Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dreifarbigen Kokarden werden als theure Erinnerung den Kindern aufgehoben,
die Verfassung wird hinter Glas und Rahmen gesetzt, die Poeten werden hervor¬
kommen und Lieder machen, die Jugend wird sie singen und das Volk wird
nach seiner Weise naiv und sentimental das Jahr 48 im Herzen tragen und da¬
neben seinen Groll gegen die Fürsten, bis einmal plötzlich der ganze Vorrates von
Gefühlen und Ncflectionen in einer raschen That des Zornes explvdirt. Es ist
unmöglich, das vergangene Jahr aus den Seelen des Volkes zu streichen, es ist
unmöglich, dem Volke durch vctrvyirte Verfassung das freudige männliche Selbst¬
gefühl zu geben, nach dem es sich so lange gesehnt hat, bis zur Schwärmerei
und Krankheit. Es ist unmöglich, auf dem Wege der Könige, selbst wenn diese
alle Weisheit und Kraft für sich hätten, das Volk aber nichts, als seine Begehr¬
lichkeit und seine Träume.

So steht es aber nicht. In Opposition gegen die Kronen stehn nicht nur
die Gefühle des Volkes, anch fast Alle, die in dem parlamentarischen Leben der
Nation sich Verehrung oder Liebe verschafft haben. Nicht nnr die wilden Schö߬
linge der Revolution, die Männer der Linken, sondern das ganze Centrum der
Nationalversammlung, alte und neue Kraft, ja die Talente der Landcstammern
bis tief in die rechte Seite hinein, die preußische Streitaxt Vinke, der redliche
Harkvrt u. s. w. Zu tief find die Frankfurter Deputirten durch das taktlose und
verletzende Verhalten der Krone Preußen gekränkt worden, als daß sie nicht eifrige
Gegner einer Politik werden müssen, von welcher sie sich für verrathen halten.
Und ans die Worte von Gagern, Beseler, Riesser, Ludwig Simon und anderer von
ähnlichem Klänge wird die Nation noch lange hören. Wenn diese Männer nach
der eingeleiteten Auflösung der Nationalversammlung in ihre Heimath zurückkehren,
so werden ihr Geist, ihre Ueberzeugungen in allen Theilen Deutschlands der Em¬
pörung gegen den Unverstand der Machthaber Organ und Ausdruck geben, zumeist
gegen den König von Preußen. Und welche Persönlichkeiten bleiben den Kronen
als Rathgeber? alte Höflinge, Beamte ans der alten Schule, wenig Talente, noch
Weniger Kräfte. Diese allein können als Werkzeuge sür das neue Regiment ver¬
wendet werden. Wohl mag hier und da eine aristokratische Kraft, wie Nadvwitz,
Graf Arnim oder eine tüchtige Beamtenrvntine, wie Bodelschwingh, Friesen u. s. w.
härtlich und brauchbar werden, aber diese Kräfte, die sich schon vor dem Jahr
48 in glattem Fahrwasser als ungenügend erwiesen, wie können sie das Staats¬
schiff durch den Orkan und die Klippen retten, zumal jetzt die höchste Uupopnla-
rität und deshalb ein Mangel an Sicherheit ans sie gekommen ist, der den ver¬
haßten Mann, auch wenn er stark ist, niederdrückt. Sie und die Krone, welche
sich an sie lehnt, können nur regieren trotz dem Volk, der Trotz aber treibt in
Einseitigkeit und Verblendung immer tiefer hinein. Schon jetzt, sind die frommen,
Thiele und Consorten der Trost des leicht erregten Königs von Preußen, jeder
Widerstand von Frankfurt oder den Rheinlanden her treibt schon jetzt von einem ^


37"

dreifarbigen Kokarden werden als theure Erinnerung den Kindern aufgehoben,
die Verfassung wird hinter Glas und Rahmen gesetzt, die Poeten werden hervor¬
kommen und Lieder machen, die Jugend wird sie singen und das Volk wird
nach seiner Weise naiv und sentimental das Jahr 48 im Herzen tragen und da¬
neben seinen Groll gegen die Fürsten, bis einmal plötzlich der ganze Vorrates von
Gefühlen und Ncflectionen in einer raschen That des Zornes explvdirt. Es ist
unmöglich, das vergangene Jahr aus den Seelen des Volkes zu streichen, es ist
unmöglich, dem Volke durch vctrvyirte Verfassung das freudige männliche Selbst¬
gefühl zu geben, nach dem es sich so lange gesehnt hat, bis zur Schwärmerei
und Krankheit. Es ist unmöglich, auf dem Wege der Könige, selbst wenn diese
alle Weisheit und Kraft für sich hätten, das Volk aber nichts, als seine Begehr¬
lichkeit und seine Träume.

So steht es aber nicht. In Opposition gegen die Kronen stehn nicht nur
die Gefühle des Volkes, anch fast Alle, die in dem parlamentarischen Leben der
Nation sich Verehrung oder Liebe verschafft haben. Nicht nnr die wilden Schö߬
linge der Revolution, die Männer der Linken, sondern das ganze Centrum der
Nationalversammlung, alte und neue Kraft, ja die Talente der Landcstammern
bis tief in die rechte Seite hinein, die preußische Streitaxt Vinke, der redliche
Harkvrt u. s. w. Zu tief find die Frankfurter Deputirten durch das taktlose und
verletzende Verhalten der Krone Preußen gekränkt worden, als daß sie nicht eifrige
Gegner einer Politik werden müssen, von welcher sie sich für verrathen halten.
Und ans die Worte von Gagern, Beseler, Riesser, Ludwig Simon und anderer von
ähnlichem Klänge wird die Nation noch lange hören. Wenn diese Männer nach
der eingeleiteten Auflösung der Nationalversammlung in ihre Heimath zurückkehren,
so werden ihr Geist, ihre Ueberzeugungen in allen Theilen Deutschlands der Em¬
pörung gegen den Unverstand der Machthaber Organ und Ausdruck geben, zumeist
gegen den König von Preußen. Und welche Persönlichkeiten bleiben den Kronen
als Rathgeber? alte Höflinge, Beamte ans der alten Schule, wenig Talente, noch
Weniger Kräfte. Diese allein können als Werkzeuge sür das neue Regiment ver¬
wendet werden. Wohl mag hier und da eine aristokratische Kraft, wie Nadvwitz,
Graf Arnim oder eine tüchtige Beamtenrvntine, wie Bodelschwingh, Friesen u. s. w.
härtlich und brauchbar werden, aber diese Kräfte, die sich schon vor dem Jahr
48 in glattem Fahrwasser als ungenügend erwiesen, wie können sie das Staats¬
schiff durch den Orkan und die Klippen retten, zumal jetzt die höchste Uupopnla-
rität und deshalb ein Mangel an Sicherheit ans sie gekommen ist, der den ver¬
haßten Mann, auch wenn er stark ist, niederdrückt. Sie und die Krone, welche
sich an sie lehnt, können nur regieren trotz dem Volk, der Trotz aber treibt in
Einseitigkeit und Verblendung immer tiefer hinein. Schon jetzt, sind die frommen,
Thiele und Consorten der Trost des leicht erregten Königs von Preußen, jeder
Widerstand von Frankfurt oder den Rheinlanden her treibt schon jetzt von einem ^


37"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278801"/>
          <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> dreifarbigen Kokarden werden als theure Erinnerung den Kindern aufgehoben,<lb/>
die Verfassung wird hinter Glas und Rahmen gesetzt, die Poeten werden hervor¬<lb/>
kommen und Lieder machen, die Jugend wird sie singen und das Volk wird<lb/>
nach seiner Weise naiv und sentimental das Jahr 48 im Herzen tragen und da¬<lb/>
neben seinen Groll gegen die Fürsten, bis einmal plötzlich der ganze Vorrates von<lb/>
Gefühlen und Ncflectionen in einer raschen That des Zornes explvdirt. Es ist<lb/>
unmöglich, das vergangene Jahr aus den Seelen des Volkes zu streichen, es ist<lb/>
unmöglich, dem Volke durch vctrvyirte Verfassung das freudige männliche Selbst¬<lb/>
gefühl zu geben, nach dem es sich so lange gesehnt hat, bis zur Schwärmerei<lb/>
und Krankheit. Es ist unmöglich, auf dem Wege der Könige, selbst wenn diese<lb/>
alle Weisheit und Kraft für sich hätten, das Volk aber nichts, als seine Begehr¬<lb/>
lichkeit und seine Träume.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_905" next="#ID_906"> So steht es aber nicht. In Opposition gegen die Kronen stehn nicht nur<lb/>
die Gefühle des Volkes, anch fast Alle, die in dem parlamentarischen Leben der<lb/>
Nation sich Verehrung oder Liebe verschafft haben. Nicht nnr die wilden Schö߬<lb/>
linge der Revolution, die Männer der Linken, sondern das ganze Centrum der<lb/>
Nationalversammlung, alte und neue Kraft, ja die Talente der Landcstammern<lb/>
bis tief in die rechte Seite hinein, die preußische Streitaxt Vinke, der redliche<lb/>
Harkvrt u. s. w. Zu tief find die Frankfurter Deputirten durch das taktlose und<lb/>
verletzende Verhalten der Krone Preußen gekränkt worden, als daß sie nicht eifrige<lb/>
Gegner einer Politik werden müssen, von welcher sie sich für verrathen halten.<lb/>
Und ans die Worte von Gagern, Beseler, Riesser, Ludwig Simon und anderer von<lb/>
ähnlichem Klänge wird die Nation noch lange hören. Wenn diese Männer nach<lb/>
der eingeleiteten Auflösung der Nationalversammlung in ihre Heimath zurückkehren,<lb/>
so werden ihr Geist, ihre Ueberzeugungen in allen Theilen Deutschlands der Em¬<lb/>
pörung gegen den Unverstand der Machthaber Organ und Ausdruck geben, zumeist<lb/>
gegen den König von Preußen. Und welche Persönlichkeiten bleiben den Kronen<lb/>
als Rathgeber? alte Höflinge, Beamte ans der alten Schule, wenig Talente, noch<lb/>
Weniger Kräfte. Diese allein können als Werkzeuge sür das neue Regiment ver¬<lb/>
wendet werden. Wohl mag hier und da eine aristokratische Kraft, wie Nadvwitz,<lb/>
Graf Arnim oder eine tüchtige Beamtenrvntine, wie Bodelschwingh, Friesen u. s. w.<lb/>
härtlich und brauchbar werden, aber diese Kräfte, die sich schon vor dem Jahr<lb/>
48 in glattem Fahrwasser als ungenügend erwiesen, wie können sie das Staats¬<lb/>
schiff durch den Orkan und die Klippen retten, zumal jetzt die höchste Uupopnla-<lb/>
rität und deshalb ein Mangel an Sicherheit ans sie gekommen ist, der den ver¬<lb/>
haßten Mann, auch wenn er stark ist, niederdrückt. Sie und die Krone, welche<lb/>
sich an sie lehnt, können nur regieren trotz dem Volk, der Trotz aber treibt in<lb/>
Einseitigkeit und Verblendung immer tiefer hinein. Schon jetzt, sind die frommen,<lb/>
Thiele und Consorten der Trost des leicht erregten Königs von Preußen, jeder<lb/>
Widerstand von Frankfurt oder den Rheinlanden her treibt schon jetzt von einem ^</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 37"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] dreifarbigen Kokarden werden als theure Erinnerung den Kindern aufgehoben, die Verfassung wird hinter Glas und Rahmen gesetzt, die Poeten werden hervor¬ kommen und Lieder machen, die Jugend wird sie singen und das Volk wird nach seiner Weise naiv und sentimental das Jahr 48 im Herzen tragen und da¬ neben seinen Groll gegen die Fürsten, bis einmal plötzlich der ganze Vorrates von Gefühlen und Ncflectionen in einer raschen That des Zornes explvdirt. Es ist unmöglich, das vergangene Jahr aus den Seelen des Volkes zu streichen, es ist unmöglich, dem Volke durch vctrvyirte Verfassung das freudige männliche Selbst¬ gefühl zu geben, nach dem es sich so lange gesehnt hat, bis zur Schwärmerei und Krankheit. Es ist unmöglich, auf dem Wege der Könige, selbst wenn diese alle Weisheit und Kraft für sich hätten, das Volk aber nichts, als seine Begehr¬ lichkeit und seine Träume. So steht es aber nicht. In Opposition gegen die Kronen stehn nicht nur die Gefühle des Volkes, anch fast Alle, die in dem parlamentarischen Leben der Nation sich Verehrung oder Liebe verschafft haben. Nicht nnr die wilden Schö߬ linge der Revolution, die Männer der Linken, sondern das ganze Centrum der Nationalversammlung, alte und neue Kraft, ja die Talente der Landcstammern bis tief in die rechte Seite hinein, die preußische Streitaxt Vinke, der redliche Harkvrt u. s. w. Zu tief find die Frankfurter Deputirten durch das taktlose und verletzende Verhalten der Krone Preußen gekränkt worden, als daß sie nicht eifrige Gegner einer Politik werden müssen, von welcher sie sich für verrathen halten. Und ans die Worte von Gagern, Beseler, Riesser, Ludwig Simon und anderer von ähnlichem Klänge wird die Nation noch lange hören. Wenn diese Männer nach der eingeleiteten Auflösung der Nationalversammlung in ihre Heimath zurückkehren, so werden ihr Geist, ihre Ueberzeugungen in allen Theilen Deutschlands der Em¬ pörung gegen den Unverstand der Machthaber Organ und Ausdruck geben, zumeist gegen den König von Preußen. Und welche Persönlichkeiten bleiben den Kronen als Rathgeber? alte Höflinge, Beamte ans der alten Schule, wenig Talente, noch Weniger Kräfte. Diese allein können als Werkzeuge sür das neue Regiment ver¬ wendet werden. Wohl mag hier und da eine aristokratische Kraft, wie Nadvwitz, Graf Arnim oder eine tüchtige Beamtenrvntine, wie Bodelschwingh, Friesen u. s. w. härtlich und brauchbar werden, aber diese Kräfte, die sich schon vor dem Jahr 48 in glattem Fahrwasser als ungenügend erwiesen, wie können sie das Staats¬ schiff durch den Orkan und die Klippen retten, zumal jetzt die höchste Uupopnla- rität und deshalb ein Mangel an Sicherheit ans sie gekommen ist, der den ver¬ haßten Mann, auch wenn er stark ist, niederdrückt. Sie und die Krone, welche sich an sie lehnt, können nur regieren trotz dem Volk, der Trotz aber treibt in Einseitigkeit und Verblendung immer tiefer hinein. Schon jetzt, sind die frommen, Thiele und Consorten der Trost des leicht erregten Königs von Preußen, jeder Widerstand von Frankfurt oder den Rheinlanden her treibt schon jetzt von einem ^ 37"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/291>, abgerufen am 15.01.2025.