Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.ten Konservativen mit den Republikanern, zu Gunsten des preußischen Erbkaiser- Mag man immerhin spottweise von einer "rothen Kirche" sprechen, mögen im¬ Im baierischen Hochlande hängen die Bildnisse der frommen Koryphäen, selbst u"1s Zwar haben die guten Bolksschnllehrcr im December 1848 hier in München ten Konservativen mit den Republikanern, zu Gunsten des preußischen Erbkaiser- Mag man immerhin spottweise von einer „rothen Kirche" sprechen, mögen im¬ Im baierischen Hochlande hängen die Bildnisse der frommen Koryphäen, selbst u»1s Zwar haben die guten Bolksschnllehrcr im December 1848 hier in München <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278819"/> <p xml:id="ID_949" prev="#ID_948"> ten Konservativen mit den Republikanern, zu Gunsten des preußischen Erbkaiser-<lb/> thums, nur die Niederlage der Konservativen zu sehen vermochte.</p><lb/> <p xml:id="ID_950"> Mag man immerhin spottweise von einer „rothen Kirche" sprechen, mögen im¬<lb/> merhin an den Straßenecken in München und Augsburg die famosesten Carrika-<lb/> turen auf die Geistlichkeit und unzählige Flugblätter z. B. gegen die barmherzigen<lb/> Schwestern (deren Oberin man als zu barmherzig schildert), der Teufel im Talar,<lb/> römisch-katholischer Küchenzettel, der Peterspfennig, Christus und der Papst, der<lb/> Herr Pfarrer u. s. w. ausgeboten und in immer neuen Auflagen verkauft werden,<lb/> mag man selbst auf öffentlichen Spaziergängen die Christlichkeit insnltiren, so daß<lb/> die Concurrenten beim Pfarrerexamen nicht nach München kommen wollten, der Ul-<lb/> tramontanismus muß grade dnrch solche unedle Angriffe gewinnen, wie der Mär¬<lb/> tyrer in der öffentlichen Meinung steigt. Die Geistlichkeit wirkt im Stillen um<lb/> so sicherer. Einige Beispiele. Die Basilika des heiligen Bonifacius kounte bis¬<lb/> her dem öffentlichen Gebrauch nicht übergeben werden, weil der Erzbischof beharr¬<lb/> lich, da die Fonds zur Dotirung der Geistlichkeit fehlten, die Einweihung ver¬<lb/> weigerte; jetzt sind die Fonds zu rechter Zeit erwirkt und die brillante Kirche wird<lb/> zu rechter Zeit die Münchner Frömmigkeit vermehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_951"> Im baierischen Hochlande hängen die Bildnisse der frommen Koryphäen, selbst u»1s<lb/> des unglücklichen Sepp in den Bierbrauereien und Dorfhütten, und werden gleich<lb/> Amuletten verehrt. Die Hirtenworte der in Würzburg versammelt gewesenen Erz-<lb/> bischöfe und Bischöfe Deutschland's an die Gläubigen ihrer Diöcesen (v. 11. Nov. 1848<lb/> und die desfallige Denkschrift (v. 14. Nov. 1848) sind, die erster» in allen untern<lb/> und mittleren Volksweisen in Stadt und Land in unzähligen Exemplaren verbreitet<lb/> und wie das wirkliche Evangelium der Gegenwart und Zukunft angenommen, die<lb/> andere Schrift aber in den höheren und gebildeten Kreisen als einzige Leuchte im<lb/> TZirrsal der Gegenwart betrachtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_952" next="#ID_953"> Zwar haben die guten Bolksschnllehrcr im December 1848 hier in München<lb/> cüicn Kongreß gehalten und sehr liberale Beschlüsse gefaßt; allein wer wird sie<lb/> Ausführen und wie möge» sie daheim von Pfarrern und Gemeinden empfangen<lb/> worden sein. — Sogar die letzte protestantische General.probe hat das vortheil¬<lb/> hafte der Ohrenbeichte sich angeeignet und die Prediger in Franke» dieselbe in<lb/> seiner Gemeinde bereits eingeführt, wie man in der neuesten Nummer des Main¬<lb/> zer „Katholiken" lesen konnte; die königliche Regierung von Mittelfranken hat an<lb/> alle Schutt'ehördeu ein Rescript ergeben lassen, nach welchem die Schullehrer, die<lb/> steh deu Geistlichen widersetze» und den extremen politischen Ansichten, (d. h. den<lb/> Grundrechten und der Schulreform) huldigen, in letzter Instanz mit Absetzung<lb/> bedroht werden. Selbst an den Universitäten dauert das System der Zwangs-<lb/> cvllegien fort. Die Leiche der Königin Caroline steht noch heute in der Thcatiner-<lb/> ku'che, also getrennt von ihrem guten Max !.; wenn am 13. Novbr. ihr alljähr-<lb/> luher Trauergottesdienst in der protestantischen Kirche stattfindet, fehlen alle Höhe-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
ten Konservativen mit den Republikanern, zu Gunsten des preußischen Erbkaiser-
thums, nur die Niederlage der Konservativen zu sehen vermochte.
Mag man immerhin spottweise von einer „rothen Kirche" sprechen, mögen im¬
merhin an den Straßenecken in München und Augsburg die famosesten Carrika-
turen auf die Geistlichkeit und unzählige Flugblätter z. B. gegen die barmherzigen
Schwestern (deren Oberin man als zu barmherzig schildert), der Teufel im Talar,
römisch-katholischer Küchenzettel, der Peterspfennig, Christus und der Papst, der
Herr Pfarrer u. s. w. ausgeboten und in immer neuen Auflagen verkauft werden,
mag man selbst auf öffentlichen Spaziergängen die Christlichkeit insnltiren, so daß
die Concurrenten beim Pfarrerexamen nicht nach München kommen wollten, der Ul-
tramontanismus muß grade dnrch solche unedle Angriffe gewinnen, wie der Mär¬
tyrer in der öffentlichen Meinung steigt. Die Geistlichkeit wirkt im Stillen um
so sicherer. Einige Beispiele. Die Basilika des heiligen Bonifacius kounte bis¬
her dem öffentlichen Gebrauch nicht übergeben werden, weil der Erzbischof beharr¬
lich, da die Fonds zur Dotirung der Geistlichkeit fehlten, die Einweihung ver¬
weigerte; jetzt sind die Fonds zu rechter Zeit erwirkt und die brillante Kirche wird
zu rechter Zeit die Münchner Frömmigkeit vermehren.
Im baierischen Hochlande hängen die Bildnisse der frommen Koryphäen, selbst u»1s
des unglücklichen Sepp in den Bierbrauereien und Dorfhütten, und werden gleich
Amuletten verehrt. Die Hirtenworte der in Würzburg versammelt gewesenen Erz-
bischöfe und Bischöfe Deutschland's an die Gläubigen ihrer Diöcesen (v. 11. Nov. 1848
und die desfallige Denkschrift (v. 14. Nov. 1848) sind, die erster» in allen untern
und mittleren Volksweisen in Stadt und Land in unzähligen Exemplaren verbreitet
und wie das wirkliche Evangelium der Gegenwart und Zukunft angenommen, die
andere Schrift aber in den höheren und gebildeten Kreisen als einzige Leuchte im
TZirrsal der Gegenwart betrachtet.
Zwar haben die guten Bolksschnllehrcr im December 1848 hier in München
cüicn Kongreß gehalten und sehr liberale Beschlüsse gefaßt; allein wer wird sie
Ausführen und wie möge» sie daheim von Pfarrern und Gemeinden empfangen
worden sein. — Sogar die letzte protestantische General.probe hat das vortheil¬
hafte der Ohrenbeichte sich angeeignet und die Prediger in Franke» dieselbe in
seiner Gemeinde bereits eingeführt, wie man in der neuesten Nummer des Main¬
zer „Katholiken" lesen konnte; die königliche Regierung von Mittelfranken hat an
alle Schutt'ehördeu ein Rescript ergeben lassen, nach welchem die Schullehrer, die
steh deu Geistlichen widersetze» und den extremen politischen Ansichten, (d. h. den
Grundrechten und der Schulreform) huldigen, in letzter Instanz mit Absetzung
bedroht werden. Selbst an den Universitäten dauert das System der Zwangs-
cvllegien fort. Die Leiche der Königin Caroline steht noch heute in der Thcatiner-
ku'che, also getrennt von ihrem guten Max !.; wenn am 13. Novbr. ihr alljähr-
luher Trauergottesdienst in der protestantischen Kirche stattfindet, fehlen alle Höhe-
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