Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Züge würden sich selbst im Metall verzerre", wenn er Solches von seinen Kindern
vernähme! -- Also Krieg, Krieg, Krieg mit der ganzen Welt, wenn es sein
Miß, nnr in Blut den Makel abznwaschc"! -- Die Cholera wüthet immer noch
und sogar in stetem Zunehmen, jedoch ist sie weit minder gefährlich, wie 1832.
Diesmal hat die Seuche es hauptsächlich auf die Assemblve nationale abgesehen,
wenigstens ist schon ein halbes Dutzend Deputirte von ihr hinweggerafft worden.
Man bekümmert sich übrigens im Durchschnitt sehr wenig um sie. Die Vergnü-
gungsorte siud durchaus nicht weniger zahlreich besucht, wie sonst und in den
Spcctacles drängt sich die Menge nach wie vor. Ein großer Vorzug der Scinc-
stadt ist die Wohlfeilheit der Theater; Sie in Deutschland werden erstaunen, wenn
ich Ihnen sage, daß ich für zwanzig Franks Actionaire de la Gallo bin und für
diese Bagatelle ein ganzes Jahr lang jeden Abend das Theater besuchen kann.
Aber wer wird das thun und namentlich jetzt, wo mit dem Frühling die eigent¬
liche Saison von Paris, d. h. die Saison des Volkslebens beginnt? Schon hat
Pore Mabille am ersten Mai zum erstenmale seine glänzenden, heiteren, freudc-
sprühenden Räume eröffnet; schon zaubern die farbigen Lampen und im Feuer
springenden Fontainen unter den grünenden Bäumen des iKüteüu ron-zö eine
Feenwelt hervor; Musard hat von seinem Orchester nicht einen Mann eingebüßt
und vor Allem sind sie noch da -- Alle sind sie noch da, die eleganten Loretten,
die zephyrleichten, reizenden Kinder des Faubourg, die Blumen des Boulevards
und die Sterne der Barrieren, sie lachen, scherzen, küssen und trinken Champag¬
ner, wie sonst it I)"8 I-i po>it,i<zuo! Das Leben öffnet seine schönsten Pforten, laßt
^ uns genießen, mit dem leichtsinnigen Volk, das uns umschwärmt und welches
wie gleicher Leidenschaft Barrikaden baut, wie den verführerischen Cancan tanzt.
Welches Gewühl jetzt schon vor den Barrieren, in den tausend und tausend An-
bergcs und Tanzsälen! Welch ein Lärmen, welch sinnbetänbendes Getöse! Aber
>elbst hierher, in das ländliche Paris, von welchem Deliba sang: ost xour Jo
l'wup to pli^s no coeiiFnv, ü-uis sui'til- I-i vitio it tiouvv I" c<in>i>lig'"o --
weisen die düsteren Klänge der bewegten Zeit. Dort eine Bettlerin; eine In¬
schrift neben ihr nennt sie: Vonvv it'"" "I^wi-to <1u ^"in, und reichliche Almosen
f"Iten in ihren Teller und hier die Verkäufer der Tagesliteratur, die sich wie
Schatten an die Spaziergänger heften und ihnen mit gellender Stimme so lang
die Ohren rufen: I^s mittlres du 8t. jj-ulies, oder: Ob-mson "In ins av
Kt. i^mxz ^_ ins der Gemarterte sich zum Kauf entscheidet, für das Eine, wenn
^' rother Republikaner, für das andre, wenn er rother Royalist ist.


Alfred K.


Grciizboteii. II. I849.38

Züge würden sich selbst im Metall verzerre», wenn er Solches von seinen Kindern
vernähme! — Also Krieg, Krieg, Krieg mit der ganzen Welt, wenn es sein
Miß, nnr in Blut den Makel abznwaschc»! — Die Cholera wüthet immer noch
und sogar in stetem Zunehmen, jedoch ist sie weit minder gefährlich, wie 1832.
Diesmal hat die Seuche es hauptsächlich auf die Assemblve nationale abgesehen,
wenigstens ist schon ein halbes Dutzend Deputirte von ihr hinweggerafft worden.
Man bekümmert sich übrigens im Durchschnitt sehr wenig um sie. Die Vergnü-
gungsorte siud durchaus nicht weniger zahlreich besucht, wie sonst und in den
Spcctacles drängt sich die Menge nach wie vor. Ein großer Vorzug der Scinc-
stadt ist die Wohlfeilheit der Theater; Sie in Deutschland werden erstaunen, wenn
ich Ihnen sage, daß ich für zwanzig Franks Actionaire de la Gallo bin und für
diese Bagatelle ein ganzes Jahr lang jeden Abend das Theater besuchen kann.
Aber wer wird das thun und namentlich jetzt, wo mit dem Frühling die eigent¬
liche Saison von Paris, d. h. die Saison des Volkslebens beginnt? Schon hat
Pore Mabille am ersten Mai zum erstenmale seine glänzenden, heiteren, freudc-
sprühenden Räume eröffnet; schon zaubern die farbigen Lampen und im Feuer
springenden Fontainen unter den grünenden Bäumen des iKüteüu ron-zö eine
Feenwelt hervor; Musard hat von seinem Orchester nicht einen Mann eingebüßt
und vor Allem sind sie noch da — Alle sind sie noch da, die eleganten Loretten,
die zephyrleichten, reizenden Kinder des Faubourg, die Blumen des Boulevards
und die Sterne der Barrieren, sie lachen, scherzen, küssen und trinken Champag¬
ner, wie sonst it I)«8 I-i po>it,i<zuo! Das Leben öffnet seine schönsten Pforten, laßt
^ uns genießen, mit dem leichtsinnigen Volk, das uns umschwärmt und welches
wie gleicher Leidenschaft Barrikaden baut, wie den verführerischen Cancan tanzt.
Welches Gewühl jetzt schon vor den Barrieren, in den tausend und tausend An-
bergcs und Tanzsälen! Welch ein Lärmen, welch sinnbetänbendes Getöse! Aber
>elbst hierher, in das ländliche Paris, von welchem Deliba sang: ost xour Jo
l'wup to pli^s no coeiiFnv, ü-uis sui'til- I-i vitio it tiouvv I" c<in>i>lig'»o —
weisen die düsteren Klänge der bewegten Zeit. Dort eine Bettlerin; eine In¬
schrift neben ihr nennt sie: Vonvv it'»» «I^wi-to <1u ^»in, und reichliche Almosen
f"Iten in ihren Teller und hier die Verkäufer der Tagesliteratur, die sich wie
Schatten an die Spaziergänger heften und ihnen mit gellender Stimme so lang
die Ohren rufen: I^s mittlres du 8t. jj-ulies, oder: Ob-mson «In ins av
Kt. i^mxz ^_ ins der Gemarterte sich zum Kauf entscheidet, für das Eine, wenn
^' rother Republikaner, für das andre, wenn er rother Royalist ist.


Alfred K.


Grciizboteii. II. I849.38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0297" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278807"/>
          <p xml:id="ID_917" prev="#ID_916"> Züge würden sich selbst im Metall verzerre», wenn er Solches von seinen Kindern<lb/>
vernähme! &#x2014; Also Krieg, Krieg, Krieg mit der ganzen Welt, wenn es sein<lb/>
Miß, nnr in Blut den Makel abznwaschc»! &#x2014; Die Cholera wüthet immer noch<lb/>
und sogar in stetem Zunehmen, jedoch ist sie weit minder gefährlich, wie 1832.<lb/>
Diesmal hat die Seuche es hauptsächlich auf die Assemblve nationale abgesehen,<lb/>
wenigstens ist schon ein halbes Dutzend Deputirte von ihr hinweggerafft worden.<lb/>
Man bekümmert sich übrigens im Durchschnitt sehr wenig um sie. Die Vergnü-<lb/>
gungsorte siud durchaus nicht weniger zahlreich besucht, wie sonst und in den<lb/>
Spcctacles drängt sich die Menge nach wie vor. Ein großer Vorzug der Scinc-<lb/>
stadt ist die Wohlfeilheit der Theater; Sie in Deutschland werden erstaunen, wenn<lb/>
ich Ihnen sage, daß ich für zwanzig Franks Actionaire de la Gallo bin und für<lb/>
diese Bagatelle ein ganzes Jahr lang jeden Abend das Theater besuchen kann.<lb/>
Aber wer wird das thun und namentlich jetzt, wo mit dem Frühling die eigent¬<lb/>
liche Saison von Paris, d. h. die Saison des Volkslebens beginnt? Schon hat<lb/>
Pore Mabille am ersten Mai zum erstenmale seine glänzenden, heiteren, freudc-<lb/>
sprühenden Räume eröffnet; schon zaubern die farbigen Lampen und im Feuer<lb/>
springenden Fontainen unter den grünenden Bäumen des iKüteüu ron-zö eine<lb/>
Feenwelt hervor; Musard hat von seinem Orchester nicht einen Mann eingebüßt<lb/>
und vor Allem sind sie noch da &#x2014; Alle sind sie noch da, die eleganten Loretten,<lb/>
die zephyrleichten, reizenden Kinder des Faubourg, die Blumen des Boulevards<lb/>
und die Sterne der Barrieren, sie lachen, scherzen, küssen und trinken Champag¬<lb/>
ner, wie sonst it I)«8 I-i po&gt;it,i&lt;zuo! Das Leben öffnet seine schönsten Pforten, laßt<lb/>
^ uns genießen, mit dem leichtsinnigen Volk, das uns umschwärmt und welches<lb/>
wie gleicher Leidenschaft Barrikaden baut, wie den verführerischen Cancan tanzt.<lb/>
Welches Gewühl jetzt schon vor den Barrieren, in den tausend und tausend An-<lb/>
bergcs und Tanzsälen! Welch ein Lärmen, welch sinnbetänbendes Getöse! Aber<lb/>
&gt;elbst hierher, in das ländliche Paris, von welchem Deliba sang: ost xour Jo<lb/>
l'wup to pli^s no coeiiFnv, ü-uis sui'til- I-i vitio it tiouvv I" c&lt;in&gt;i&gt;lig'»o &#x2014;<lb/>
weisen die düsteren Klänge der bewegten Zeit. Dort eine Bettlerin; eine In¬<lb/>
schrift neben ihr nennt sie: Vonvv it'»» «I^wi-to &lt;1u ^»in, und reichliche Almosen<lb/>
f"Iten in ihren Teller und hier die Verkäufer der Tagesliteratur, die sich wie<lb/>
Schatten an die Spaziergänger heften und ihnen mit gellender Stimme so lang<lb/>
die Ohren rufen: I^s mittlres du 8t. jj-ulies, oder: Ob-mson «In ins av<lb/>
Kt. i^mxz ^_ ins der Gemarterte sich zum Kauf entscheidet, für das Eine, wenn<lb/>
^' rother Republikaner, für das andre, wenn er rother Royalist ist.</p><lb/>
          <note type="byline"> Alfred K.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grciizboteii. II. I849.38</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0297] Züge würden sich selbst im Metall verzerre», wenn er Solches von seinen Kindern vernähme! — Also Krieg, Krieg, Krieg mit der ganzen Welt, wenn es sein Miß, nnr in Blut den Makel abznwaschc»! — Die Cholera wüthet immer noch und sogar in stetem Zunehmen, jedoch ist sie weit minder gefährlich, wie 1832. Diesmal hat die Seuche es hauptsächlich auf die Assemblve nationale abgesehen, wenigstens ist schon ein halbes Dutzend Deputirte von ihr hinweggerafft worden. Man bekümmert sich übrigens im Durchschnitt sehr wenig um sie. Die Vergnü- gungsorte siud durchaus nicht weniger zahlreich besucht, wie sonst und in den Spcctacles drängt sich die Menge nach wie vor. Ein großer Vorzug der Scinc- stadt ist die Wohlfeilheit der Theater; Sie in Deutschland werden erstaunen, wenn ich Ihnen sage, daß ich für zwanzig Franks Actionaire de la Gallo bin und für diese Bagatelle ein ganzes Jahr lang jeden Abend das Theater besuchen kann. Aber wer wird das thun und namentlich jetzt, wo mit dem Frühling die eigent¬ liche Saison von Paris, d. h. die Saison des Volkslebens beginnt? Schon hat Pore Mabille am ersten Mai zum erstenmale seine glänzenden, heiteren, freudc- sprühenden Räume eröffnet; schon zaubern die farbigen Lampen und im Feuer springenden Fontainen unter den grünenden Bäumen des iKüteüu ron-zö eine Feenwelt hervor; Musard hat von seinem Orchester nicht einen Mann eingebüßt und vor Allem sind sie noch da — Alle sind sie noch da, die eleganten Loretten, die zephyrleichten, reizenden Kinder des Faubourg, die Blumen des Boulevards und die Sterne der Barrieren, sie lachen, scherzen, küssen und trinken Champag¬ ner, wie sonst it I)«8 I-i po>it,i<zuo! Das Leben öffnet seine schönsten Pforten, laßt ^ uns genießen, mit dem leichtsinnigen Volk, das uns umschwärmt und welches wie gleicher Leidenschaft Barrikaden baut, wie den verführerischen Cancan tanzt. Welches Gewühl jetzt schon vor den Barrieren, in den tausend und tausend An- bergcs und Tanzsälen! Welch ein Lärmen, welch sinnbetänbendes Getöse! Aber >elbst hierher, in das ländliche Paris, von welchem Deliba sang: ost xour Jo l'wup to pli^s no coeiiFnv, ü-uis sui'til- I-i vitio it tiouvv I" c<in>i>lig'»o — weisen die düsteren Klänge der bewegten Zeit. Dort eine Bettlerin; eine In¬ schrift neben ihr nennt sie: Vonvv it'»» «I^wi-to <1u ^»in, und reichliche Almosen f"Iten in ihren Teller und hier die Verkäufer der Tagesliteratur, die sich wie Schatten an die Spaziergänger heften und ihnen mit gellender Stimme so lang die Ohren rufen: I^s mittlres du 8t. jj-ulies, oder: Ob-mson «In ins av Kt. i^mxz ^_ ins der Gemarterte sich zum Kauf entscheidet, für das Eine, wenn ^' rother Republikaner, für das andre, wenn er rother Royalist ist. Alfred K. Grciizboteii. II. I849.38

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/297
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/297>, abgerufen am 15.01.2025.