses Un¬ ternehmen trotz den freiwilligen Beiträgen und der Aufopferung seines Verlegers nur geringe materielle Führung erhalte», beweist am schlagendsten, wie wenig Bo¬ den in ganz Baiern für deu von alleu Auswüchsen und Unaufrichtig- ketten gereinigten Constitutionalismus zu finden ist, wie sich auch unseres Wissens sür Nechtsgiltigleit der deutschen Grundrechte in ganz Baiern nur ein Senat des Stadtgerichts in Bamberg und nnr ein praktischer Jurist, der rechtskundige Magistratsrath Reichere in Bamberg erhoben hat, während ein Se¬ nat des obersten Gerichtshofes in München sich offen dagegen ausgesprochen hat. Die eigentlich demokratische Partei, die deutsche gegenwärtig genannt, lst von dem hiesigen Centralmärz verein und deu mit ihm innigst verbunde¬ nen Vaterlands verein getragen, die mit beiden gleichnamigen Vereinen in der Vorstadt An und in dem nahen Haidhansen in steter Wcchselwich'amten stehen. Der Ccntralmärzverein, an dessen Spitze gegenwärtig der Coucipist Her¬ mann steht, der politische O'Connell Oberbaierns, hat seit seinem Bestehen eine enorme Thätigkeit entwickelt. Der Ccntralmärzverein hat sein Hauptaugen¬ werk ans die allgemeinen politischen Verhältnisse Deutschlands, der Vaterlandsverein hat die des engern Vaterlandes Baiern kritisch in's Auge gesaßt. Das erklärte Preß- °rgan beider Vereine ist der hiesige „Eilbote", außerdem finden sich Aufsätze "As der Feder vou Mitgliedern beider Bereine in der „deutschen constitutionellen Zeitung," im „Laudboten", in den „Neusten Nachrichten" und im „Gradaus", der ^s ausschließliches Organ deö Auer Märzvereius sehr radical ist. Das unablässige Bemühen beider Vereine, einen festen Halt in der Bürgerschaft und in den mitt¬ leren Ständen zu finden mißlang natürlich trotz allen öffentlichen Demonstrationen, was ihnen aber hier abging, das wurde ihnen durch eine nähere Verbindung mit der Linken der Volkskammer und dnrch einen großen Einfluß auf deu hiesigen ^entrai-Arbeiterbild ungs verein zum Theil ersitzt. Dieser Verein von entschieden social demokratischer Tendenz, hat zum Wahlspruch: „Einheit macht uns stark, Entschiedenheit führt uns zum Ziele"; ist der Centralpunkt aller Ar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/373>, abgerufen am 15.01.2025.