Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.traits von Robert Blum und Johann Jacoby Wir gaben sie als Typen Die Generation, als deren Typus Bruno Bauer das Recht hat, charakteri- *) Grenzboten 1648, Heft 35 und 33.
traits von Robert Blum und Johann Jacoby Wir gaben sie als Typen Die Generation, als deren Typus Bruno Bauer das Recht hat, charakteri- *) Grenzboten 1648, Heft 35 und 33.
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traits von Robert Blum und Johann Jacoby Wir gaben sie als Typen
der Zeit, und wenn es keine Heldengemälde wurden, so rechte man darüber mit
unserm Jahrhundert. Wir werden den Versuch fortsetzen, aber nicht blos an den
Männern der Bewegung, in deren Gesicht doch immer eine gewisse Monotonie
herrscht, sondern anch an den „Neactionairsden „Kritikern", welche gegen den
Strom schwimmen und welche sich in der Regel des Vorzugs einer gewissen Ori¬
ginalität erfreuen. Die Zeit spricht sich in denen, welche sie verachten, nicht
minder vernehmlich ans, als in der braven Mittelklasse, die sich von ihr treiben
läßt, ohne über sie zu reflectiren. Bruno Bauer, der es sich zur Aufgabe
seines Lebens gemacht zu haben scheint, sich an den Phänomenen der irdischen
Verwesung „dem Geyer gleich, der auf Morgenwolken schwebt," aus luftiger
Hohe zu weiden, möge es uus uicht verargen, wenn wir ihn und seinen unnah¬
baren Standpunkt, die souveräne Kritik, als eine der Erscheinungen begreifen,
deren Wesen er eben so geschickt als boshaft secirt hat.
Die Generation, als deren Typus Bruno Bauer das Recht hat, charakteri-
sirt zu werde» — der kritische Absolutismus der jüngern Hegel'schen Schule —-
ist durch die „bürgerliche" Bewegung der letzten Jahre absorbirt und läßt sich
schon mit der Unbefangenheit anschauen, die man einem geschichtlichen Ereigniß
bewahrt. Das Wesentliche dieser Richtung — die „geistreiche" Reaction
gegen den Schlendrian fertiger, bequemer Vorstellungen — finden wir in der
Geschichte überall, wo eine bestimmt abgeschlossene Weltanschauung in der Masse
so populär geworden ist, daß eine gewisse Kühnheit dazu gehört, sich auch nur
für Augenblicke diesem Lebenselement zu entwinden. Der Anlauf, den man bei
diesem Entschluß nehmen muß, treibt dann ins entgegengesetzte Extrem. So hatte
im dritten Viertel des vorigen Jahrhunderts die junge Generation der conven-
tionellen Glätte des aufgeklärten Zeitalters die Allmacht des Herzens entgegen¬
gesetzt; man hatte in England, Frankreich, vornämlich aber in Deutschland, das
Evangelium der Natur verkündet, einer Welt, die ganz in künstliche Formen ver¬
strickt war, und hatte, um es gründlich zu betreiben, gleich die entlegenste Natur
aufgesucht, le Vaillant's Hottentotten oder die Robinson-Insel des Emile; man
hatte durch Humor und Sentimentalität — das Recht der individuellen Stimmung
und Caprice — den Aberglauben' an das Gesetz der Sitte und des „gesunden Men-
schenverstandes" erschüttert; man hatte der Leerheit des herrschenden Glaubens¬
systems mit der dunkeln Fülle der Mystik zu imponiren gesucht, man war zuletzt
— in der romantischen Schule — so weit gegangen, diese Paradoxien des Ge¬
fühls in ein System zu bringen, die individuelle Stimmung, die Originalität,
Laune u. f. w. zu regeln, und als eine neue Convenienz der geistreichen Welt
zum beliebigen Gebrauch zu überlassen. Aus der naiven Sentimentalität entwickelte
*) Grenzboten 1648, Heft 35 und 33.
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