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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Die sogenannte Partei der "Großdeutschen" hat eigentlich nur eine negative
Basis: Abneigung gegen die preußische Hegemonie und gegen die Republik. Ihr
Stichwort: die volle Einheit Deutschlands, ist nichts weiter als eine Kritik der
bestimmten, und daher beschränkten Formen, in der man diesen zerflossenen Be¬
griff zu realisiren sucht. Es mischen sich in ihr daher die verschiedenartigsten Ele¬
mente. Diejenigen Männer, welche ans ehrlicher Ueberzeugung im Anfang mit
ihr gemeinsam gegen das Gagern'sche Programm Front machten -- wie Welcker,
Wydenbrugk u. A. - haben sich von ihr losgesagt, seitdem Oestreich sich als
selbstständiger Centralstaat constituirt und dadurch die Unmöglichkeit, das ganze
Deutschland zu einem Centralstaat zu vereinigen, erwiesen hatte. Sie setzt sich
zusammen aus den Antipathien Süddeutschlands gegen Norddeutschland, aus dem
Particularismus der Höhe und ihrer Junker, ans der Furcht der Ultramontanen,
unter der Hegemonie eines protestantischen Fürsten ihren Einfluß zu verlieren, aus
dem Hochmuth der doctrinäreu Legitimisten gegen alles, was das Gepräge eines
volkstümlichen Ursprungs an der Stirn trägt, aus dem specifischen Nationalge¬
fühl Altbaierns und aus Intriguen. Die Partei an sich würde ohnmächtig sein,
wenn sie nicht einen mächtigen Schlitz im Ausland fände, und durch die Zweideutigkeit
der Preußische" Regierung getragen würde. Die Fäden der Partei laufen im östrei¬
chischen Cabinet zusammen, das den angestammten Metternich'schen Einfluß über
Deutschland nicht aufgeben will -- hat ja noch kürzlich der alte Kriegsheld Ra-
detzky eine Proklamation in diesem Sinn erlassen. Aber auch da ist noch nicht
der letzte Knoten. Die mächtige Hand, welche jetzt die östreichische Politik leitet,
gehört dem Kaiser von Rußland; der Erste unter den Kriegsfürsten, der Oest¬
reichs Negierung gegen die eignen Bürger beschützt, um Oestreich als Vorkämpfer
gegen Deutschland zu benutzen.

Diesen eigentlichen Feinden des preußischen Staats hat die preußische Re¬
gierung, als ihr die Macht in die Hände gegeben war, sich mit demüthigen Fle¬
hen in die Arme geworfen; sie ist zum zweiten Mal mit Hohn zurückgewiesen. Sie
murrt, aber - - möchte meine Prophezeiung falsch sein! -- sie wird sich unterwerfen.

In Deutschland selbst hat Oestreich seine Stütze an der Centralgewalt, die
jetzt, von allen natürlichen Verbindungen abgeschnitten, von ihren Voraussetzungen
abgelöst, nur noch dazu dient, die Verwirrung Deutschlands auf die Spitze z"
treiben. Dem alten, würdigen Mann, den die übersprudelnde deutsche Gemüth¬
lichkeit als den ersten Bürger Deutschlands zu preisen sich erfreute, hat das Schick¬
sal kein glückliches Ende seiner sonst so ruhmvollen Laufbahn beschicken. Wir
wollen ihn darum nicht anklagen; das Gefühl war es, was ihn in seine Stellung
führte, und in ihm selbst kämpfte Gefühl gegen Gefühl. Der Erzherzog von
Oestreich und der deutsche Bürger -- in gemüthlichen Trinksprüchen läßt es sich
vereinigen, aber nicht im ernsten Augenblick der Entscheidung. Er mußte endlich
brechen mit der Macht, die ihn selber gerufen hatte, und es gereicht ihm zur Ehre


Die sogenannte Partei der „Großdeutschen" hat eigentlich nur eine negative
Basis: Abneigung gegen die preußische Hegemonie und gegen die Republik. Ihr
Stichwort: die volle Einheit Deutschlands, ist nichts weiter als eine Kritik der
bestimmten, und daher beschränkten Formen, in der man diesen zerflossenen Be¬
griff zu realisiren sucht. Es mischen sich in ihr daher die verschiedenartigsten Ele¬
mente. Diejenigen Männer, welche ans ehrlicher Ueberzeugung im Anfang mit
ihr gemeinsam gegen das Gagern'sche Programm Front machten — wie Welcker,
Wydenbrugk u. A. - haben sich von ihr losgesagt, seitdem Oestreich sich als
selbstständiger Centralstaat constituirt und dadurch die Unmöglichkeit, das ganze
Deutschland zu einem Centralstaat zu vereinigen, erwiesen hatte. Sie setzt sich
zusammen aus den Antipathien Süddeutschlands gegen Norddeutschland, aus dem
Particularismus der Höhe und ihrer Junker, ans der Furcht der Ultramontanen,
unter der Hegemonie eines protestantischen Fürsten ihren Einfluß zu verlieren, aus
dem Hochmuth der doctrinäreu Legitimisten gegen alles, was das Gepräge eines
volkstümlichen Ursprungs an der Stirn trägt, aus dem specifischen Nationalge¬
fühl Altbaierns und aus Intriguen. Die Partei an sich würde ohnmächtig sein,
wenn sie nicht einen mächtigen Schlitz im Ausland fände, und durch die Zweideutigkeit
der Preußische» Regierung getragen würde. Die Fäden der Partei laufen im östrei¬
chischen Cabinet zusammen, das den angestammten Metternich'schen Einfluß über
Deutschland nicht aufgeben will — hat ja noch kürzlich der alte Kriegsheld Ra-
detzky eine Proklamation in diesem Sinn erlassen. Aber auch da ist noch nicht
der letzte Knoten. Die mächtige Hand, welche jetzt die östreichische Politik leitet,
gehört dem Kaiser von Rußland; der Erste unter den Kriegsfürsten, der Oest¬
reichs Negierung gegen die eignen Bürger beschützt, um Oestreich als Vorkämpfer
gegen Deutschland zu benutzen.

Diesen eigentlichen Feinden des preußischen Staats hat die preußische Re¬
gierung, als ihr die Macht in die Hände gegeben war, sich mit demüthigen Fle¬
hen in die Arme geworfen; sie ist zum zweiten Mal mit Hohn zurückgewiesen. Sie
murrt, aber - - möchte meine Prophezeiung falsch sein! — sie wird sich unterwerfen.

In Deutschland selbst hat Oestreich seine Stütze an der Centralgewalt, die
jetzt, von allen natürlichen Verbindungen abgeschnitten, von ihren Voraussetzungen
abgelöst, nur noch dazu dient, die Verwirrung Deutschlands auf die Spitze z»
treiben. Dem alten, würdigen Mann, den die übersprudelnde deutsche Gemüth¬
lichkeit als den ersten Bürger Deutschlands zu preisen sich erfreute, hat das Schick¬
sal kein glückliches Ende seiner sonst so ruhmvollen Laufbahn beschicken. Wir
wollen ihn darum nicht anklagen; das Gefühl war es, was ihn in seine Stellung
führte, und in ihm selbst kämpfte Gefühl gegen Gefühl. Der Erzherzog von
Oestreich und der deutsche Bürger — in gemüthlichen Trinksprüchen läßt es sich
vereinigen, aber nicht im ernsten Augenblick der Entscheidung. Er mußte endlich
brechen mit der Macht, die ihn selber gerufen hatte, und es gereicht ihm zur Ehre


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[0358] Die sogenannte Partei der „Großdeutschen" hat eigentlich nur eine negative Basis: Abneigung gegen die preußische Hegemonie und gegen die Republik. Ihr Stichwort: die volle Einheit Deutschlands, ist nichts weiter als eine Kritik der bestimmten, und daher beschränkten Formen, in der man diesen zerflossenen Be¬ griff zu realisiren sucht. Es mischen sich in ihr daher die verschiedenartigsten Ele¬ mente. Diejenigen Männer, welche ans ehrlicher Ueberzeugung im Anfang mit ihr gemeinsam gegen das Gagern'sche Programm Front machten — wie Welcker, Wydenbrugk u. A. - haben sich von ihr losgesagt, seitdem Oestreich sich als selbstständiger Centralstaat constituirt und dadurch die Unmöglichkeit, das ganze Deutschland zu einem Centralstaat zu vereinigen, erwiesen hatte. Sie setzt sich zusammen aus den Antipathien Süddeutschlands gegen Norddeutschland, aus dem Particularismus der Höhe und ihrer Junker, ans der Furcht der Ultramontanen, unter der Hegemonie eines protestantischen Fürsten ihren Einfluß zu verlieren, aus dem Hochmuth der doctrinäreu Legitimisten gegen alles, was das Gepräge eines volkstümlichen Ursprungs an der Stirn trägt, aus dem specifischen Nationalge¬ fühl Altbaierns und aus Intriguen. Die Partei an sich würde ohnmächtig sein, wenn sie nicht einen mächtigen Schlitz im Ausland fände, und durch die Zweideutigkeit der Preußische» Regierung getragen würde. Die Fäden der Partei laufen im östrei¬ chischen Cabinet zusammen, das den angestammten Metternich'schen Einfluß über Deutschland nicht aufgeben will — hat ja noch kürzlich der alte Kriegsheld Ra- detzky eine Proklamation in diesem Sinn erlassen. Aber auch da ist noch nicht der letzte Knoten. Die mächtige Hand, welche jetzt die östreichische Politik leitet, gehört dem Kaiser von Rußland; der Erste unter den Kriegsfürsten, der Oest¬ reichs Negierung gegen die eignen Bürger beschützt, um Oestreich als Vorkämpfer gegen Deutschland zu benutzen. Diesen eigentlichen Feinden des preußischen Staats hat die preußische Re¬ gierung, als ihr die Macht in die Hände gegeben war, sich mit demüthigen Fle¬ hen in die Arme geworfen; sie ist zum zweiten Mal mit Hohn zurückgewiesen. Sie murrt, aber - - möchte meine Prophezeiung falsch sein! — sie wird sich unterwerfen. In Deutschland selbst hat Oestreich seine Stütze an der Centralgewalt, die jetzt, von allen natürlichen Verbindungen abgeschnitten, von ihren Voraussetzungen abgelöst, nur noch dazu dient, die Verwirrung Deutschlands auf die Spitze z» treiben. Dem alten, würdigen Mann, den die übersprudelnde deutsche Gemüth¬ lichkeit als den ersten Bürger Deutschlands zu preisen sich erfreute, hat das Schick¬ sal kein glückliches Ende seiner sonst so ruhmvollen Laufbahn beschicken. Wir wollen ihn darum nicht anklagen; das Gefühl war es, was ihn in seine Stellung führte, und in ihm selbst kämpfte Gefühl gegen Gefühl. Der Erzherzog von Oestreich und der deutsche Bürger — in gemüthlichen Trinksprüchen läßt es sich vereinigen, aber nicht im ernsten Augenblick der Entscheidung. Er mußte endlich brechen mit der Macht, die ihn selber gerufen hatte, und es gereicht ihm zur Ehre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/358>, abgerufen am 15.01.2025.