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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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ärger. Wer in Druckschriften wider Einzelne, wider Familien, öffentliche Behör¬
den, einzelne Organe der Regierung mit Beziehung auf ihre amtliche Wirksamkeit,
wider gesetzlich anerkannte Körperschaften, Nationalitäten, Neligionsgcnossenschaften,
einzelne Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, Thatsachen erdichtet oder entstellt, um
dieselben in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen; wer dieselben ohne
Anführung bestimmter Thatsachen schmäht, beschimpft oder verächtlicher Eigenschaften
und Gesinnungen zeiht, oder auch nur ehrenrührige, wenn auch wahre That¬
sachen anführt, welche das öffentliche Interesse uicht berühren, ist mit Arrest, im
ersten Fall bis zu l> Monat, im zweiten und dritten bis zu 3 Monaten zu bestrafen.
Bei Zeitschriften geht überdies ein Theil der Kaution verloren. Die angeführte
Bestimmung umfaßt die §z. 31--33. Nie hat eine tyrannische Regierung ärgere
Beschränkungen erfunden: auch wahre Thatsachen dürfen, wenn sie den erwähnten
Kategorien, also irgend Jemandem im Staate nachtheilig sein könnten, nicht er¬
wähnt werden.

Schon die Fassung der §§ ist seltsam; wenigstens ist nicht einzusehen, wie
es Angriffe auf "einzelne Organe der Regierung auf ihre amtliche Wirksamkeit"
geben kann, (§33) welche sich auf Thatsachen stützen, die das öffentliche Interesse
nicht berühren (§. 32); es ist im Gesetz nämlich unlogisch §.33 an K. 32 angelehnt.
Aus dem unklaren Inhalt geht aber jedenfalls hervor, daß auch wahre Thatsa¬
chen den Behörden und Negierungsorgancn gegenüber nicht besprochen werden
dürfen, wenn sie ehrenrührig sind, beschimpfen oder verächtliche Eigenschaften vor¬
aussetzen. -- Es wird hier die Frage erlaubt sein, was darf der Publicist jetzt
noch tadeln? Er behauptet, ein Beamter habe seine Schuldigkeit nicht gethan,
oder er sei seiner Stellung nicht gewachsen. ES ist zwar wahr, es wird bewiesen,
aber es ist ehrenrührig, kostet also einige Monate Arrest. Ein anderer Beamter
hat vielleicht ein sehr schlechtes Gesetz verfaßt, hat darauf ein juristisches Buch
als Commentar darüber geschrieben, alle betreffenden Beamten mußte" es kaufen,
um das Gesetz handhaben zu können, von dem Erlös des Buches kauft er sich
eine Villa bei Wien. Ist bereits da gewesen. Diese Thatsache in einem Blatt
erwähnen, kostet drei Monat Arrest. Und nun gar dem Ministerium gegenüber.
Es ist fortan in Oestreich "nthulich, Thatsachen vor die Oeffentlichkeit zu bringen,
durch welche die Unfähigkeit der Minister bewiesen wird, denn allerdings können
solche Thatsachen leicht für ehrenrührig gehalten werden. Beim gegenwärtigen
Ministerium wird das Publikum freilich uicht begehren, solche Thatsachen in den
Zeitungen zu finden; die Gesetze und Verfügungen des Ministeriums schreien selbst
lauter, als die Presse vermöchte.

Die Schlußbestimmuugen des Gesetzes krönen das Werk. "Jedem zweiten
Strafurtheil kaun bei einer Zeitschrift unter besonders erschwerenden Umständen
eine dreimonatliche Suspension folgen. Das bedeutet in der Wirklichkeit Vernich¬
tung der Zeitschrift. -- Für den Inhalt einer Zeitschrift haftet der Verfasser des


ärger. Wer in Druckschriften wider Einzelne, wider Familien, öffentliche Behör¬
den, einzelne Organe der Regierung mit Beziehung auf ihre amtliche Wirksamkeit,
wider gesetzlich anerkannte Körperschaften, Nationalitäten, Neligionsgcnossenschaften,
einzelne Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, Thatsachen erdichtet oder entstellt, um
dieselben in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen; wer dieselben ohne
Anführung bestimmter Thatsachen schmäht, beschimpft oder verächtlicher Eigenschaften
und Gesinnungen zeiht, oder auch nur ehrenrührige, wenn auch wahre That¬
sachen anführt, welche das öffentliche Interesse uicht berühren, ist mit Arrest, im
ersten Fall bis zu l> Monat, im zweiten und dritten bis zu 3 Monaten zu bestrafen.
Bei Zeitschriften geht überdies ein Theil der Kaution verloren. Die angeführte
Bestimmung umfaßt die §z. 31—33. Nie hat eine tyrannische Regierung ärgere
Beschränkungen erfunden: auch wahre Thatsachen dürfen, wenn sie den erwähnten
Kategorien, also irgend Jemandem im Staate nachtheilig sein könnten, nicht er¬
wähnt werden.

Schon die Fassung der §§ ist seltsam; wenigstens ist nicht einzusehen, wie
es Angriffe auf „einzelne Organe der Regierung auf ihre amtliche Wirksamkeit"
geben kann, (§33) welche sich auf Thatsachen stützen, die das öffentliche Interesse
nicht berühren (§. 32); es ist im Gesetz nämlich unlogisch §.33 an K. 32 angelehnt.
Aus dem unklaren Inhalt geht aber jedenfalls hervor, daß auch wahre Thatsa¬
chen den Behörden und Negierungsorgancn gegenüber nicht besprochen werden
dürfen, wenn sie ehrenrührig sind, beschimpfen oder verächtliche Eigenschaften vor¬
aussetzen. — Es wird hier die Frage erlaubt sein, was darf der Publicist jetzt
noch tadeln? Er behauptet, ein Beamter habe seine Schuldigkeit nicht gethan,
oder er sei seiner Stellung nicht gewachsen. ES ist zwar wahr, es wird bewiesen,
aber es ist ehrenrührig, kostet also einige Monate Arrest. Ein anderer Beamter
hat vielleicht ein sehr schlechtes Gesetz verfaßt, hat darauf ein juristisches Buch
als Commentar darüber geschrieben, alle betreffenden Beamten mußte» es kaufen,
um das Gesetz handhaben zu können, von dem Erlös des Buches kauft er sich
eine Villa bei Wien. Ist bereits da gewesen. Diese Thatsache in einem Blatt
erwähnen, kostet drei Monat Arrest. Und nun gar dem Ministerium gegenüber.
Es ist fortan in Oestreich »nthulich, Thatsachen vor die Oeffentlichkeit zu bringen,
durch welche die Unfähigkeit der Minister bewiesen wird, denn allerdings können
solche Thatsachen leicht für ehrenrührig gehalten werden. Beim gegenwärtigen
Ministerium wird das Publikum freilich uicht begehren, solche Thatsachen in den
Zeitungen zu finden; die Gesetze und Verfügungen des Ministeriums schreien selbst
lauter, als die Presse vermöchte.

Die Schlußbestimmuugen des Gesetzes krönen das Werk. „Jedem zweiten
Strafurtheil kaun bei einer Zeitschrift unter besonders erschwerenden Umständen
eine dreimonatliche Suspension folgen. Das bedeutet in der Wirklichkeit Vernich¬
tung der Zeitschrift. — Für den Inhalt einer Zeitschrift haftet der Verfasser des


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[0033] ärger. Wer in Druckschriften wider Einzelne, wider Familien, öffentliche Behör¬ den, einzelne Organe der Regierung mit Beziehung auf ihre amtliche Wirksamkeit, wider gesetzlich anerkannte Körperschaften, Nationalitäten, Neligionsgcnossenschaften, einzelne Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, Thatsachen erdichtet oder entstellt, um dieselben in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen; wer dieselben ohne Anführung bestimmter Thatsachen schmäht, beschimpft oder verächtlicher Eigenschaften und Gesinnungen zeiht, oder auch nur ehrenrührige, wenn auch wahre That¬ sachen anführt, welche das öffentliche Interesse uicht berühren, ist mit Arrest, im ersten Fall bis zu l> Monat, im zweiten und dritten bis zu 3 Monaten zu bestrafen. Bei Zeitschriften geht überdies ein Theil der Kaution verloren. Die angeführte Bestimmung umfaßt die §z. 31—33. Nie hat eine tyrannische Regierung ärgere Beschränkungen erfunden: auch wahre Thatsachen dürfen, wenn sie den erwähnten Kategorien, also irgend Jemandem im Staate nachtheilig sein könnten, nicht er¬ wähnt werden. Schon die Fassung der §§ ist seltsam; wenigstens ist nicht einzusehen, wie es Angriffe auf „einzelne Organe der Regierung auf ihre amtliche Wirksamkeit" geben kann, (§33) welche sich auf Thatsachen stützen, die das öffentliche Interesse nicht berühren (§. 32); es ist im Gesetz nämlich unlogisch §.33 an K. 32 angelehnt. Aus dem unklaren Inhalt geht aber jedenfalls hervor, daß auch wahre Thatsa¬ chen den Behörden und Negierungsorgancn gegenüber nicht besprochen werden dürfen, wenn sie ehrenrührig sind, beschimpfen oder verächtliche Eigenschaften vor¬ aussetzen. — Es wird hier die Frage erlaubt sein, was darf der Publicist jetzt noch tadeln? Er behauptet, ein Beamter habe seine Schuldigkeit nicht gethan, oder er sei seiner Stellung nicht gewachsen. ES ist zwar wahr, es wird bewiesen, aber es ist ehrenrührig, kostet also einige Monate Arrest. Ein anderer Beamter hat vielleicht ein sehr schlechtes Gesetz verfaßt, hat darauf ein juristisches Buch als Commentar darüber geschrieben, alle betreffenden Beamten mußte» es kaufen, um das Gesetz handhaben zu können, von dem Erlös des Buches kauft er sich eine Villa bei Wien. Ist bereits da gewesen. Diese Thatsache in einem Blatt erwähnen, kostet drei Monat Arrest. Und nun gar dem Ministerium gegenüber. Es ist fortan in Oestreich »nthulich, Thatsachen vor die Oeffentlichkeit zu bringen, durch welche die Unfähigkeit der Minister bewiesen wird, denn allerdings können solche Thatsachen leicht für ehrenrührig gehalten werden. Beim gegenwärtigen Ministerium wird das Publikum freilich uicht begehren, solche Thatsachen in den Zeitungen zu finden; die Gesetze und Verfügungen des Ministeriums schreien selbst lauter, als die Presse vermöchte. Die Schlußbestimmuugen des Gesetzes krönen das Werk. „Jedem zweiten Strafurtheil kaun bei einer Zeitschrift unter besonders erschwerenden Umständen eine dreimonatliche Suspension folgen. Das bedeutet in der Wirklichkeit Vernich¬ tung der Zeitschrift. — Für den Inhalt einer Zeitschrift haftet der Verfasser des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/33>, abgerufen am 15.01.2025.