Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.vor dem Zuruf eines Federbetten nicht zurückschrecken. Aber wir wollen der öst¬ Seit der Verbindung Ungarns mit dem Hause Oestreich war das ganze kon¬ L8'
vor dem Zuruf eines Federbetten nicht zurückschrecken. Aber wir wollen der öst¬ Seit der Verbindung Ungarns mit dem Hause Oestreich war das ganze kon¬ L8'
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278809"/> <p xml:id="ID_920" prev="#ID_919"> vor dem Zuruf eines Federbetten nicht zurückschrecken. Aber wir wollen der öst¬<lb/> reichischen Regierung klar machen, welches Verhängnis) sie über sich und das<lb/> Reich heraufbeschworen hat. Im November v. I. wurde der Feldzug gegen die<lb/> Magyaren im Namen des Gesammtstaats und der Gleichberechtigung aller Natio¬<lb/> nalitäten begonnen. Damals war es blos die revolutionäre Partei des ungarischen<lb/> Reichstags, welche mit ihre» schnell zusammengebrachten Schaaren der kaiserlichen<lb/> Armee gegenüberstand. Der hohe Edelmann und der deutsche Bürgerstand hatten<lb/> sich der Bewegung nicht angeschlossen, standen vielmehr mit der kaiserlichen Ne¬<lb/> gierung im besten Einvernehmen. Die Freunde eines einigen und mächtigen Oest¬<lb/> reich billigten das bewaffnete Einschreiten in Ungarn, obwohl sie keinen Augen¬<lb/> blick verkannten, daß das formelle Recht, mit Berufung ans die pragmatische<lb/> Sanction und die Aprilgesctze 1848, ans Seite der magyarischen Nation war.<lb/> Aber um einen östreichischen Staat mit einer dauerhafte» Organisation zu grün¬<lb/> den, mußten alle Privilegien und Spezialfrciheiten der einzelnen Völker für die<lb/> Freiheitsentwicklnng und Machtäußerung der ganzen östreichischen Nation geopfert<lb/> werden. Die Aprilgesetze 1848 hatten das unsittliche Verhältniß, welches bisher<lb/> zwischen den Ungarn und ihrem Könige bestanden, nur in eine neue Phase gebracht.</p><lb/> <p xml:id="ID_921" next="#ID_922"> Seit der Verbindung Ungarns mit dem Hause Oestreich war das ganze kon¬<lb/> stitutionelle Staatsleben der magyarische» Nation Nichts als ein selbstgefälliges<lb/> Pochen ans seine angestammte persönliche Freiheit seiten des Edelmanns, während<lb/> in Wahrheit alle Kraft in Händen der unverantwortlichen Regierung am Wiener<lb/> Hose lag und die sorllvdernde Opposition der Preßburger Stände schlug oft in<lb/> hellen Flammen auf und verbreitete sich über das ganze Land — ohne daß das<lb/> unparlamentarische Cabinet der östreichischen Kaiser davon berührt ward. Der<lb/> Haß der Nation gegen die östreichische Bevormundung und die Kluft zwischen der<lb/> Dynastie und den ungarischen Ständen mußte von Jahr zu Jahr größer werden,<lb/> da der Widerstand der Nation stets aus der parlamentarischen Bahn heraus auf<lb/> das alte legitime Mittel der bewaffneten Jnsurrection geworfen ward. Die April¬<lb/> concessionen v. I. enthielten Nichts als die nothwendigen Konsequenzen der Prag-<lb/> Watischen Sanction und der ungarischen Verfassung: die Unabhängigkeit und Selbst-<lb/> ständigkeit der Krone des h. Stephan, welche der Nation gegenüber durch ver¬<lb/> antwortliche Rathgeber vertreten sein soll. Das Unrecht der Ungarn lag daher<lb/> nicht in der Forderung ihrer Rechte, sondern in der Verkeninuig ihrer politischen<lb/> Lage. Sie hatten allerdings ein gutes Recht, das unnatürliche Verhältniß zwi¬<lb/> schen dem absoluten Kaiser und ihrem konstitutionellen Lande zu reformiren, ja<lb/> selbst es aufzuheben — aber ans der Geschichte und geographischen Lage der<lb/> Donauländer und aus dem Bedürfnisse einer raschen und durchgreifenden Culturent¬<lb/> wicklung mußten die ungarischen Patrioten erkennen, daß nur in Verbindung und<lb/> unter dem Schutze einer starken östreichischen Centralgewalt die materiellen und<lb/> geistigen Interessen ihres Landes gefördert werden können, daß also jene bcab-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> L8'</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
vor dem Zuruf eines Federbetten nicht zurückschrecken. Aber wir wollen der öst¬
reichischen Regierung klar machen, welches Verhängnis) sie über sich und das
Reich heraufbeschworen hat. Im November v. I. wurde der Feldzug gegen die
Magyaren im Namen des Gesammtstaats und der Gleichberechtigung aller Natio¬
nalitäten begonnen. Damals war es blos die revolutionäre Partei des ungarischen
Reichstags, welche mit ihre» schnell zusammengebrachten Schaaren der kaiserlichen
Armee gegenüberstand. Der hohe Edelmann und der deutsche Bürgerstand hatten
sich der Bewegung nicht angeschlossen, standen vielmehr mit der kaiserlichen Ne¬
gierung im besten Einvernehmen. Die Freunde eines einigen und mächtigen Oest¬
reich billigten das bewaffnete Einschreiten in Ungarn, obwohl sie keinen Augen¬
blick verkannten, daß das formelle Recht, mit Berufung ans die pragmatische
Sanction und die Aprilgesctze 1848, ans Seite der magyarischen Nation war.
Aber um einen östreichischen Staat mit einer dauerhafte» Organisation zu grün¬
den, mußten alle Privilegien und Spezialfrciheiten der einzelnen Völker für die
Freiheitsentwicklnng und Machtäußerung der ganzen östreichischen Nation geopfert
werden. Die Aprilgesetze 1848 hatten das unsittliche Verhältniß, welches bisher
zwischen den Ungarn und ihrem Könige bestanden, nur in eine neue Phase gebracht.
Seit der Verbindung Ungarns mit dem Hause Oestreich war das ganze kon¬
stitutionelle Staatsleben der magyarische» Nation Nichts als ein selbstgefälliges
Pochen ans seine angestammte persönliche Freiheit seiten des Edelmanns, während
in Wahrheit alle Kraft in Händen der unverantwortlichen Regierung am Wiener
Hose lag und die sorllvdernde Opposition der Preßburger Stände schlug oft in
hellen Flammen auf und verbreitete sich über das ganze Land — ohne daß das
unparlamentarische Cabinet der östreichischen Kaiser davon berührt ward. Der
Haß der Nation gegen die östreichische Bevormundung und die Kluft zwischen der
Dynastie und den ungarischen Ständen mußte von Jahr zu Jahr größer werden,
da der Widerstand der Nation stets aus der parlamentarischen Bahn heraus auf
das alte legitime Mittel der bewaffneten Jnsurrection geworfen ward. Die April¬
concessionen v. I. enthielten Nichts als die nothwendigen Konsequenzen der Prag-
Watischen Sanction und der ungarischen Verfassung: die Unabhängigkeit und Selbst-
ständigkeit der Krone des h. Stephan, welche der Nation gegenüber durch ver¬
antwortliche Rathgeber vertreten sein soll. Das Unrecht der Ungarn lag daher
nicht in der Forderung ihrer Rechte, sondern in der Verkeninuig ihrer politischen
Lage. Sie hatten allerdings ein gutes Recht, das unnatürliche Verhältniß zwi¬
schen dem absoluten Kaiser und ihrem konstitutionellen Lande zu reformiren, ja
selbst es aufzuheben — aber ans der Geschichte und geographischen Lage der
Donauländer und aus dem Bedürfnisse einer raschen und durchgreifenden Culturent¬
wicklung mußten die ungarischen Patrioten erkennen, daß nur in Verbindung und
unter dem Schutze einer starken östreichischen Centralgewalt die materiellen und
geistigen Interessen ihres Landes gefördert werden können, daß also jene bcab-
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