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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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seinen geschichtlich-organischen Wirkungen im Kirchenganzen hinaus, die Aufgabe
ergriffen hat, in voller, freier Selbstthätigkeit die Zwecke und Ziele der Kirche
der Entwickelung des Staatslebens gegenüber zu sichern, und die dadurch unver¬
meidlichen Conflicte mit dem Staate durchzufechten. Daher die Erscheinung, daß
die ultramontane Partei bald als entschiedene Feindin der jeweiligen Staatsregie-
rungen und Staatsrichtungen, bald als ihre scheinbar intime Verbündete auftritt,
je nachdem ihr Parteizweck gesichert erscheint, ganz abgesehen davon, daß die po¬
litischen Interessen überhaupt im Völkerleben überwiegend geworden und die
geistliche Herrschaft nur durch den Einfluß im politischen Leben begründet werden
mag. Je nach den priesterlichen und Laiencharakteren, die sich am Bau des Ultra¬
montanismus betheiligen, werden natürlich auch die Sonderinteressen neben dem
kirchlichen Gemeininteresse ihr Gewicht behaupten; doch dürste es nicht leicht
eine Partei geben, deren Mitglieder durch Aufopferungsfähigkeit an das Ganze
besser geschult sind, als die ultramontane.

Als die hauptsächlichsten Führer und Sachwalter des Münchener und bairi-
schen Ultramontanismus in Kirche, Wissenschaft, Politik und Leben kann man be¬
trachten, die Grafen Arco-Vallez (Reichsrath), Graf Scinöheim (Reichsrath), Frei¬
herr v. Arctic (Reichsrath), Baron Freyberg, v. Abel, Baron Schrenk, v. Rings-
eis (Geh. Ob. Medicinalrath und Prof.), v. Guido Görres (Sohn deS 1847
verstorbenen Joseph v. Görres), vornämlich der Erzbischof v. München-Freysing,
Gras Reisach, die Bischhöfe von Würzburg, Regensburg, Passau und Speyer,
Dompropst Prof. Dr. Döllinger, Domcapitular Dr. Windischmann, Pfarrer Stumpf,
Prediger Eberhard, der quiescirte Regierungspräsident v. Hörmann, Regierungs-
rath v. Moy, die Professoren v. Lassaulx (Philolog in München), Philipps (für
Jurisprudenz in Würzburg), Bruder des preußischen Abgeordneten und Bürger¬
meister Philipps v. Elbing, Arndts (für Jurisprudenz in München), Archivar
Dr. Constantin Höfler (Bamberg), Assessor Dr. Krätzer (München), die 01). Sepp
(Verfasser des Lebens Jesu) und strebte, die Redacteurs Dr. Haas (ehemals
evangel. Pfarrer), Zander, Antiquar Zipperer.

Schon aus den Namen und einflußreichen Stellungen der genannten Personen
kann man wohl auf die Macht der ultra mondänen Partei schließen. Und in
der That beherrscht sie den Geist und Charakter des Münchner Lebens, und darüber
hinaus steht so ziemlich ganz Oberbaiern, der größere Theil Niederbaierns und
der Oberpfalz unter ihrem höchst wachsamen und kein Mittel scheuenden Einflüsse.
Daß in Bai"in von jeher der Unterricht auf allen Lehr-, Bildungs- und Er¬
ziehungsanstalten der männlichen wie weiblichen Jugend in den Händen der Geist¬
lichkeit gewesen, kommt ihr sehr zu Statten. Bei der gegenwärtig handelnden Gene¬
ration, die sich aus wer weiß welchen liberalen Elementen zusammengesetzt träumt,
sind die ultramontanen Jugcndeinflüsse oft in höchst interessanter und pihuanter
Weise hervortretend. Die guten Leute schimpfen auf die Pfaffen, auf den Ultra-


seinen geschichtlich-organischen Wirkungen im Kirchenganzen hinaus, die Aufgabe
ergriffen hat, in voller, freier Selbstthätigkeit die Zwecke und Ziele der Kirche
der Entwickelung des Staatslebens gegenüber zu sichern, und die dadurch unver¬
meidlichen Conflicte mit dem Staate durchzufechten. Daher die Erscheinung, daß
die ultramontane Partei bald als entschiedene Feindin der jeweiligen Staatsregie-
rungen und Staatsrichtungen, bald als ihre scheinbar intime Verbündete auftritt,
je nachdem ihr Parteizweck gesichert erscheint, ganz abgesehen davon, daß die po¬
litischen Interessen überhaupt im Völkerleben überwiegend geworden und die
geistliche Herrschaft nur durch den Einfluß im politischen Leben begründet werden
mag. Je nach den priesterlichen und Laiencharakteren, die sich am Bau des Ultra¬
montanismus betheiligen, werden natürlich auch die Sonderinteressen neben dem
kirchlichen Gemeininteresse ihr Gewicht behaupten; doch dürste es nicht leicht
eine Partei geben, deren Mitglieder durch Aufopferungsfähigkeit an das Ganze
besser geschult sind, als die ultramontane.

Als die hauptsächlichsten Führer und Sachwalter des Münchener und bairi-
schen Ultramontanismus in Kirche, Wissenschaft, Politik und Leben kann man be¬
trachten, die Grafen Arco-Vallez (Reichsrath), Graf Scinöheim (Reichsrath), Frei¬
herr v. Arctic (Reichsrath), Baron Freyberg, v. Abel, Baron Schrenk, v. Rings-
eis (Geh. Ob. Medicinalrath und Prof.), v. Guido Görres (Sohn deS 1847
verstorbenen Joseph v. Görres), vornämlich der Erzbischof v. München-Freysing,
Gras Reisach, die Bischhöfe von Würzburg, Regensburg, Passau und Speyer,
Dompropst Prof. Dr. Döllinger, Domcapitular Dr. Windischmann, Pfarrer Stumpf,
Prediger Eberhard, der quiescirte Regierungspräsident v. Hörmann, Regierungs-
rath v. Moy, die Professoren v. Lassaulx (Philolog in München), Philipps (für
Jurisprudenz in Würzburg), Bruder des preußischen Abgeordneten und Bürger¬
meister Philipps v. Elbing, Arndts (für Jurisprudenz in München), Archivar
Dr. Constantin Höfler (Bamberg), Assessor Dr. Krätzer (München), die 01). Sepp
(Verfasser des Lebens Jesu) und strebte, die Redacteurs Dr. Haas (ehemals
evangel. Pfarrer), Zander, Antiquar Zipperer.

Schon aus den Namen und einflußreichen Stellungen der genannten Personen
kann man wohl auf die Macht der ultra mondänen Partei schließen. Und in
der That beherrscht sie den Geist und Charakter des Münchner Lebens, und darüber
hinaus steht so ziemlich ganz Oberbaiern, der größere Theil Niederbaierns und
der Oberpfalz unter ihrem höchst wachsamen und kein Mittel scheuenden Einflüsse.
Daß in Bai«in von jeher der Unterricht auf allen Lehr-, Bildungs- und Er¬
ziehungsanstalten der männlichen wie weiblichen Jugend in den Händen der Geist¬
lichkeit gewesen, kommt ihr sehr zu Statten. Bei der gegenwärtig handelnden Gene¬
ration, die sich aus wer weiß welchen liberalen Elementen zusammengesetzt träumt,
sind die ultramontanen Jugcndeinflüsse oft in höchst interessanter und pihuanter
Weise hervortretend. Die guten Leute schimpfen auf die Pfaffen, auf den Ultra-


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[0306] seinen geschichtlich-organischen Wirkungen im Kirchenganzen hinaus, die Aufgabe ergriffen hat, in voller, freier Selbstthätigkeit die Zwecke und Ziele der Kirche der Entwickelung des Staatslebens gegenüber zu sichern, und die dadurch unver¬ meidlichen Conflicte mit dem Staate durchzufechten. Daher die Erscheinung, daß die ultramontane Partei bald als entschiedene Feindin der jeweiligen Staatsregie- rungen und Staatsrichtungen, bald als ihre scheinbar intime Verbündete auftritt, je nachdem ihr Parteizweck gesichert erscheint, ganz abgesehen davon, daß die po¬ litischen Interessen überhaupt im Völkerleben überwiegend geworden und die geistliche Herrschaft nur durch den Einfluß im politischen Leben begründet werden mag. Je nach den priesterlichen und Laiencharakteren, die sich am Bau des Ultra¬ montanismus betheiligen, werden natürlich auch die Sonderinteressen neben dem kirchlichen Gemeininteresse ihr Gewicht behaupten; doch dürste es nicht leicht eine Partei geben, deren Mitglieder durch Aufopferungsfähigkeit an das Ganze besser geschult sind, als die ultramontane. Als die hauptsächlichsten Führer und Sachwalter des Münchener und bairi- schen Ultramontanismus in Kirche, Wissenschaft, Politik und Leben kann man be¬ trachten, die Grafen Arco-Vallez (Reichsrath), Graf Scinöheim (Reichsrath), Frei¬ herr v. Arctic (Reichsrath), Baron Freyberg, v. Abel, Baron Schrenk, v. Rings- eis (Geh. Ob. Medicinalrath und Prof.), v. Guido Görres (Sohn deS 1847 verstorbenen Joseph v. Görres), vornämlich der Erzbischof v. München-Freysing, Gras Reisach, die Bischhöfe von Würzburg, Regensburg, Passau und Speyer, Dompropst Prof. Dr. Döllinger, Domcapitular Dr. Windischmann, Pfarrer Stumpf, Prediger Eberhard, der quiescirte Regierungspräsident v. Hörmann, Regierungs- rath v. Moy, die Professoren v. Lassaulx (Philolog in München), Philipps (für Jurisprudenz in Würzburg), Bruder des preußischen Abgeordneten und Bürger¬ meister Philipps v. Elbing, Arndts (für Jurisprudenz in München), Archivar Dr. Constantin Höfler (Bamberg), Assessor Dr. Krätzer (München), die 01). Sepp (Verfasser des Lebens Jesu) und strebte, die Redacteurs Dr. Haas (ehemals evangel. Pfarrer), Zander, Antiquar Zipperer. Schon aus den Namen und einflußreichen Stellungen der genannten Personen kann man wohl auf die Macht der ultra mondänen Partei schließen. Und in der That beherrscht sie den Geist und Charakter des Münchner Lebens, und darüber hinaus steht so ziemlich ganz Oberbaiern, der größere Theil Niederbaierns und der Oberpfalz unter ihrem höchst wachsamen und kein Mittel scheuenden Einflüsse. Daß in Bai«in von jeher der Unterricht auf allen Lehr-, Bildungs- und Er¬ ziehungsanstalten der männlichen wie weiblichen Jugend in den Händen der Geist¬ lichkeit gewesen, kommt ihr sehr zu Statten. Bei der gegenwärtig handelnden Gene¬ ration, die sich aus wer weiß welchen liberalen Elementen zusammengesetzt träumt, sind die ultramontanen Jugcndeinflüsse oft in höchst interessanter und pihuanter Weise hervortretend. Die guten Leute schimpfen auf die Pfaffen, auf den Ultra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/306>, abgerufen am 15.01.2025.