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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Sie nur erinnern, daß kein Unterschied ist zwischen deutschen Soldaten und öst¬
reichischen, -- weil Sie uns immer mit dem Oktober kommen. -- Ich: Ein
Wort! In Dresden kämpfte Partei gegen Partei, Royalisten gegen Demokraten.
Ein Fanatismus ist des andern werth. Die Preußen vom Alexanderregiment folgten
eben so einem moralischen Antrieb wie ihre Gegner. Sie berauschte im Pulver¬
dampf und Kugelregen die Leidenschaft für Thron und Altar, sie hetzte Offizier
und Junker mit dem rothen Lappen der Anarchie, des Communismus, was weiß
ich. Im Rausch wird der Mensch blind und mordet den leiblichen Bruder, kommt
er ihm in den Wurf. Aber für Eines bürge ich mit meinem Kopf, Eines haben
die Preußen und Sachsen in Dresden nicht gethan. -- Baron: Ich bin begierig. --
Ich: Ich vermuthe, daß die Preußen nicht geplündert, auch nicht gestohlen,
auch nicht nachher auf dem altstädter Markt, --- pu>>,- col-ri^r 1-l kuren"" "Jo
volviii-, -- gebettelt haben, wie die Kroaten hier auf dem Stephausplatz. Wenn
Sie mich widerlegen können, so stelle ich Ihnen morgen 40,000 Mann preußischer
Linie und Landwehr unter den Stock und das Commando des seligen Suppli-
katsch! --

Unglaublich ist die Lethargie, mit der das Wiener Volk das russische Fatum
über sich hereinbrechen sieht. Man läßt sich von Reisenden ihre schöne Waldhorn-
mnsik, ihre Uniformen und stattlichen Rößlein schildern; man überzahlt im Geiste
die baaren Rudel und Dukaten, die sie in das papiergeldreiche Land bringen wer¬
den; der russische Einfluß -- ist eine Chimäre, erfunden von fremden Wühlern,
ein Vorurtheil, gesogen aus "vormärzlicher Broschürenweisheit", wie der Lloyd sagt.

Doch hört man vom Weiten schon leise, leise das Sterbeglöcklein östreichi¬
scher Unabhängigkeit und Ehre läuten. Mit triumphirendem Hochmuth behandelt
der russische Offizier den östreichischen, der gemeine Russe läßt sich nicht immer
herab, den letztem zu salutiren. Der Kaiser Franz Joseph muß den nomineller
Oberbefehl über die gestimmte Armee führen, damit die östreichischen Heerführer
den Schmerz verwinden, unter Paskiewitzsch gestellt zu werden. Aber bedeutungs¬
voller send die russische" Eingriffe ins Verwaltungswesen, -- nur auf dem Kriegs¬
schauplatz, aber der Kriegsschauplatz nimmt H der Monarchie el". In Galizien ist
die russtche Polizei bereits allmächtig. General Saß läßt "Uebelgesinnte" nach Be¬
lieben verhaften. General Dwernicky, aus dein polnischen Kriege von 1831 be¬
kannt, der in Lemberg ein Asyl erhalten, wendet sich an die Negierung mit der
Frage, ob er das Asylrccht ferner behalte, ob er sicher sei. Man antwortet ihm
ausweichend, man kann ihm keinen Schutz versprechen gegen etwaige Wünsche
Rußlands. Er flieht. So wird mir aus guter Quelle berichtet.

Aber mit eigenen Augen sah ich am schwarzen Brett des Schottengymnasiums
einen Tracht- und Toiletteukas angeschlagen, worin "langes Kopfhaar, flache
Kappen mit kurzen Schirmen, Ziegenhainer Stöcke, Meißner Pfer-
kenköpfe, ausgeschlagene (?) Hemdkragen n. dergl." verpönt werden,


Sie nur erinnern, daß kein Unterschied ist zwischen deutschen Soldaten und öst¬
reichischen, — weil Sie uns immer mit dem Oktober kommen. — Ich: Ein
Wort! In Dresden kämpfte Partei gegen Partei, Royalisten gegen Demokraten.
Ein Fanatismus ist des andern werth. Die Preußen vom Alexanderregiment folgten
eben so einem moralischen Antrieb wie ihre Gegner. Sie berauschte im Pulver¬
dampf und Kugelregen die Leidenschaft für Thron und Altar, sie hetzte Offizier
und Junker mit dem rothen Lappen der Anarchie, des Communismus, was weiß
ich. Im Rausch wird der Mensch blind und mordet den leiblichen Bruder, kommt
er ihm in den Wurf. Aber für Eines bürge ich mit meinem Kopf, Eines haben
die Preußen und Sachsen in Dresden nicht gethan. — Baron: Ich bin begierig. —
Ich: Ich vermuthe, daß die Preußen nicht geplündert, auch nicht gestohlen,
auch nicht nachher auf dem altstädter Markt, -— pu>>,- col-ri^r 1-l kuren»« «Jo
volviii-, — gebettelt haben, wie die Kroaten hier auf dem Stephausplatz. Wenn
Sie mich widerlegen können, so stelle ich Ihnen morgen 40,000 Mann preußischer
Linie und Landwehr unter den Stock und das Commando des seligen Suppli-
katsch! —

Unglaublich ist die Lethargie, mit der das Wiener Volk das russische Fatum
über sich hereinbrechen sieht. Man läßt sich von Reisenden ihre schöne Waldhorn-
mnsik, ihre Uniformen und stattlichen Rößlein schildern; man überzahlt im Geiste
die baaren Rudel und Dukaten, die sie in das papiergeldreiche Land bringen wer¬
den; der russische Einfluß — ist eine Chimäre, erfunden von fremden Wühlern,
ein Vorurtheil, gesogen aus „vormärzlicher Broschürenweisheit", wie der Lloyd sagt.

Doch hört man vom Weiten schon leise, leise das Sterbeglöcklein östreichi¬
scher Unabhängigkeit und Ehre läuten. Mit triumphirendem Hochmuth behandelt
der russische Offizier den östreichischen, der gemeine Russe läßt sich nicht immer
herab, den letztem zu salutiren. Der Kaiser Franz Joseph muß den nomineller
Oberbefehl über die gestimmte Armee führen, damit die östreichischen Heerführer
den Schmerz verwinden, unter Paskiewitzsch gestellt zu werden. Aber bedeutungs¬
voller send die russische» Eingriffe ins Verwaltungswesen, — nur auf dem Kriegs¬
schauplatz, aber der Kriegsschauplatz nimmt H der Monarchie el». In Galizien ist
die russtche Polizei bereits allmächtig. General Saß läßt „Uebelgesinnte" nach Be¬
lieben verhaften. General Dwernicky, aus dein polnischen Kriege von 1831 be¬
kannt, der in Lemberg ein Asyl erhalten, wendet sich an die Negierung mit der
Frage, ob er das Asylrccht ferner behalte, ob er sicher sei. Man antwortet ihm
ausweichend, man kann ihm keinen Schutz versprechen gegen etwaige Wünsche
Rußlands. Er flieht. So wird mir aus guter Quelle berichtet.

Aber mit eigenen Augen sah ich am schwarzen Brett des Schottengymnasiums
einen Tracht- und Toiletteukas angeschlagen, worin „langes Kopfhaar, flache
Kappen mit kurzen Schirmen, Ziegenhainer Stöcke, Meißner Pfer-
kenköpfe, ausgeschlagene (?) Hemdkragen n. dergl." verpönt werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/344>, abgerufen am 15.01.2025.