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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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ren Chargen, bei Begräbnissen wird nicht selten protestantischen Männern katholi¬
scher Frauen das Vortragen des kirchlichen Kreuzes verweigert, noch im Decem¬
ber 1848 stand öffentlich und amtlich an der Se. Michaelskirche zu lesen, wie
man nicht nur für begangene, sondern auch für künftige Sünden auf 4 Jahre vor¬
aus einen Ablaß erlangen könne. ES ist Thatsache, daß der bairische Buchhandel
fast nur durch Gebetbücher-Verkauf getragen wird, daß die flammenden Gcbet-
und Erzählungsbücher der Liguorianer in unzähligen Exemplaren verbreitet, daS
Volk beseligen, daß wir als tägliche Buchhändlerannoncen folgende lesen: "Heilige
Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder der in ihren Jesus verliebten Psyche, An¬
dachtbuch zur allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes um ihren Scvntz zu er¬
flehen, besonders für unsere Zeit; Andacht zur Ehre der heiligsten Kindheit Christi,
geistlicher Krippenban u. s. w.," eS ist Thatsache, daß unser Volk sich auch nach
folgenden Schriften drängt und sich um sie schlägt: der Traumdeuter, Worte eines al¬
ten Propheten niederschrieben "gegen Ende 1848, um vor Aufhebung der Lotterie
noch reich zu werden," der unfehlbare Schlüssel zum Sprengen der Lotterie. Nach
den hinterlassenen Schriften der 115 Jahre alt gewordenen Nonne Cäcilia Cata-
lini von Ludovico Caraccini Dr. tbvol. und i"t>nos.; diese Broschüren erleben fort¬
während neue Auflagen.

Unsere liberale Partei täuscht sich sehr, wenn sie ihren Feind für schwach
und überwunden hält; er ist sehr mächtig und sobald er es einmal für nützlich hal¬
ten wird, den Fanatismus des Volkes zu gebrauchen, wird er uns seine Macht
beweisen.




Die Ansprache des Königs von Preußen an sein Volk.



Um die Abberufung der preußischen Deputirten aus der Nationalversammlung zu
rechtfertigen, erklärt der König, "sie sei in ihrer Mehrheit nicht mehr jene Vereinigung
von Männern, ans welche Deutschland mit Stolz und Vertrauen blickte." Wenn man
nun fragt, wer an jener Vereinigung fehlt, so sind es die Oestreicher und Vaicrn, die
nämlichen, durch deren perfide Koalition mit der Linken eben jene Bestimmungen in
die Verfassung eingeschwärzt wurden, um deren Willen Preußen dieselbe nicht annehmen
zu kviincu erklärt. Wenn also die Haltung jener Männer gegen Preußen eine andere
geworden ist, so liegt das nicht in, dem Austritt jener Feinde Preußens, sondern an
der veränderten Stellung des Cabinets. Der König versichert, er habe Alles gethan,


ren Chargen, bei Begräbnissen wird nicht selten protestantischen Männern katholi¬
scher Frauen das Vortragen des kirchlichen Kreuzes verweigert, noch im Decem¬
ber 1848 stand öffentlich und amtlich an der Se. Michaelskirche zu lesen, wie
man nicht nur für begangene, sondern auch für künftige Sünden auf 4 Jahre vor¬
aus einen Ablaß erlangen könne. ES ist Thatsache, daß der bairische Buchhandel
fast nur durch Gebetbücher-Verkauf getragen wird, daß die flammenden Gcbet-
und Erzählungsbücher der Liguorianer in unzähligen Exemplaren verbreitet, daS
Volk beseligen, daß wir als tägliche Buchhändlerannoncen folgende lesen: „Heilige
Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder der in ihren Jesus verliebten Psyche, An¬
dachtbuch zur allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes um ihren Scvntz zu er¬
flehen, besonders für unsere Zeit; Andacht zur Ehre der heiligsten Kindheit Christi,
geistlicher Krippenban u. s. w.," eS ist Thatsache, daß unser Volk sich auch nach
folgenden Schriften drängt und sich um sie schlägt: der Traumdeuter, Worte eines al¬
ten Propheten niederschrieben „gegen Ende 1848, um vor Aufhebung der Lotterie
noch reich zu werden," der unfehlbare Schlüssel zum Sprengen der Lotterie. Nach
den hinterlassenen Schriften der 115 Jahre alt gewordenen Nonne Cäcilia Cata-
lini von Ludovico Caraccini Dr. tbvol. und i»t>nos.; diese Broschüren erleben fort¬
während neue Auflagen.

Unsere liberale Partei täuscht sich sehr, wenn sie ihren Feind für schwach
und überwunden hält; er ist sehr mächtig und sobald er es einmal für nützlich hal¬
ten wird, den Fanatismus des Volkes zu gebrauchen, wird er uns seine Macht
beweisen.




Die Ansprache des Königs von Preußen an sein Volk.



Um die Abberufung der preußischen Deputirten aus der Nationalversammlung zu
rechtfertigen, erklärt der König, „sie sei in ihrer Mehrheit nicht mehr jene Vereinigung
von Männern, ans welche Deutschland mit Stolz und Vertrauen blickte." Wenn man
nun fragt, wer an jener Vereinigung fehlt, so sind es die Oestreicher und Vaicrn, die
nämlichen, durch deren perfide Koalition mit der Linken eben jene Bestimmungen in
die Verfassung eingeschwärzt wurden, um deren Willen Preußen dieselbe nicht annehmen
zu kviincu erklärt. Wenn also die Haltung jener Männer gegen Preußen eine andere
geworden ist, so liegt das nicht in, dem Austritt jener Feinde Preußens, sondern an
der veränderten Stellung des Cabinets. Der König versichert, er habe Alles gethan,


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[0310] ren Chargen, bei Begräbnissen wird nicht selten protestantischen Männern katholi¬ scher Frauen das Vortragen des kirchlichen Kreuzes verweigert, noch im Decem¬ ber 1848 stand öffentlich und amtlich an der Se. Michaelskirche zu lesen, wie man nicht nur für begangene, sondern auch für künftige Sünden auf 4 Jahre vor¬ aus einen Ablaß erlangen könne. ES ist Thatsache, daß der bairische Buchhandel fast nur durch Gebetbücher-Verkauf getragen wird, daß die flammenden Gcbet- und Erzählungsbücher der Liguorianer in unzähligen Exemplaren verbreitet, daS Volk beseligen, daß wir als tägliche Buchhändlerannoncen folgende lesen: „Heilige Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder der in ihren Jesus verliebten Psyche, An¬ dachtbuch zur allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes um ihren Scvntz zu er¬ flehen, besonders für unsere Zeit; Andacht zur Ehre der heiligsten Kindheit Christi, geistlicher Krippenban u. s. w.," eS ist Thatsache, daß unser Volk sich auch nach folgenden Schriften drängt und sich um sie schlägt: der Traumdeuter, Worte eines al¬ ten Propheten niederschrieben „gegen Ende 1848, um vor Aufhebung der Lotterie noch reich zu werden," der unfehlbare Schlüssel zum Sprengen der Lotterie. Nach den hinterlassenen Schriften der 115 Jahre alt gewordenen Nonne Cäcilia Cata- lini von Ludovico Caraccini Dr. tbvol. und i»t>nos.; diese Broschüren erleben fort¬ während neue Auflagen. Unsere liberale Partei täuscht sich sehr, wenn sie ihren Feind für schwach und überwunden hält; er ist sehr mächtig und sobald er es einmal für nützlich hal¬ ten wird, den Fanatismus des Volkes zu gebrauchen, wird er uns seine Macht beweisen. Die Ansprache des Königs von Preußen an sein Volk. Um die Abberufung der preußischen Deputirten aus der Nationalversammlung zu rechtfertigen, erklärt der König, „sie sei in ihrer Mehrheit nicht mehr jene Vereinigung von Männern, ans welche Deutschland mit Stolz und Vertrauen blickte." Wenn man nun fragt, wer an jener Vereinigung fehlt, so sind es die Oestreicher und Vaicrn, die nämlichen, durch deren perfide Koalition mit der Linken eben jene Bestimmungen in die Verfassung eingeschwärzt wurden, um deren Willen Preußen dieselbe nicht annehmen zu kviincu erklärt. Wenn also die Haltung jener Männer gegen Preußen eine andere geworden ist, so liegt das nicht in, dem Austritt jener Feinde Preußens, sondern an der veränderten Stellung des Cabinets. Der König versichert, er habe Alles gethan,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/310>, abgerufen am 15.01.2025.