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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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und Erziehung gelte". Und doch war er wesentlich ein Patrizier und besaß in
hohem Maße sowohl die Tugenden, als die Laster, welche bei Männern ge¬
deihen, die sich von ihrer Geburt an in hoher Stellung befinden und an Autorität,
Ehrerbietung und Selbstachtung gewöhnt sind. Es ist nicht leicht für eine Ge¬
neration, die gewohnt ist, ritterliche Gesinnungen nnr in Gemeinschaft mit libera¬
len Studien und feinen Sitten zu finden, sich einen Mann mit dem Benehmen,
dem Sprachschatz und der Aussprache eines Fuhrmanns zu denken, der doch pein¬
lich genau in Angelegenheiten der Genealogie und des Vorranges und bereit ist/
lieber sein Leben zu wagen, als einen Flecken ans die Ehre seines Hauses gewor¬
fen zu sehen. Aber nur wenn wir dergestalt Dinge zusammenstellen, welche in
unsrer eignen Erfahrung selten oder nie zusammen gefunden werden, können wir
eine richtige Idee von jener ländlichen Aristokratie fassen, welche die Hauptkraft
der Armeen Karls I. bildete und welche lange Zeit, mit wunderbarer Treue, die
Sache seiner Nachkommen stützte.

Der grobe, ungebildete, ungereiste Landgentleman war gemeiniglich ein Tory;
aber wie ergeben er auch an der erblichen Monarchie hing, so hatte er doch keine
Parteilichkeit für Höflinge und Minister. Er dachte uicht ohne Grund, daß White-
hall mit den Verderbtesten der Menschheit angefüllt sei; daß von den großen Sum-
men, die das Haus der Gemeinen der Krone seit der Restauration bewilligt, ein
Theil von listigen Staatsmännern veruntreut und ein anderer Theil an Possen¬
reißer und ausländische Buhlschwestern verschwendet worden, sei. Sein trotziges
englisches Herz schwoll vor Unwillen bei dem Gedanken, daß die Regierung seines
Landes französischen Vorschriften unterworfen sein solle. Da er in der Regel selbst
ein alter Cavalier, oder der Sohn eines alten Cavaliers war, so dachte er mit
bittrem Grolle über die Undankbarkeit nach, mit welcher die Stuarts ihre besten
Freunde belohnt hatten. Wer ihn über die Vernachlässigung murren hörte, uiid
der er behandelt worden, und über die Verschwendung, mit welcher an die Ba¬
starde von Lorcheu Gwynu und Madam Carwell (f. S. 187) Reichthum ausge¬
streut wurde, würde ihn für reif zur Rebellion gehalten haben. Aber all diese
üble Laune dauerte nur, bis der Thron wirklich in Gefahr war. Gerade dann,
wenn Die, welche der Souvermn mit Reichthum und Ehren überschüttet hatte,
von seiner Seite wichen, schaarten sich die Landgentlemen, die in der Zeit seines
Glückes so mürrisch und meuterisch geblieben waren, wie Ein Mann um ihn-
So kamen sie, nachdem sie zwanzig Jahre lang über die schlechte Negierung
Karls II. gemurrt hatten, in seiner äußersten Bedrängniß, wie seine eignen Staats-
seeretaire und Schatzlords ihn verlassen hatten, zu seiner Rettung und setzten ihn
in den Stand, einen vollständigen Sieg über die Opposition zu gewinnen; auch
kann nicht gezweifelt werden, daß sie seinem Brüder Jakob gleiche Loyalität be¬
wiesen haben würden, hätte nur Jakob, sei es auch nur im letzten Angenblicke,
sich enthalten wollen, ihr stärkstes Gefühl zu verletzen. Denn es gab eine Insel-


und Erziehung gelte». Und doch war er wesentlich ein Patrizier und besaß in
hohem Maße sowohl die Tugenden, als die Laster, welche bei Männern ge¬
deihen, die sich von ihrer Geburt an in hoher Stellung befinden und an Autorität,
Ehrerbietung und Selbstachtung gewöhnt sind. Es ist nicht leicht für eine Ge¬
neration, die gewohnt ist, ritterliche Gesinnungen nnr in Gemeinschaft mit libera¬
len Studien und feinen Sitten zu finden, sich einen Mann mit dem Benehmen,
dem Sprachschatz und der Aussprache eines Fuhrmanns zu denken, der doch pein¬
lich genau in Angelegenheiten der Genealogie und des Vorranges und bereit ist/
lieber sein Leben zu wagen, als einen Flecken ans die Ehre seines Hauses gewor¬
fen zu sehen. Aber nur wenn wir dergestalt Dinge zusammenstellen, welche in
unsrer eignen Erfahrung selten oder nie zusammen gefunden werden, können wir
eine richtige Idee von jener ländlichen Aristokratie fassen, welche die Hauptkraft
der Armeen Karls I. bildete und welche lange Zeit, mit wunderbarer Treue, die
Sache seiner Nachkommen stützte.

Der grobe, ungebildete, ungereiste Landgentleman war gemeiniglich ein Tory;
aber wie ergeben er auch an der erblichen Monarchie hing, so hatte er doch keine
Parteilichkeit für Höflinge und Minister. Er dachte uicht ohne Grund, daß White-
hall mit den Verderbtesten der Menschheit angefüllt sei; daß von den großen Sum-
men, die das Haus der Gemeinen der Krone seit der Restauration bewilligt, ein
Theil von listigen Staatsmännern veruntreut und ein anderer Theil an Possen¬
reißer und ausländische Buhlschwestern verschwendet worden, sei. Sein trotziges
englisches Herz schwoll vor Unwillen bei dem Gedanken, daß die Regierung seines
Landes französischen Vorschriften unterworfen sein solle. Da er in der Regel selbst
ein alter Cavalier, oder der Sohn eines alten Cavaliers war, so dachte er mit
bittrem Grolle über die Undankbarkeit nach, mit welcher die Stuarts ihre besten
Freunde belohnt hatten. Wer ihn über die Vernachlässigung murren hörte, uiid
der er behandelt worden, und über die Verschwendung, mit welcher an die Ba¬
starde von Lorcheu Gwynu und Madam Carwell (f. S. 187) Reichthum ausge¬
streut wurde, würde ihn für reif zur Rebellion gehalten haben. Aber all diese
üble Laune dauerte nur, bis der Thron wirklich in Gefahr war. Gerade dann,
wenn Die, welche der Souvermn mit Reichthum und Ehren überschüttet hatte,
von seiner Seite wichen, schaarten sich die Landgentlemen, die in der Zeit seines
Glückes so mürrisch und meuterisch geblieben waren, wie Ein Mann um ihn-
So kamen sie, nachdem sie zwanzig Jahre lang über die schlechte Negierung
Karls II. gemurrt hatten, in seiner äußersten Bedrängniß, wie seine eignen Staats-
seeretaire und Schatzlords ihn verlassen hatten, zu seiner Rettung und setzten ihn
in den Stand, einen vollständigen Sieg über die Opposition zu gewinnen; auch
kann nicht gezweifelt werden, daß sie seinem Brüder Jakob gleiche Loyalität be¬
wiesen haben würden, hätte nur Jakob, sei es auch nur im letzten Angenblicke,
sich enthalten wollen, ihr stärkstes Gefühl zu verletzen. Denn es gab eine Insel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/340>, abgerufen am 15.01.2025.