Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.zu sein. Die preußischen Legitimisten lieben es, ihren Staat als eine Vormauer Sollte es daher möglich sein, daß Preußen, vielleicht mit Hannover, Sach¬ Die Wahlen werdeu immer so ausfallen, daß die Regierung sich zu bestän¬ Die Regierung möge sich nicht darüber täusche", daß die Opposition, welche zu sein. Die preußischen Legitimisten lieben es, ihren Staat als eine Vormauer Sollte es daher möglich sein, daß Preußen, vielleicht mit Hannover, Sach¬ Die Wahlen werdeu immer so ausfallen, daß die Regierung sich zu bestän¬ Die Regierung möge sich nicht darüber täusche», daß die Opposition, welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278865"/> <p xml:id="ID_1093" prev="#ID_1092"> zu sein. Die preußischen Legitimisten lieben es, ihren Staat als eine Vormauer<lb/> des heiligen Rußland gegen die Jacobiner zu betrachten. Aber das Reich eben<lb/> dieser Jacobiner hat den Kaiser in diesem Augenblick durch einen Botschafter an¬<lb/> erkannt. Wer weiß, ob nicht das republikanische Frankreich vor den allerhöchsten<lb/> Augen mehr Gnade gefunden hat, als das absvlntistische Preußen, obgleich es sich<lb/> wiedergefunden hat? Den» nicht so leicht ist die zweideutige Gesinnung zu ver¬<lb/> gessen, mit der Preußen die Rebellion der Herzogthümer gegen ihre» gesalbten<lb/> Monarchen unterstützt hat, mit der es noch immer, trotz seiner Opposition gegen<lb/> Frankfurt, die Rechtsverhältnisse der Wiener Bundesacte zu alteriren sucht. Rußland<lb/> würdegegen dieMachtcrweiteruugPreußens auch in dem Falle protestiren, daß Preußen<lb/> die unumschränkteMouarchie wieder einführte, denn es liegt ihm nicht am Despotismus<lb/> als solchem etwas, sondern an dem Despotismus, der ihm ergeben ist. Ein mächtiges<lb/> Preußen, welches eine selbstständige Politik zu verfolgen vermag, ist der Todesstoß für<lb/> Rußlands Einfluß im Westen, so nützlich ihm die bisherige Scheinexistenz Preußens war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1094"> Sollte es daher möglich sein, daß Preußen, vielleicht mit Hannover, Sach¬<lb/> sen — Meklenburg und die beiden Hessen würden sich dann wohl entschließen — den<lb/> projectirten Bundesstaatsvereiu zu Stande brächte», so würde dieser, trotz seiner<lb/> legitimistischen Neigungen, die Fürsten der heiligen Allianz zu seinen entschieden¬<lb/> sten Gegnern haben. Er würde, nach Außen hiu, denselben Gefahren entgegcn-<lb/> sehn, die den Gagernschen Bundesstaat bedrohten, es würde ihm aber Ein mächti¬<lb/> ger Bundesgenosse fehlen — die Sympathie des deutschen Volkes, selbst wenn<lb/> seine gesetzlichen Grundlagen so leidlich ausfallen sollten, als sich von einem Mini¬<lb/> sterium Manteuffel uur immer erwarten läßt. Denn sollte auch der materielle<lb/> Unterschied der preußischen Reichsverfassung vou der Frankfurter noch so gering<lb/> sein, das verletzte Rechtsgefühl des Volkes wird immer eine Partei ansteche hal¬<lb/> te«, welche für das, nun historisch gewordene Recht seiner Vertreter einsteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095"> Die Wahlen werdeu immer so ausfallen, daß die Regierung sich zu bestän¬<lb/> diger Opposition gegen deu Volkswilleu, zu beständigen Versuchen, die Verfassung<lb/> zu umgehen oder geradezu zu verletzen, veranlaßt sieht und so wird in dem elen¬<lb/> den Staatsmechanismus, den man ganz mit Recht einen Schciuconstitutionalismus<lb/> nennt, und der darin besteht, daß die beiden Factoren des Staatslebens, Ver¬<lb/> waltung und Repräsentation, nicht im Einklang mit einander gehen, sondern ein¬<lb/> ander zu übervortheilen suchen, das Fieber der Revolution permanent erklärt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1096" next="#ID_1097"> Die Regierung möge sich nicht darüber täusche», daß die Opposition, welche<lb/> ihren neuen Gewaltschritt im eigenen Lande gefunden hat, verhältnißmäßig nicht<lb/> so laut ist, als diejenige, welche sich im November gegen die Auflösung der Consti-<lb/> tuante erhob. Damals war ein Staatsstreich noch etwas Neues, und man über¬<lb/> schätzte die Macht der öffentlichen Meinung ebenso, als mau die Macht der phy¬<lb/> sischen Gewalt zu genug anschlug. Seitdem hat sich einerseits der Militärstaat<lb/> bedeutend gekräftigt, und man hat ihn nicht fürchten gelernt, andererseits haben</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
zu sein. Die preußischen Legitimisten lieben es, ihren Staat als eine Vormauer
des heiligen Rußland gegen die Jacobiner zu betrachten. Aber das Reich eben
dieser Jacobiner hat den Kaiser in diesem Augenblick durch einen Botschafter an¬
erkannt. Wer weiß, ob nicht das republikanische Frankreich vor den allerhöchsten
Augen mehr Gnade gefunden hat, als das absvlntistische Preußen, obgleich es sich
wiedergefunden hat? Den» nicht so leicht ist die zweideutige Gesinnung zu ver¬
gessen, mit der Preußen die Rebellion der Herzogthümer gegen ihre» gesalbten
Monarchen unterstützt hat, mit der es noch immer, trotz seiner Opposition gegen
Frankfurt, die Rechtsverhältnisse der Wiener Bundesacte zu alteriren sucht. Rußland
würdegegen dieMachtcrweiteruugPreußens auch in dem Falle protestiren, daß Preußen
die unumschränkteMouarchie wieder einführte, denn es liegt ihm nicht am Despotismus
als solchem etwas, sondern an dem Despotismus, der ihm ergeben ist. Ein mächtiges
Preußen, welches eine selbstständige Politik zu verfolgen vermag, ist der Todesstoß für
Rußlands Einfluß im Westen, so nützlich ihm die bisherige Scheinexistenz Preußens war.
Sollte es daher möglich sein, daß Preußen, vielleicht mit Hannover, Sach¬
sen — Meklenburg und die beiden Hessen würden sich dann wohl entschließen — den
projectirten Bundesstaatsvereiu zu Stande brächte», so würde dieser, trotz seiner
legitimistischen Neigungen, die Fürsten der heiligen Allianz zu seinen entschieden¬
sten Gegnern haben. Er würde, nach Außen hiu, denselben Gefahren entgegcn-
sehn, die den Gagernschen Bundesstaat bedrohten, es würde ihm aber Ein mächti¬
ger Bundesgenosse fehlen — die Sympathie des deutschen Volkes, selbst wenn
seine gesetzlichen Grundlagen so leidlich ausfallen sollten, als sich von einem Mini¬
sterium Manteuffel uur immer erwarten läßt. Denn sollte auch der materielle
Unterschied der preußischen Reichsverfassung vou der Frankfurter noch so gering
sein, das verletzte Rechtsgefühl des Volkes wird immer eine Partei ansteche hal¬
te«, welche für das, nun historisch gewordene Recht seiner Vertreter einsteht.
Die Wahlen werdeu immer so ausfallen, daß die Regierung sich zu bestän¬
diger Opposition gegen deu Volkswilleu, zu beständigen Versuchen, die Verfassung
zu umgehen oder geradezu zu verletzen, veranlaßt sieht und so wird in dem elen¬
den Staatsmechanismus, den man ganz mit Recht einen Schciuconstitutionalismus
nennt, und der darin besteht, daß die beiden Factoren des Staatslebens, Ver¬
waltung und Repräsentation, nicht im Einklang mit einander gehen, sondern ein¬
ander zu übervortheilen suchen, das Fieber der Revolution permanent erklärt.
Die Regierung möge sich nicht darüber täusche», daß die Opposition, welche
ihren neuen Gewaltschritt im eigenen Lande gefunden hat, verhältnißmäßig nicht
so laut ist, als diejenige, welche sich im November gegen die Auflösung der Consti-
tuante erhob. Damals war ein Staatsstreich noch etwas Neues, und man über¬
schätzte die Macht der öffentlichen Meinung ebenso, als mau die Macht der phy¬
sischen Gewalt zu genug anschlug. Seitdem hat sich einerseits der Militärstaat
bedeutend gekräftigt, und man hat ihn nicht fürchten gelernt, andererseits haben
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |