Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Particularismus streut Asche auf sein Haupt, weil er sich seiner Mitschuld an Ich bin kein Freund von solchen prunkenden Aufzügen und gebe eben nicht Laßt euch bewundern, ihr weisen Staatslenker von Olmütz, -- so sagte ich Grenzboten. II. 5
Particularismus streut Asche auf sein Haupt, weil er sich seiner Mitschuld an Ich bin kein Freund von solchen prunkenden Aufzügen und gebe eben nicht Laßt euch bewundern, ihr weisen Staatslenker von Olmütz, — so sagte ich Grenzboten. II. 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278547"/> <p xml:id="ID_107" prev="#ID_106"> Particularismus streut Asche auf sein Haupt, weil er sich seiner Mitschuld an<lb/> der Auflösung des Reichstages anklagt. Borrosch wird unter dem lauten Rufe:<lb/> ,,-it /ije!^ von czechischen Studenten aus dem Bahnhofe getragen und einige Tage<lb/> darauf vereinigt sich die deutsche Studentenschaft mit der czechischen, um ihm in<lb/> Gemeinschaft mit Rieger für seine demokratische Thätigkeit in der Constituante<lb/> durch einen Fackelzug zu danken. Ohne heftige Rührung läuft, wie bekannt, eine<lb/> solche Demonstration niemals ab; Rieger hielt einen Panegyrikus auf Borrosch,<lb/> der seine Wirkung auf die deutschen Studenten nicht verfehlte, und der ohnehin<lb/> sentimentale Borrosch fiel zur großen Freude der Czechen Niegern an den Hals,<lb/> als wollte er durch diese symbolische Umarmung sagen: „Seid umschlungen, ihr<lb/> 17 Millionen Slaven!"</p><lb/> <p xml:id="ID_108"> Ich bin kein Freund von solchen prunkenden Aufzügen und gebe eben nicht<lb/> viel daraus, wenn ein Theil der Bevölkerung seine Gefühle durch einige hundert<lb/> Windlichter in der Abenddämmerung in das gehörige Licht zu bringen sucht.<lb/> Aber jener Fackelzug hat doch seiue feurigen Reflexe bis in mein Inneres gewor¬<lb/> fen; ich habe unterwegs heftig mit den Ministern gezankt und lasse hier einige<lb/> Stellen aus einem polizeiwidrigen Monologe folgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_109"> Laßt euch bewundern, ihr weisen Staatslenker von Olmütz, — so sagte ich<lb/> damals, — die ihr durch euer großmüthiges Verfassungsgeschenk keine andere Partei<lb/> befriedigtet, als jene, welche schon längst mit euch vollkommen zufrieden war,<lb/> nämlich den großen Rattenkönig der Bourgeoisie! Statt ein neues Pantheon zu<lb/> bauen, wo jede östreichische Nation eine geweihte Stätte für ihre Palladien findet,<lb/> HM ihr den Götzendienst der Börse als Staatsreligion erklärt, wo man des ab¬<lb/> strakten Deismus der Freiheit spottet und ein goldenes, mit schwarzgelben Bän¬<lb/> dern geschmücktes Kalb göttlich verehrt. Aber auch auf der Wage der Spekula¬<lb/> tion ward euer Staatsstreich zu leicht befunden und gedankenlos schrieben die Sen¬<lb/> sale in der Form von Courszetteln das Urtheil über eure Charte hin. Inso¬<lb/> fern muß ich euch jedoch für euern „kühnen Griff" danken, weil ihr trotz dem<lb/> Grundsatz clividv et im^er», der euch ohne Unterlaß vorschwebt, dennoch die<lb/> Einigung der östreichischen Völker, das Verständniß ihrer gemeinsamen politischen<lb/> Aufgabe angebahnt und so der Koalition des aufgelösten Reichstags wegen des<lb/> K. 1. eine tiefere symbolische Bedeutung gegeben habt, als ursprünglich darin lag.<lb/> Der Reichstag mußte verhöhnt, verspottet und endlich aufgelöst werden, damit<lb/> die Völker Oestreichs durch ihn die Erlösung finden von deu Erbsünden des Na-<lb/> tionalhasses. So lange er in Kremsicr ein mattes Scheinleben fristete, konnte er<lb/> uns keinen praktischen Nutzen bringen, aber seitdem er auferstanden ist in dem<lb/> Herzen der Völker und hier seinen Ostermorgen feiert, kaun sein Andenken als<lb/> ein versöhnender Geist in der großen Völkergemeinde der östreichischen Nationen<lb/> walten. —</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. 5</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Particularismus streut Asche auf sein Haupt, weil er sich seiner Mitschuld an
der Auflösung des Reichstages anklagt. Borrosch wird unter dem lauten Rufe:
,,-it /ije!^ von czechischen Studenten aus dem Bahnhofe getragen und einige Tage
darauf vereinigt sich die deutsche Studentenschaft mit der czechischen, um ihm in
Gemeinschaft mit Rieger für seine demokratische Thätigkeit in der Constituante
durch einen Fackelzug zu danken. Ohne heftige Rührung läuft, wie bekannt, eine
solche Demonstration niemals ab; Rieger hielt einen Panegyrikus auf Borrosch,
der seine Wirkung auf die deutschen Studenten nicht verfehlte, und der ohnehin
sentimentale Borrosch fiel zur großen Freude der Czechen Niegern an den Hals,
als wollte er durch diese symbolische Umarmung sagen: „Seid umschlungen, ihr
17 Millionen Slaven!"
Ich bin kein Freund von solchen prunkenden Aufzügen und gebe eben nicht
viel daraus, wenn ein Theil der Bevölkerung seine Gefühle durch einige hundert
Windlichter in der Abenddämmerung in das gehörige Licht zu bringen sucht.
Aber jener Fackelzug hat doch seiue feurigen Reflexe bis in mein Inneres gewor¬
fen; ich habe unterwegs heftig mit den Ministern gezankt und lasse hier einige
Stellen aus einem polizeiwidrigen Monologe folgen.
Laßt euch bewundern, ihr weisen Staatslenker von Olmütz, — so sagte ich
damals, — die ihr durch euer großmüthiges Verfassungsgeschenk keine andere Partei
befriedigtet, als jene, welche schon längst mit euch vollkommen zufrieden war,
nämlich den großen Rattenkönig der Bourgeoisie! Statt ein neues Pantheon zu
bauen, wo jede östreichische Nation eine geweihte Stätte für ihre Palladien findet,
HM ihr den Götzendienst der Börse als Staatsreligion erklärt, wo man des ab¬
strakten Deismus der Freiheit spottet und ein goldenes, mit schwarzgelben Bän¬
dern geschmücktes Kalb göttlich verehrt. Aber auch auf der Wage der Spekula¬
tion ward euer Staatsstreich zu leicht befunden und gedankenlos schrieben die Sen¬
sale in der Form von Courszetteln das Urtheil über eure Charte hin. Inso¬
fern muß ich euch jedoch für euern „kühnen Griff" danken, weil ihr trotz dem
Grundsatz clividv et im^er», der euch ohne Unterlaß vorschwebt, dennoch die
Einigung der östreichischen Völker, das Verständniß ihrer gemeinsamen politischen
Aufgabe angebahnt und so der Koalition des aufgelösten Reichstags wegen des
K. 1. eine tiefere symbolische Bedeutung gegeben habt, als ursprünglich darin lag.
Der Reichstag mußte verhöhnt, verspottet und endlich aufgelöst werden, damit
die Völker Oestreichs durch ihn die Erlösung finden von deu Erbsünden des Na-
tionalhasses. So lange er in Kremsicr ein mattes Scheinleben fristete, konnte er
uns keinen praktischen Nutzen bringen, aber seitdem er auferstanden ist in dem
Herzen der Völker und hier seinen Ostermorgen feiert, kaun sein Andenken als
ein versöhnender Geist in der großen Völkergemeinde der östreichischen Nationen
walten. —
Grenzboten. II. 5
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |