Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.des Thatbestandes sind die 3 Gehängten keine Mörder, sondern Todtschläger, und selbst Ans diesen Angaben ist leicht zu ersehen, in welchem Zustande der Gesetzlosigkeit Für uns Oestreichs gibt es gegenwärtig keine bessere Hilfe gegen den Druck, un¬ des Thatbestandes sind die 3 Gehängten keine Mörder, sondern Todtschläger, und selbst Ans diesen Angaben ist leicht zu ersehen, in welchem Zustande der Gesetzlosigkeit Für uns Oestreichs gibt es gegenwärtig keine bessere Hilfe gegen den Druck, un¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0027" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278537"/> <p xml:id="ID_74" prev="#ID_73"> des Thatbestandes sind die 3 Gehängten keine Mörder, sondern Todtschläger, und selbst<lb/> dies mir im niedern Grade, da der Verletzte, nach ärztlicher Angabe, noch lebte als<lb/> er diese Streiche erhielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_75"> Ans diesen Angaben ist leicht zu ersehen, in welchem Zustande der Gesetzlosigkeit<lb/> sich Wien befindet. Die „Charte" ist eine Lüge, und die folgenden organischen Ge¬<lb/> setze können daher keine Wahrheit sein. Mit dem Erscheinen des Vereinsgesetzes haben<lb/> alle Vereine aufgehört und sich ausgelöst, was jedoch gar nicht bedauert wird. Wien<lb/> richtet überhaupt seine Hauptsorge nur auf die Rückkehr des Kaisers; die „Gutgesinn¬<lb/> ten" meinen, daß dann das Silber, welches bereits 13 pCt. Agio, und das Gold,<lb/> das bereits 26 pCt. Agio erhielt, reichlich fließen werde. Einige sehr gut gesinnte<lb/> Gemeinderäthe frugen bereits voll Schrecken beim Ministerpräsidenten an, ob bei der<lb/> Rückkehr des Kaisers etwa der Belagerungszustand aufhören werde. Fürst Schwarzen-<lb/> berg beruhigte ^die Gutgesinnten indem er sagte: „Das ist ein seltsames Vorurtheil<lb/> der Wiener. Der König von Preußen sitzt prächtig in Berlin und die Kammern be¬<lb/> rathen, trotz der Belagerung." — Daß aber der König von Preußen keine Galgen<lb/> inmitten seiner Residenz hat und dort keine Begnadigungen zu Pulver und Blei statt¬<lb/> finden, hat der Ministerpräsident den Gutgesinnten nicht gesagt. Ueberhaupt weiß man,<lb/> daß unser Ministerium im „Nichtssagen" ein Meister ist. Frankfurt liefert den Beweis.<lb/> Die Stimmung über die Abstimmung in der Kaiserfrage, ist hier<lb/> ganz gegen unsere Deputirten, die nicht mehr als Vertreter des<lb/> östreichischen Volkes, sondern als Handlanger und Werkzeuge des<lb/> Ministeriums betrachtet werden. Die Czechen versagen diesem Ministerium ihre<lb/> Dienste, von allen gerufenen Exdeputirtcn kam blos Placzek; Schuselka wollte man<lb/> gewinnen, der ehrliche Mann trumpfte sie ab, aber die Herren Naumann und Neuwall<lb/> sind die allezeit getreuen Diener. Nicht eine Kapacität, nicht eine Autorität geht<lb/> mit diesem Ministerium, dessen Pläne von den östreichischen Deputirten Frankfurts,<lb/> freiwillig oder unfreiwillig, gestützt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_76" next="#ID_77"> Für uns Oestreichs gibt es gegenwärtig keine bessere Hilfe gegen den Druck, un¬<lb/> ter dem wir leiden, gegen die Willkür des Soldatenrcgimcnts, als eine schnelle und<lb/> glückliche Vereinigung der Bruderstämme zu einem Einheitsstaat. Ein solcher Bundes¬<lb/> staat würde unserer liberalen Partei Kraft und eine feste Stütze geben gegen die Po¬<lb/> litik unserer Machthaber. Das Ministerium steht das sehr wohl ein; es hat das größte<lb/> Interesse, auch die anderen Völker Deutschlands zu nichts kommen zu lassen, um der<lb/> Hydra der Revolution alle Köpfe abzuschneiden und die alte heimliche Politik der Ka¬<lb/> binette an die Stelle zu setzen. Das mußten unsere Deputirten in Frankfurt wissen. Sie mu߬<lb/> ten die Hochherzigkeit haben zu erklären: Wenn wir auch nicht sogleich Nutzen ziehn von<lb/> dem Bundesstaat, der hier geschaffen wird, so wollen wir doch nicht hindern, waS<lb/> durch das Volk geschaffen wird, wir wissen, es wird auch uns zu gut kommen. Was<lb/> ober thaten sie statt dessen? Sie erkennen in großer Mehrzahl die octrovirte Verfassung<lb/> für Oestreich an, und haben doch noch die Taktlosigkeit, im Frankfurter Parlament<lb/> sitzen zu bleiben, und anzustimmen und durch ihre Stimmen die Gestaltung Deutsch¬<lb/> lands zu vernichten. Wir fürchten die Nachwelt wird richten über diese Männer, sie<lb/> haben die Deutschen sowohl, als auch uus Oestreicher tief gedemüthigt. Es gab für<lb/> Alle, welche die östreichische Verfassung für giltig, also bindend für sie selbst, erklärten,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
des Thatbestandes sind die 3 Gehängten keine Mörder, sondern Todtschläger, und selbst
dies mir im niedern Grade, da der Verletzte, nach ärztlicher Angabe, noch lebte als
er diese Streiche erhielt.
Ans diesen Angaben ist leicht zu ersehen, in welchem Zustande der Gesetzlosigkeit
sich Wien befindet. Die „Charte" ist eine Lüge, und die folgenden organischen Ge¬
setze können daher keine Wahrheit sein. Mit dem Erscheinen des Vereinsgesetzes haben
alle Vereine aufgehört und sich ausgelöst, was jedoch gar nicht bedauert wird. Wien
richtet überhaupt seine Hauptsorge nur auf die Rückkehr des Kaisers; die „Gutgesinn¬
ten" meinen, daß dann das Silber, welches bereits 13 pCt. Agio, und das Gold,
das bereits 26 pCt. Agio erhielt, reichlich fließen werde. Einige sehr gut gesinnte
Gemeinderäthe frugen bereits voll Schrecken beim Ministerpräsidenten an, ob bei der
Rückkehr des Kaisers etwa der Belagerungszustand aufhören werde. Fürst Schwarzen-
berg beruhigte ^die Gutgesinnten indem er sagte: „Das ist ein seltsames Vorurtheil
der Wiener. Der König von Preußen sitzt prächtig in Berlin und die Kammern be¬
rathen, trotz der Belagerung." — Daß aber der König von Preußen keine Galgen
inmitten seiner Residenz hat und dort keine Begnadigungen zu Pulver und Blei statt¬
finden, hat der Ministerpräsident den Gutgesinnten nicht gesagt. Ueberhaupt weiß man,
daß unser Ministerium im „Nichtssagen" ein Meister ist. Frankfurt liefert den Beweis.
Die Stimmung über die Abstimmung in der Kaiserfrage, ist hier
ganz gegen unsere Deputirten, die nicht mehr als Vertreter des
östreichischen Volkes, sondern als Handlanger und Werkzeuge des
Ministeriums betrachtet werden. Die Czechen versagen diesem Ministerium ihre
Dienste, von allen gerufenen Exdeputirtcn kam blos Placzek; Schuselka wollte man
gewinnen, der ehrliche Mann trumpfte sie ab, aber die Herren Naumann und Neuwall
sind die allezeit getreuen Diener. Nicht eine Kapacität, nicht eine Autorität geht
mit diesem Ministerium, dessen Pläne von den östreichischen Deputirten Frankfurts,
freiwillig oder unfreiwillig, gestützt werden.
Für uns Oestreichs gibt es gegenwärtig keine bessere Hilfe gegen den Druck, un¬
ter dem wir leiden, gegen die Willkür des Soldatenrcgimcnts, als eine schnelle und
glückliche Vereinigung der Bruderstämme zu einem Einheitsstaat. Ein solcher Bundes¬
staat würde unserer liberalen Partei Kraft und eine feste Stütze geben gegen die Po¬
litik unserer Machthaber. Das Ministerium steht das sehr wohl ein; es hat das größte
Interesse, auch die anderen Völker Deutschlands zu nichts kommen zu lassen, um der
Hydra der Revolution alle Köpfe abzuschneiden und die alte heimliche Politik der Ka¬
binette an die Stelle zu setzen. Das mußten unsere Deputirten in Frankfurt wissen. Sie mu߬
ten die Hochherzigkeit haben zu erklären: Wenn wir auch nicht sogleich Nutzen ziehn von
dem Bundesstaat, der hier geschaffen wird, so wollen wir doch nicht hindern, waS
durch das Volk geschaffen wird, wir wissen, es wird auch uns zu gut kommen. Was
ober thaten sie statt dessen? Sie erkennen in großer Mehrzahl die octrovirte Verfassung
für Oestreich an, und haben doch noch die Taktlosigkeit, im Frankfurter Parlament
sitzen zu bleiben, und anzustimmen und durch ihre Stimmen die Gestaltung Deutsch¬
lands zu vernichten. Wir fürchten die Nachwelt wird richten über diese Männer, sie
haben die Deutschen sowohl, als auch uus Oestreicher tief gedemüthigt. Es gab für
Alle, welche die östreichische Verfassung für giltig, also bindend für sie selbst, erklärten,
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