Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.sterium ist es eben so wenig; dieser oder jener General gibt den Ausschlag, aber In den preußischen Friedlands ist keine Productivität; sie sind wohl die Stützen Einflußreicher ist die alte Schule, die Politiker der Wilhelmstraße, welche sterium ist es eben so wenig; dieser oder jener General gibt den Ausschlag, aber In den preußischen Friedlands ist keine Productivität; sie sind wohl die Stützen Einflußreicher ist die alte Schule, die Politiker der Wilhelmstraße, welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278790"/> <p xml:id="ID_878" prev="#ID_877"> sterium ist es eben so wenig; dieser oder jener General gibt den Ausschlag, aber<lb/> auch nicht ein bestimmter, denn selbst der mächtige Windischgrätz fiel, als er den<lb/> herrschenden System nicht mehr als ein brauchbares Werkzeug erschien. Selten<lb/> hat der Absolutismus das Glück, welches ihm in Nußland geworden, daß in seinem<lb/> Träger Name und Sache zusammenfallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_879"> In den preußischen Friedlands ist keine Productivität; sie sind wohl die Stützen<lb/> des Thrones, denn sie haben den unmittelbarsten Einfluß auf die Heere, aber der<lb/> Gang der Politik geht nicht von ihnen ans. Wrangel fordert wohl in einem Au¬<lb/> genblick des Enthusiasmus die Königin auf, dafür zu sorgen, daß der König fest<lb/> bleibe, das Uebrige möge man ihm überlassen. Aber das ist etwas ganz Allge¬<lb/> meines. Sie mögen die Frankfurter nicht leiden, weil es Federfuchser sind; die<lb/> Berliner nicht, weil sie Barrikaden gegen sie ausgerichtet haben. Ueber diese An¬<lb/> tipathien hinaus erstreckt sich ihr Gesichtskreis nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_880" next="#ID_881"> Einflußreicher ist die alte Schule, die Politiker der Wilhelmstraße, welche<lb/> unter der Regierung des vorigen Königs gegen den modernen Staat Opposition<lb/> machten, daun das Heft in die Hand nahmen, nud seit dem März zuerst in ver¬<lb/> steckter, dann in offener Konspiration das Zusammenwirken des Königs mit seinen<lb/> constitutionellen Ministerien vereitelten. Die Boß, die Gerlach, die Bethmaun-<lb/> Hollweg, Stahl u. s. w. Die Herren v. Thiele und v. Nadowitz, ihre frühern<lb/> Chefs, sind in der Metropole der Intelligenz wieder anwesend, und, dem Letz¬<lb/> teren ist sogar der Vorsitz in den Berathungen über das neu zu octrvyirende<lb/> deutsche Reich übertragen — Berathungen, die sich freilich vorzugsweise durch den<lb/> Mangel an Theilnehmern auszeichnen. Diese Götzendiener eiuer ausgestorbenen<lb/> Zeit werden mit einander Betstunde halten und sich durch eine Inspiration vom<lb/> heiligen Geist über die Maßregeln, welche zur Erhaltung der Throne und Altäre<lb/> nöthig sind, unterrichten wollen; gedeutet werden ihnen aber die dunkeln Orakel-<lb/> sprüche dieser Pythia durch die erfahrenen Priester zu Olmütz und Se. Peters¬<lb/> burg. Die östreichische Regierung ist weder geistreich, noch witzig, noch roman¬<lb/> tisch, darum hat ihr Verfahren immer einen gewissen Zusammenhang; der viel¬<lb/> seitige Dilettant auf der Wilhelmsstraße sieht von seiner Vogelperspective mit<lb/> suffisanten Lächeln auf diese Naturkinder herab, er umkreist sie mit neugieriger<lb/> Ironie, aber er folgt ihnen, denn sie haben einen bestimmten Weg, langsam oder<lb/> schnell, sie gehn auf's Ziel, er ist nur ein Kritikus und darum unfrei. Der<lb/> Wiener ist Enthusiast oder brutaler Egoist, er ist aus Einem Gusse; der Berliner<lb/> schwindelt sich in den Egoismus oder Enthusiasmus erst hinein, darum reißt er<lb/> auch Niemanden mit sich fort. Wenn man den Berliner wirthschaften sieht, so<lb/> fürchtet man sich vor dem unabsehbaren Apparat von Listen, mit denen er den<lb/> Gegner zu fangen gedenkt; oder der Apparat ist so weitläufig, daß man mit ihm<lb/> nicht bequem hantieren kann; am Ende wirft man ihn ungeduldig weg, ist blasirt<lb/> und verstimmt, und läßt geschehen, woran im Anfang auch nur zu denken man</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
sterium ist es eben so wenig; dieser oder jener General gibt den Ausschlag, aber
auch nicht ein bestimmter, denn selbst der mächtige Windischgrätz fiel, als er den
herrschenden System nicht mehr als ein brauchbares Werkzeug erschien. Selten
hat der Absolutismus das Glück, welches ihm in Nußland geworden, daß in seinem
Träger Name und Sache zusammenfallen.
In den preußischen Friedlands ist keine Productivität; sie sind wohl die Stützen
des Thrones, denn sie haben den unmittelbarsten Einfluß auf die Heere, aber der
Gang der Politik geht nicht von ihnen ans. Wrangel fordert wohl in einem Au¬
genblick des Enthusiasmus die Königin auf, dafür zu sorgen, daß der König fest
bleibe, das Uebrige möge man ihm überlassen. Aber das ist etwas ganz Allge¬
meines. Sie mögen die Frankfurter nicht leiden, weil es Federfuchser sind; die
Berliner nicht, weil sie Barrikaden gegen sie ausgerichtet haben. Ueber diese An¬
tipathien hinaus erstreckt sich ihr Gesichtskreis nicht.
Einflußreicher ist die alte Schule, die Politiker der Wilhelmstraße, welche
unter der Regierung des vorigen Königs gegen den modernen Staat Opposition
machten, daun das Heft in die Hand nahmen, nud seit dem März zuerst in ver¬
steckter, dann in offener Konspiration das Zusammenwirken des Königs mit seinen
constitutionellen Ministerien vereitelten. Die Boß, die Gerlach, die Bethmaun-
Hollweg, Stahl u. s. w. Die Herren v. Thiele und v. Nadowitz, ihre frühern
Chefs, sind in der Metropole der Intelligenz wieder anwesend, und, dem Letz¬
teren ist sogar der Vorsitz in den Berathungen über das neu zu octrvyirende
deutsche Reich übertragen — Berathungen, die sich freilich vorzugsweise durch den
Mangel an Theilnehmern auszeichnen. Diese Götzendiener eiuer ausgestorbenen
Zeit werden mit einander Betstunde halten und sich durch eine Inspiration vom
heiligen Geist über die Maßregeln, welche zur Erhaltung der Throne und Altäre
nöthig sind, unterrichten wollen; gedeutet werden ihnen aber die dunkeln Orakel-
sprüche dieser Pythia durch die erfahrenen Priester zu Olmütz und Se. Peters¬
burg. Die östreichische Regierung ist weder geistreich, noch witzig, noch roman¬
tisch, darum hat ihr Verfahren immer einen gewissen Zusammenhang; der viel¬
seitige Dilettant auf der Wilhelmsstraße sieht von seiner Vogelperspective mit
suffisanten Lächeln auf diese Naturkinder herab, er umkreist sie mit neugieriger
Ironie, aber er folgt ihnen, denn sie haben einen bestimmten Weg, langsam oder
schnell, sie gehn auf's Ziel, er ist nur ein Kritikus und darum unfrei. Der
Wiener ist Enthusiast oder brutaler Egoist, er ist aus Einem Gusse; der Berliner
schwindelt sich in den Egoismus oder Enthusiasmus erst hinein, darum reißt er
auch Niemanden mit sich fort. Wenn man den Berliner wirthschaften sieht, so
fürchtet man sich vor dem unabsehbaren Apparat von Listen, mit denen er den
Gegner zu fangen gedenkt; oder der Apparat ist so weitläufig, daß man mit ihm
nicht bequem hantieren kann; am Ende wirft man ihn ungeduldig weg, ist blasirt
und verstimmt, und läßt geschehen, woran im Anfang auch nur zu denken man
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