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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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den, sie auf dem Wege des Gesetzes durchzusetzen, und auf diesen Weg treten
wir. --

War es je die Pflicht der Presse, den Empfindungen des Volkes Stimme
zu geben, so ist dies jetzt der Fall. Auch die Grenzboten werden nach Kräften
versuchen, dies zu thun. Und wenn sie sich sonst als Wochenschrift etwas damit
gewußt haben, daß ihr Urtheil ruhiger, die Wahl ihrer Worte bedächtiger sein
konnte, und der Anschlag ihrer Stimme an die Seelen ihrer Freunde zwar lang¬
samer, aber vielleicht nachhaltiger war, als bei der Tagespreise; so empfinden sie
in dieser Zeit doch sehr klar, daß sie ihre Partei nicht zu führen, sondern als
treue Boten und Wächter ans ihrem Wege zu begleiten haben. Auch diese Stel¬
lung ist nicht ohne Nutzen. Unsere Ueberzeugungen, unsere Politik haben wir
immer ehrlich herausgesagt, gradezu und rücksichtslos haben wir das Schlechte
getadelt, und was wir als gut erkannten, nicht säumig gelobt. Wir habe" uns
als Demokraten gefühlt, als wir im vorigen Jahr die Uebergriffe der Volkspartei
geißelten, wir haben ein Recht uns jetzt conservativ zu nennen, wo wir in Oppo¬
sition gegen die Regierungen treten. Die Parteinamen schwanken und die Vor¬
stellungen, die man mit ihnen verbindet, wechseln noch sehr schnell; in der Sache,
in dem, was wir wollen, sind wir stets dieselben geblieben, und in der Strömung
und Gegenströmung gewaltiger Ereignisse schaukelte unsere Zeitschrift auf und nieder,
ein grünes Blatt aus den rollenden Wogen; aber seinen Halt hatte es tief unten
im stillen Grunde, und der Boden, in dem wir fest Wurzel geschlagen haben,
war das Recht. Wir erinnern jetzt unsere Freunde daran, denn auch jetzt stehen
wir fest auf dem Grnnde des Rechts.




Genrebilder ans Paris.



Schon wieder Trommelschlag und kriegerische Fanfaren; mit klingendem Spiel
ziehen die Jäger von Vincennes und das zwanzigste Linienregimcnt über die Place
de la Concorde, neugierige Gaffer, jubelnde Gamin's umdrängen sie, aber mir
hier und da steht mit verschränkten Armen der Mann des vierten Standes an den
Straßenecken und schießr zürnende Blicke nach den glänzenden Trvupies. Wenn
Sie ihn fragen, was der Einmarsch der Truppen bedeute, so zuckt er höhnisch die
Achseln und entgegnet mit wegwerfenden Tone: "Der Bourgeois fürchtet sich, denn
der Berg kreist -- aber er wird eine Maus gebären!" So ist es -- die Berg¬
partei beschließt in jeder Woche mindestens zweimal, es müsse nunmehr'etwas
geschehen, aber die Garnison wird verstärkt und so bleibt es beim Alten. Dafür
sind aber Messieurs Ledru-Rollin und Marrast auch noch lange keine Georges


den, sie auf dem Wege des Gesetzes durchzusetzen, und auf diesen Weg treten
wir. —

War es je die Pflicht der Presse, den Empfindungen des Volkes Stimme
zu geben, so ist dies jetzt der Fall. Auch die Grenzboten werden nach Kräften
versuchen, dies zu thun. Und wenn sie sich sonst als Wochenschrift etwas damit
gewußt haben, daß ihr Urtheil ruhiger, die Wahl ihrer Worte bedächtiger sein
konnte, und der Anschlag ihrer Stimme an die Seelen ihrer Freunde zwar lang¬
samer, aber vielleicht nachhaltiger war, als bei der Tagespreise; so empfinden sie
in dieser Zeit doch sehr klar, daß sie ihre Partei nicht zu führen, sondern als
treue Boten und Wächter ans ihrem Wege zu begleiten haben. Auch diese Stel¬
lung ist nicht ohne Nutzen. Unsere Ueberzeugungen, unsere Politik haben wir
immer ehrlich herausgesagt, gradezu und rücksichtslos haben wir das Schlechte
getadelt, und was wir als gut erkannten, nicht säumig gelobt. Wir habe» uns
als Demokraten gefühlt, als wir im vorigen Jahr die Uebergriffe der Volkspartei
geißelten, wir haben ein Recht uns jetzt conservativ zu nennen, wo wir in Oppo¬
sition gegen die Regierungen treten. Die Parteinamen schwanken und die Vor¬
stellungen, die man mit ihnen verbindet, wechseln noch sehr schnell; in der Sache,
in dem, was wir wollen, sind wir stets dieselben geblieben, und in der Strömung
und Gegenströmung gewaltiger Ereignisse schaukelte unsere Zeitschrift auf und nieder,
ein grünes Blatt aus den rollenden Wogen; aber seinen Halt hatte es tief unten
im stillen Grunde, und der Boden, in dem wir fest Wurzel geschlagen haben,
war das Recht. Wir erinnern jetzt unsere Freunde daran, denn auch jetzt stehen
wir fest auf dem Grnnde des Rechts.




Genrebilder ans Paris.



Schon wieder Trommelschlag und kriegerische Fanfaren; mit klingendem Spiel
ziehen die Jäger von Vincennes und das zwanzigste Linienregimcnt über die Place
de la Concorde, neugierige Gaffer, jubelnde Gamin's umdrängen sie, aber mir
hier und da steht mit verschränkten Armen der Mann des vierten Standes an den
Straßenecken und schießr zürnende Blicke nach den glänzenden Trvupies. Wenn
Sie ihn fragen, was der Einmarsch der Truppen bedeute, so zuckt er höhnisch die
Achseln und entgegnet mit wegwerfenden Tone: „Der Bourgeois fürchtet sich, denn
der Berg kreist — aber er wird eine Maus gebären!" So ist es — die Berg¬
partei beschließt in jeder Woche mindestens zweimal, es müsse nunmehr'etwas
geschehen, aber die Garnison wird verstärkt und so bleibt es beim Alten. Dafür
sind aber Messieurs Ledru-Rollin und Marrast auch noch lange keine Georges


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/294>, abgerufen am 15.01.2025.