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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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"Wir würden uns sehr irren, wenn wir uns die Sqnires des 17. Jahr¬
hunderts als Männer vorstellen wollten, welche eine genaue Aehnlichkeit mit
ihren Nachkommen, den Grasschaftsdeputirten und den Vorsitzenden der Quartal-
sitzungen*), mit denen wir vertraut sind, gehabt hätten. Der neuere Laudgeut-
lemau empfängt eine liberale Erziehung, geht aus eiuer ausgezeichneten Schule
w ein ausgezeichnetes Kollegium, und es fehlt ihm an keiner Gelegenheit, ein
vorzüglicher Gelehrter zu werden. Er hat in der Regel etwas von fremden Län¬
dern gesehen. Ein beträchtlicher Theil seines Lebens ist gemeiniglich in der Haupt¬
stadt verbracht worden, und die Verfeinerungen der Hauptstadt folgen ihm aus
das Land. Vielleicht gibt es keine so reizende Classe von Wohnungen, wie die
Landsitze der englischen Gentry. In den Parks und Lustgärten trägt die Natur,
von der Kunst geschmückt, aber uicht verhüllt, ihre lockendste Form. In deu
Gebäuden verbinden sich gute Einsicht und guter Geschmack, um eine glückliche
Vereinigung des Behaglichen und des Reizenden zu bewirken. Die Gemälde, die
Musikalischen Instrumente, die Büchersammlung würden in jedem andern Lande
als Beweis gelten, daß der Eigenthümer ein ausgezeichnet feiner und durchge¬
bildeter Mann sei. Ein Landedelmann, der ein Zeuge der Revolution gewesen
war, nahm wahrscheinlich etwa den vierten Theil der Rente ein, die seine Aecker
jetzt seiner Nachkommenschaft bringen. Er war daher, im Vergleich mit seiner
Nachkommenschaft, ein armer Mann und war in der Regel genöthigt, mit wenig
Unterbrechung, auf seinem Gute zu wohnen. Auf dem Festland zu reisen, eine
häusliche Einrichtung in London zu haben, oder auch nur London häufig zu besuchen,
waren Genüsse, denen sich nur die großen Eigenthümer hingeben konnten. Es
kann zuversichtlich behauptet werden, daß von den Sqnires, deren Namen sich
unter den Friedensrichtern und Lieutenants^) König Karls finden, nicht einer von
zwanzig einmal in fünf Jahren zur Stadt""") kam, oder jemals in seinem Leben
so weit gereist war, wie Paris ist. Viele Grundherren hatten eine Erziehung
bekommen, welche sich wenig von der ihres HauSgesiudes unterschied. Der Erbe
eines Gutes brachte oft seine Knaben- und Jünglingsjahre am Sitze seiner Fa¬
milie zu, ohne bessere Hofmeister zu haben, als Stallknechte und Wildhüter, und
erlangte kaum so viel Kenntniß) seinen Namen unter ein mittimus -j-) zu setzen.
Wenn er zur Schule und zum Kollegium ging, so kehrte er in der Regel, ehe er
^vanzig Jahr alt war, zur Abgeschiedenheit der alten Halle zurück, und wenn
uicht sein Geist sehr glückliche natürliche Anlage hatte, so vergaß er seine akade¬
mischen Studien bald in ländlichen Geschäften und Vergnügen. Seine vornehmste






*) Der Friedensrichter B° .
**
) Der Grafschaften B .
London .
5) Berhaftsbefehl .
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„Wir würden uns sehr irren, wenn wir uns die Sqnires des 17. Jahr¬
hunderts als Männer vorstellen wollten, welche eine genaue Aehnlichkeit mit
ihren Nachkommen, den Grasschaftsdeputirten und den Vorsitzenden der Quartal-
sitzungen*), mit denen wir vertraut sind, gehabt hätten. Der neuere Laudgeut-
lemau empfängt eine liberale Erziehung, geht aus eiuer ausgezeichneten Schule
w ein ausgezeichnetes Kollegium, und es fehlt ihm an keiner Gelegenheit, ein
vorzüglicher Gelehrter zu werden. Er hat in der Regel etwas von fremden Län¬
dern gesehen. Ein beträchtlicher Theil seines Lebens ist gemeiniglich in der Haupt¬
stadt verbracht worden, und die Verfeinerungen der Hauptstadt folgen ihm aus
das Land. Vielleicht gibt es keine so reizende Classe von Wohnungen, wie die
Landsitze der englischen Gentry. In den Parks und Lustgärten trägt die Natur,
von der Kunst geschmückt, aber uicht verhüllt, ihre lockendste Form. In deu
Gebäuden verbinden sich gute Einsicht und guter Geschmack, um eine glückliche
Vereinigung des Behaglichen und des Reizenden zu bewirken. Die Gemälde, die
Musikalischen Instrumente, die Büchersammlung würden in jedem andern Lande
als Beweis gelten, daß der Eigenthümer ein ausgezeichnet feiner und durchge¬
bildeter Mann sei. Ein Landedelmann, der ein Zeuge der Revolution gewesen
war, nahm wahrscheinlich etwa den vierten Theil der Rente ein, die seine Aecker
jetzt seiner Nachkommenschaft bringen. Er war daher, im Vergleich mit seiner
Nachkommenschaft, ein armer Mann und war in der Regel genöthigt, mit wenig
Unterbrechung, auf seinem Gute zu wohnen. Auf dem Festland zu reisen, eine
häusliche Einrichtung in London zu haben, oder auch nur London häufig zu besuchen,
waren Genüsse, denen sich nur die großen Eigenthümer hingeben konnten. Es
kann zuversichtlich behauptet werden, daß von den Sqnires, deren Namen sich
unter den Friedensrichtern und Lieutenants^) König Karls finden, nicht einer von
zwanzig einmal in fünf Jahren zur Stadt""") kam, oder jemals in seinem Leben
so weit gereist war, wie Paris ist. Viele Grundherren hatten eine Erziehung
bekommen, welche sich wenig von der ihres HauSgesiudes unterschied. Der Erbe
eines Gutes brachte oft seine Knaben- und Jünglingsjahre am Sitze seiner Fa¬
milie zu, ohne bessere Hofmeister zu haben, als Stallknechte und Wildhüter, und
erlangte kaum so viel Kenntniß) seinen Namen unter ein mittimus -j-) zu setzen.
Wenn er zur Schule und zum Kollegium ging, so kehrte er in der Regel, ehe er
^vanzig Jahr alt war, zur Abgeschiedenheit der alten Halle zurück, und wenn
uicht sein Geist sehr glückliche natürliche Anlage hatte, so vergaß er seine akade¬
mischen Studien bald in ländlichen Geschäften und Vergnügen. Seine vornehmste






*) Der Friedensrichter B° .
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) Der Grafschaften B .
London .
5) Berhaftsbefehl .
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zboten.II. l««9.43
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[0337] „Wir würden uns sehr irren, wenn wir uns die Sqnires des 17. Jahr¬ hunderts als Männer vorstellen wollten, welche eine genaue Aehnlichkeit mit ihren Nachkommen, den Grasschaftsdeputirten und den Vorsitzenden der Quartal- sitzungen*), mit denen wir vertraut sind, gehabt hätten. Der neuere Laudgeut- lemau empfängt eine liberale Erziehung, geht aus eiuer ausgezeichneten Schule w ein ausgezeichnetes Kollegium, und es fehlt ihm an keiner Gelegenheit, ein vorzüglicher Gelehrter zu werden. Er hat in der Regel etwas von fremden Län¬ dern gesehen. Ein beträchtlicher Theil seines Lebens ist gemeiniglich in der Haupt¬ stadt verbracht worden, und die Verfeinerungen der Hauptstadt folgen ihm aus das Land. Vielleicht gibt es keine so reizende Classe von Wohnungen, wie die Landsitze der englischen Gentry. In den Parks und Lustgärten trägt die Natur, von der Kunst geschmückt, aber uicht verhüllt, ihre lockendste Form. In deu Gebäuden verbinden sich gute Einsicht und guter Geschmack, um eine glückliche Vereinigung des Behaglichen und des Reizenden zu bewirken. Die Gemälde, die Musikalischen Instrumente, die Büchersammlung würden in jedem andern Lande als Beweis gelten, daß der Eigenthümer ein ausgezeichnet feiner und durchge¬ bildeter Mann sei. Ein Landedelmann, der ein Zeuge der Revolution gewesen war, nahm wahrscheinlich etwa den vierten Theil der Rente ein, die seine Aecker jetzt seiner Nachkommenschaft bringen. Er war daher, im Vergleich mit seiner Nachkommenschaft, ein armer Mann und war in der Regel genöthigt, mit wenig Unterbrechung, auf seinem Gute zu wohnen. Auf dem Festland zu reisen, eine häusliche Einrichtung in London zu haben, oder auch nur London häufig zu besuchen, waren Genüsse, denen sich nur die großen Eigenthümer hingeben konnten. Es kann zuversichtlich behauptet werden, daß von den Sqnires, deren Namen sich unter den Friedensrichtern und Lieutenants^) König Karls finden, nicht einer von zwanzig einmal in fünf Jahren zur Stadt""") kam, oder jemals in seinem Leben so weit gereist war, wie Paris ist. Viele Grundherren hatten eine Erziehung bekommen, welche sich wenig von der ihres HauSgesiudes unterschied. Der Erbe eines Gutes brachte oft seine Knaben- und Jünglingsjahre am Sitze seiner Fa¬ milie zu, ohne bessere Hofmeister zu haben, als Stallknechte und Wildhüter, und erlangte kaum so viel Kenntniß) seinen Namen unter ein mittimus -j-) zu setzen. Wenn er zur Schule und zum Kollegium ging, so kehrte er in der Regel, ehe er ^vanzig Jahr alt war, zur Abgeschiedenheit der alten Halle zurück, und wenn uicht sein Geist sehr glückliche natürliche Anlage hatte, so vergaß er seine akade¬ mischen Studien bald in ländlichen Geschäften und Vergnügen. Seine vornehmste *) Der Friedensrichter B° . ** ) Der Grafschaften B . London . 5) Berhaftsbefehl . Hrcn zboten.II. l««9.43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/337>, abgerufen am 15.01.2025.