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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Herrn v. Hermami im Bunde. Oestreich, ans dessen Drohungen hin nach Man-
teuffels eigner Erklärung das Cabinet sich entschlossen, blickt mit übelverhehlter
Geringschätzung aus den jetzt schwächlichen Staat, der vor einem Jahrhundert dem
halben Europa in den Waffen getrotzt, und wird jetzt am wenigsten ans die
Hegemonie Gelüste eingehn, welche das preußische Cabinet durch kleinliche Intri¬
guen erschleichen möchte, da es einen großen Schritt nicht gewagt. Der König
von Hannover war vorzüglich darum gegen Frankfurt, weil es ihn dazu zwingen
wollte, sich den Hohenzollern zu unterwerfen; er wird sich unter den gegenwärtigen
Umständen leichter mit Frankfurt als mit Potsdam verständigelt. In Sachsen frei¬
lich ist der alte Einfluß Preußens ans eine ähnliche Weise wieder hergestellt, wie
unter dem Ministerium Könneritz, aber nicht zum Heile Preußens, denn er wird
reichlich aufgewogen durch den neu angefachten Preußenhaß, der sich fast ganz ver¬
loren hatte.

Wenn die Abneigung, dnrch Gewalt die Erneuung Deutschlands zu bewir¬
ke", auf dieser Seite zu eiuer viel größern Gewaltthätigkeit sichren müßte, so ist
es mit der Scheu vor der Rechtsverletzung nicht viel anders. Auf deu Gegen¬
satz zu dem Frankfurter Parlament will ich nicht so viel Gewicht legen, denn hier
war die Rechtsfrage nicht klar, obwohl sich eigentlich Preußen durch die Aner¬
kennung der Centralgewalt, die lediglich aus der constituirenden Versammlung
hervorgegangen war, die Hände gebunden hatte; aber das Widerstreben gegen
die Beschlüsse des Reichs führte auch zu einem Widerspruch mit den eignen Stän¬
den, dies führte zu Gewaltthätigkeiten, und eine offenbare Rechtsverletzung wird
am Ende uicht zu vermeiden sein. Es sind nicht etwa die Kommunisten, die jetzt
am Rhein in einer offnen Erklärung die Fahne des Parlaments aufpflanzen, selbst
auf die Gefahr hin, daß darüber der preußische Staat zu Grunde gehe; es sind
die Conservativen, welche der Anarchie von Oben denselben Widerstand entgegen¬
setzen, mit dem sie früher die demokratischen Anarchisten bekämpft. Vereinzelte
Tumulte kaun die Waffengewalt dämpfen; gegen den unausgesetzten, organistrten
Widerstand der gesammten Nation ist sie wehrlos.

Es ist nicht der Inhalt der Reichsverfassung, es ist ihr Ursprung, den ihre
Gegner nicht verzeihen können. Wie die Dvctrinärs der souveränen Demokratie
das vortrefflichste Gesetz nicht anerkennen, wenn sie es nicht erobert haben, so
stößt die Schule der absoluten Monarchie, auch was ihr günstig ist, zurück, wenn
es nicht seinen Weg anscheinend durch den Thron genommen hat. Daß der eigent¬
liche Urheber der fürstlichen Gesetze fast niemals derjenige ist, den der fürstliche
Reif schmückt, ist ihnen ebenso gleichgiltig, als die physische Legitimität legitimer
Monarchen. Man kann sich leicht ein System des absoluten Despotismus denken,
ohne eigentliches Oberhaupt. In Oestreich ist es so; die Regierung ist abso¬
luter, als unter Metternich, wenn man aber fragt, von wem sie eigentlich
ausgeht, so wird die Antwort schwer sein. Der Kaiser ist es nicht, das Mimi-


Herrn v. Hermami im Bunde. Oestreich, ans dessen Drohungen hin nach Man-
teuffels eigner Erklärung das Cabinet sich entschlossen, blickt mit übelverhehlter
Geringschätzung aus den jetzt schwächlichen Staat, der vor einem Jahrhundert dem
halben Europa in den Waffen getrotzt, und wird jetzt am wenigsten ans die
Hegemonie Gelüste eingehn, welche das preußische Cabinet durch kleinliche Intri¬
guen erschleichen möchte, da es einen großen Schritt nicht gewagt. Der König
von Hannover war vorzüglich darum gegen Frankfurt, weil es ihn dazu zwingen
wollte, sich den Hohenzollern zu unterwerfen; er wird sich unter den gegenwärtigen
Umständen leichter mit Frankfurt als mit Potsdam verständigelt. In Sachsen frei¬
lich ist der alte Einfluß Preußens ans eine ähnliche Weise wieder hergestellt, wie
unter dem Ministerium Könneritz, aber nicht zum Heile Preußens, denn er wird
reichlich aufgewogen durch den neu angefachten Preußenhaß, der sich fast ganz ver¬
loren hatte.

Wenn die Abneigung, dnrch Gewalt die Erneuung Deutschlands zu bewir¬
ke», auf dieser Seite zu eiuer viel größern Gewaltthätigkeit sichren müßte, so ist
es mit der Scheu vor der Rechtsverletzung nicht viel anders. Auf deu Gegen¬
satz zu dem Frankfurter Parlament will ich nicht so viel Gewicht legen, denn hier
war die Rechtsfrage nicht klar, obwohl sich eigentlich Preußen durch die Aner¬
kennung der Centralgewalt, die lediglich aus der constituirenden Versammlung
hervorgegangen war, die Hände gebunden hatte; aber das Widerstreben gegen
die Beschlüsse des Reichs führte auch zu einem Widerspruch mit den eignen Stän¬
den, dies führte zu Gewaltthätigkeiten, und eine offenbare Rechtsverletzung wird
am Ende uicht zu vermeiden sein. Es sind nicht etwa die Kommunisten, die jetzt
am Rhein in einer offnen Erklärung die Fahne des Parlaments aufpflanzen, selbst
auf die Gefahr hin, daß darüber der preußische Staat zu Grunde gehe; es sind
die Conservativen, welche der Anarchie von Oben denselben Widerstand entgegen¬
setzen, mit dem sie früher die demokratischen Anarchisten bekämpft. Vereinzelte
Tumulte kaun die Waffengewalt dämpfen; gegen den unausgesetzten, organistrten
Widerstand der gesammten Nation ist sie wehrlos.

Es ist nicht der Inhalt der Reichsverfassung, es ist ihr Ursprung, den ihre
Gegner nicht verzeihen können. Wie die Dvctrinärs der souveränen Demokratie
das vortrefflichste Gesetz nicht anerkennen, wenn sie es nicht erobert haben, so
stößt die Schule der absoluten Monarchie, auch was ihr günstig ist, zurück, wenn
es nicht seinen Weg anscheinend durch den Thron genommen hat. Daß der eigent¬
liche Urheber der fürstlichen Gesetze fast niemals derjenige ist, den der fürstliche
Reif schmückt, ist ihnen ebenso gleichgiltig, als die physische Legitimität legitimer
Monarchen. Man kann sich leicht ein System des absoluten Despotismus denken,
ohne eigentliches Oberhaupt. In Oestreich ist es so; die Regierung ist abso¬
luter, als unter Metternich, wenn man aber fragt, von wem sie eigentlich
ausgeht, so wird die Antwort schwer sein. Der Kaiser ist es nicht, das Mimi-


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[0279] Herrn v. Hermami im Bunde. Oestreich, ans dessen Drohungen hin nach Man- teuffels eigner Erklärung das Cabinet sich entschlossen, blickt mit übelverhehlter Geringschätzung aus den jetzt schwächlichen Staat, der vor einem Jahrhundert dem halben Europa in den Waffen getrotzt, und wird jetzt am wenigsten ans die Hegemonie Gelüste eingehn, welche das preußische Cabinet durch kleinliche Intri¬ guen erschleichen möchte, da es einen großen Schritt nicht gewagt. Der König von Hannover war vorzüglich darum gegen Frankfurt, weil es ihn dazu zwingen wollte, sich den Hohenzollern zu unterwerfen; er wird sich unter den gegenwärtigen Umständen leichter mit Frankfurt als mit Potsdam verständigelt. In Sachsen frei¬ lich ist der alte Einfluß Preußens ans eine ähnliche Weise wieder hergestellt, wie unter dem Ministerium Könneritz, aber nicht zum Heile Preußens, denn er wird reichlich aufgewogen durch den neu angefachten Preußenhaß, der sich fast ganz ver¬ loren hatte. Wenn die Abneigung, dnrch Gewalt die Erneuung Deutschlands zu bewir¬ ke», auf dieser Seite zu eiuer viel größern Gewaltthätigkeit sichren müßte, so ist es mit der Scheu vor der Rechtsverletzung nicht viel anders. Auf deu Gegen¬ satz zu dem Frankfurter Parlament will ich nicht so viel Gewicht legen, denn hier war die Rechtsfrage nicht klar, obwohl sich eigentlich Preußen durch die Aner¬ kennung der Centralgewalt, die lediglich aus der constituirenden Versammlung hervorgegangen war, die Hände gebunden hatte; aber das Widerstreben gegen die Beschlüsse des Reichs führte auch zu einem Widerspruch mit den eignen Stän¬ den, dies führte zu Gewaltthätigkeiten, und eine offenbare Rechtsverletzung wird am Ende uicht zu vermeiden sein. Es sind nicht etwa die Kommunisten, die jetzt am Rhein in einer offnen Erklärung die Fahne des Parlaments aufpflanzen, selbst auf die Gefahr hin, daß darüber der preußische Staat zu Grunde gehe; es sind die Conservativen, welche der Anarchie von Oben denselben Widerstand entgegen¬ setzen, mit dem sie früher die demokratischen Anarchisten bekämpft. Vereinzelte Tumulte kaun die Waffengewalt dämpfen; gegen den unausgesetzten, organistrten Widerstand der gesammten Nation ist sie wehrlos. Es ist nicht der Inhalt der Reichsverfassung, es ist ihr Ursprung, den ihre Gegner nicht verzeihen können. Wie die Dvctrinärs der souveränen Demokratie das vortrefflichste Gesetz nicht anerkennen, wenn sie es nicht erobert haben, so stößt die Schule der absoluten Monarchie, auch was ihr günstig ist, zurück, wenn es nicht seinen Weg anscheinend durch den Thron genommen hat. Daß der eigent¬ liche Urheber der fürstlichen Gesetze fast niemals derjenige ist, den der fürstliche Reif schmückt, ist ihnen ebenso gleichgiltig, als die physische Legitimität legitimer Monarchen. Man kann sich leicht ein System des absoluten Despotismus denken, ohne eigentliches Oberhaupt. In Oestreich ist es so; die Regierung ist abso¬ luter, als unter Metternich, wenn man aber fragt, von wem sie eigentlich ausgeht, so wird die Antwort schwer sein. Der Kaiser ist es nicht, das Mimi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/279>, abgerufen am 15.01.2025.