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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Stylübung, dazu gemacht: die Empfehlung des Gesetzes für den jungen Kaiser,
worin Vieles vertuscht und Vieles gelobt wird. Dies ist der schwierigste Act der
Gesetzgebung, deun wir hören mit Freude, daß der Herr hier und da Funken
von josephinischen Feuer zu sprühen wagt -- und dann wird das contrasiguirte
Gesetz frischweg ins Publikum herausgeschoben, wie warmes Brot aus dem Back¬
ofen, und seiue Fabrikation hat ungefähr eben so viel Witz gekostet, als Brot¬
backen. Meint ihr, ich übertreibe? Was z. B. im Preßgesetz aus deutschen und
anderen Preßordnungen abgeschrieben ist, könnt ihr selbst sehen. Es ist dies auch
ganz Recht und wäre unter Umständen ein Glück für uns. Was aber Stadion
dazu gemacht hat, wahrscheinlich eigenhändig, das konnte ich euch fast Wort für
Wort anführen; es sind die Dummheiten des Gesetzes, die er -- was ich nicht
leugne -- in sehr väterlicher Sorge für das Land, ausstudirt hat. Ich behaupte,
er hat in s. 10 die Höhe der Cautionen eingesetzt und die 23, 26, u. 28
corrigirt und die tztz. 32 u. 33 selbst zugeschrieben. Nehmt das Gesetz zur Hand
und schlagt nach: Ihr habt von mir eine Charakteristik Stations verlangt, ihr
mögt sie in dieser Bemerkung finden. Ein guter Maun, der durch polizeiliche
Aufsicht alles Uebel, alles Unglück verhindern möchte; ein ehrlicher Beamter, eigen¬
sinnig und doch unselbstständig, unklar und unfrei, ein unfähiger Reformator, der
znerst zum Tyrannen und endlich zum Spielzeug für fremde Einflüsse wird.

Ich hebe Ihnen einzelne Punkte des ungeschickten Gesetzes hervor.

Der Paragraph !> macht die Berechtigung zur Herausgabe einer periodischen
Druckschrift, welche mit Politik in irgend einer Weise zu thun hat und häufiger
als einmal im Monat erscheint, von dem Erläge einer Caution abhängig. Diese
Kaution beträgt im Umkreise großer Städte von mehr als "0,000 Einwohnern,
10 -- 30,000 Fi. C.-M., je nachdem die Zeitschrift täglich oder weniger oft er¬
scheint, in kleinern Orten ist sie halb so groß, also 500V Gulden, wenn das
Blatt in jeder Woche mehr als dreimal, 2500 Gulden wenn es nur dreimal er¬
scheint; 1500 Gulden wenn es wöchentlich zweimal, einmal oder auch nur alle
14 Tage ausgegeben wird.

Ueber Nutzen und Schaden der Caution ist hinlänglich verhandelt worden;
sie ist ein sehr unsicheres Mittel, unberechtigte Meinungen des Einzelnen von der
Öffentlichkeit abzuhalten. Die Nation hat zwar das Recht zu verlangen, daß
der biegsamste und abhängigste Theil des Volkes nicht durch abgeschmackte und
unvernünftige Ansichten verführt und in seiner Entwickelung aufgehalten werde,
aber eben so sicher ist, daß eine freie Nation derartige Beschränkung der indivi¬
duellen Ansichten, trotz der Gefahr, welche das Gegentheil möglicherweise bringen
kann, nicht fordern wird. In einem Lande, wo das politische Leben ausgebildet
ist und die Zeitungen Organe staatlicher Parteien sind, auf welche sie sich stützen,
von denen sie getragen werden, hat es in der Praxis mit der Caution nicht so
viel auf sich, in unserm Lande, wo es noch keine Parteivilduug gibt, ist sie ein


Stylübung, dazu gemacht: die Empfehlung des Gesetzes für den jungen Kaiser,
worin Vieles vertuscht und Vieles gelobt wird. Dies ist der schwierigste Act der
Gesetzgebung, deun wir hören mit Freude, daß der Herr hier und da Funken
von josephinischen Feuer zu sprühen wagt — und dann wird das contrasiguirte
Gesetz frischweg ins Publikum herausgeschoben, wie warmes Brot aus dem Back¬
ofen, und seiue Fabrikation hat ungefähr eben so viel Witz gekostet, als Brot¬
backen. Meint ihr, ich übertreibe? Was z. B. im Preßgesetz aus deutschen und
anderen Preßordnungen abgeschrieben ist, könnt ihr selbst sehen. Es ist dies auch
ganz Recht und wäre unter Umständen ein Glück für uns. Was aber Stadion
dazu gemacht hat, wahrscheinlich eigenhändig, das konnte ich euch fast Wort für
Wort anführen; es sind die Dummheiten des Gesetzes, die er — was ich nicht
leugne — in sehr väterlicher Sorge für das Land, ausstudirt hat. Ich behaupte,
er hat in s. 10 die Höhe der Cautionen eingesetzt und die 23, 26, u. 28
corrigirt und die tztz. 32 u. 33 selbst zugeschrieben. Nehmt das Gesetz zur Hand
und schlagt nach: Ihr habt von mir eine Charakteristik Stations verlangt, ihr
mögt sie in dieser Bemerkung finden. Ein guter Maun, der durch polizeiliche
Aufsicht alles Uebel, alles Unglück verhindern möchte; ein ehrlicher Beamter, eigen¬
sinnig und doch unselbstständig, unklar und unfrei, ein unfähiger Reformator, der
znerst zum Tyrannen und endlich zum Spielzeug für fremde Einflüsse wird.

Ich hebe Ihnen einzelne Punkte des ungeschickten Gesetzes hervor.

Der Paragraph !> macht die Berechtigung zur Herausgabe einer periodischen
Druckschrift, welche mit Politik in irgend einer Weise zu thun hat und häufiger
als einmal im Monat erscheint, von dem Erläge einer Caution abhängig. Diese
Kaution beträgt im Umkreise großer Städte von mehr als «0,000 Einwohnern,
10 — 30,000 Fi. C.-M., je nachdem die Zeitschrift täglich oder weniger oft er¬
scheint, in kleinern Orten ist sie halb so groß, also 500V Gulden, wenn das
Blatt in jeder Woche mehr als dreimal, 2500 Gulden wenn es nur dreimal er¬
scheint; 1500 Gulden wenn es wöchentlich zweimal, einmal oder auch nur alle
14 Tage ausgegeben wird.

Ueber Nutzen und Schaden der Caution ist hinlänglich verhandelt worden;
sie ist ein sehr unsicheres Mittel, unberechtigte Meinungen des Einzelnen von der
Öffentlichkeit abzuhalten. Die Nation hat zwar das Recht zu verlangen, daß
der biegsamste und abhängigste Theil des Volkes nicht durch abgeschmackte und
unvernünftige Ansichten verführt und in seiner Entwickelung aufgehalten werde,
aber eben so sicher ist, daß eine freie Nation derartige Beschränkung der indivi¬
duellen Ansichten, trotz der Gefahr, welche das Gegentheil möglicherweise bringen
kann, nicht fordern wird. In einem Lande, wo das politische Leben ausgebildet
ist und die Zeitungen Organe staatlicher Parteien sind, auf welche sie sich stützen,
von denen sie getragen werden, hat es in der Praxis mit der Caution nicht so
viel auf sich, in unserm Lande, wo es noch keine Parteivilduug gibt, ist sie ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/30>, abgerufen am 15.01.2025.