Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Cadoudal und Pichegru -- und Louis Napoleon hat gleichfalls von dem kleinen Cadoudal und Pichegru — und Louis Napoleon hat gleichfalls von dem kleinen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278805"/> <p xml:id="ID_914" prev="#ID_913" next="#ID_915"> Cadoudal und Pichegru — und Louis Napoleon hat gleichfalls von dem kleinen<lb/> Corpora! nichts als den Namen. Doch nein — noch eine Eigenschaft seines<lb/> Oheims hat sich ans ihn vererbt: Er liebt die Repräsentation, Glanz und Pracht,<lb/> gefällt sich in feierlichen Aufzügen und hält viel auf einen glänzenden Hofstaat,<lb/> üppige Diner's und reiche Giraudolen. Das kostet freilich viel und weder die<lb/> Civilliste noch das sehr zusammengeschmolzene Privatvermögen des napoleoniden<lb/> vermag Alles genügend zu bestreikn. Und somit scheint es gar nicht unwahr¬<lb/> scheinlich, daß der Prinz sich eines schönen Tags um die Hand der Miß Condes<lb/> in London, der reichsten Erbin der Welt, beworben haben mag. Aber die gute,<lb/> ältliche Dame, welche schon allen möglichen Anfechtungen ausgesetzt gewesen ist,<lb/> hatte so wenig Neigung für den Präsidenten der französischen Republik, wie einst¬<lb/> mals für den Marquis of Waterford, und sandte einen zierlichen Korb zum größten<lb/> Leidwesen aller Pariser Epiciers, welche schon ihre gesammte Phantasie in Thätig¬<lb/> keit gesetzt hatten, um die bevorstehenden Hochzeitsfcstlichkeiten sich vorzumalen.<lb/> Inzwischen möchte ich hier irgend Jemand kennen, der mir einen in die Angen<lb/> fallenden Unterschied zwischen Republik und Monarchie nachzuweisen vermöchte.<lb/> Die Reformbankette sind nach wie vor verboten und die Preßfreiheit ist jetzt viel<lb/> eingeschränkter, wie zur Zeit des Bürgerkönigs. Das Ministerium weiß mit merk¬<lb/> würdiger Consequenz alle mißliebigen Blätter durch fortwährende Preßprozesse auf¬<lb/> zureiben; dem Peuple hat es allein deren schon etliche zwanzig angehängt, aber<lb/> dies Blatt hat das zähe Leben einer Boa, und ist selbst in seinem Agvniekämpfen<lb/> gefährlich. Sein Herr und Meister Proudhon, welcher wie Beranger's petit<lb/> i">meno Al-i8, eine wahre volksthümliche Persönlichkeit geworden ist, hört nicht auf,<lb/> "us seinem Schlupfwinkel die Präsidentschaft und deren Träger mit den Pfeilen<lb/> des giftigsten Hasses, oder besser gesagt, einer maaßlosen Grobheit, zu verfolgen.<lb/> Offiziell soll sich der große Socialist in Rousseau's Asyl am Lemar aufhalten,<lb/> allein jedes Kind in Paris weiß, daß er die Königin der Städte niemals ver-<lb/> ^sser hat, daß er eines Tages an der Spitze der l'rilViMourL eA-Unan-of von<lb/> Neuem auf dem Kampfplatz erscheinen wird, ehe Mr. Odilon Barrot es vermuthet,<lb/> und dann wehe Euch, ihr Familienväter und Hausbesitzer, wehe der Bourgeoisie<lb/> Und vio«. I» bin«!»«; <In I>öl>i>Ik!! — Zuweilen besuche ich die ^Jul>5 foci-rUstes —<lb/> ^>esten, daß mein ehrwürdiger Papa, dem ich dies einstmals brieflich berichtete,<lb/> ^ir zu verstehen gegeben chat, daß er mich enterben würde, wenn ich solche Höhlen<lb/> ses Unheils frequentire — und ich muß gestehen, daß ich mich allda trefflich cultu-<lb/> ^e. Freilich ist ein solcher Besuch ohne gewisse Vorbereitungen unmöglich oder<lb/> wudestcns gefährlich; denn Hut und Rock sind in diesen stürmischen Versammlun¬<lb/> gen als Aristo'ö vcrvehmt und gebrandmarkt, und nur die Blouse wird als ol-<lb/> ^7«» Iwnttöte betrachtet. Daher werfe ich die Blouse über, setze die Schirmmütze<lb/> "ur der Troddel, welche deu Ouvrier auszeichnet, verwegen auf's Ohr, umgebe<lb/> "und zuweilen mein glattes Kinn mit einem mächtigen falschen Barte und dann —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
Cadoudal und Pichegru — und Louis Napoleon hat gleichfalls von dem kleinen
Corpora! nichts als den Namen. Doch nein — noch eine Eigenschaft seines
Oheims hat sich ans ihn vererbt: Er liebt die Repräsentation, Glanz und Pracht,
gefällt sich in feierlichen Aufzügen und hält viel auf einen glänzenden Hofstaat,
üppige Diner's und reiche Giraudolen. Das kostet freilich viel und weder die
Civilliste noch das sehr zusammengeschmolzene Privatvermögen des napoleoniden
vermag Alles genügend zu bestreikn. Und somit scheint es gar nicht unwahr¬
scheinlich, daß der Prinz sich eines schönen Tags um die Hand der Miß Condes
in London, der reichsten Erbin der Welt, beworben haben mag. Aber die gute,
ältliche Dame, welche schon allen möglichen Anfechtungen ausgesetzt gewesen ist,
hatte so wenig Neigung für den Präsidenten der französischen Republik, wie einst¬
mals für den Marquis of Waterford, und sandte einen zierlichen Korb zum größten
Leidwesen aller Pariser Epiciers, welche schon ihre gesammte Phantasie in Thätig¬
keit gesetzt hatten, um die bevorstehenden Hochzeitsfcstlichkeiten sich vorzumalen.
Inzwischen möchte ich hier irgend Jemand kennen, der mir einen in die Angen
fallenden Unterschied zwischen Republik und Monarchie nachzuweisen vermöchte.
Die Reformbankette sind nach wie vor verboten und die Preßfreiheit ist jetzt viel
eingeschränkter, wie zur Zeit des Bürgerkönigs. Das Ministerium weiß mit merk¬
würdiger Consequenz alle mißliebigen Blätter durch fortwährende Preßprozesse auf¬
zureiben; dem Peuple hat es allein deren schon etliche zwanzig angehängt, aber
dies Blatt hat das zähe Leben einer Boa, und ist selbst in seinem Agvniekämpfen
gefährlich. Sein Herr und Meister Proudhon, welcher wie Beranger's petit
i">meno Al-i8, eine wahre volksthümliche Persönlichkeit geworden ist, hört nicht auf,
"us seinem Schlupfwinkel die Präsidentschaft und deren Träger mit den Pfeilen
des giftigsten Hasses, oder besser gesagt, einer maaßlosen Grobheit, zu verfolgen.
Offiziell soll sich der große Socialist in Rousseau's Asyl am Lemar aufhalten,
allein jedes Kind in Paris weiß, daß er die Königin der Städte niemals ver-
^sser hat, daß er eines Tages an der Spitze der l'rilViMourL eA-Unan-of von
Neuem auf dem Kampfplatz erscheinen wird, ehe Mr. Odilon Barrot es vermuthet,
und dann wehe Euch, ihr Familienväter und Hausbesitzer, wehe der Bourgeoisie
Und vio«. I» bin«!»«; <In I>öl>i>Ik!! — Zuweilen besuche ich die ^Jul>5 foci-rUstes —
^>esten, daß mein ehrwürdiger Papa, dem ich dies einstmals brieflich berichtete,
^ir zu verstehen gegeben chat, daß er mich enterben würde, wenn ich solche Höhlen
ses Unheils frequentire — und ich muß gestehen, daß ich mich allda trefflich cultu-
^e. Freilich ist ein solcher Besuch ohne gewisse Vorbereitungen unmöglich oder
wudestcns gefährlich; denn Hut und Rock sind in diesen stürmischen Versammlun¬
gen als Aristo'ö vcrvehmt und gebrandmarkt, und nur die Blouse wird als ol-
^7«» Iwnttöte betrachtet. Daher werfe ich die Blouse über, setze die Schirmmütze
"ur der Troddel, welche deu Ouvrier auszeichnet, verwegen auf's Ohr, umgebe
"und zuweilen mein glattes Kinn mit einem mächtigen falschen Barte und dann —
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