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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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darauf die Constituirung des Centralstaats Oestreich, freilich vorläufig nur auf
dem Papier, und in Folge dessen der Welcker'sche Antrag, der durch einen kühnen
Griff das Heft des Reiches in die Hände Preußens legen sollte.

Mit dem Fall desselben beginnt eine Reihe von Intriguen, die einen höchst
widerwärtigen Charakter an sich tragen, über die man aber nicht hinausgehn kann,
wenn man sich über die jetzige Lage der Parteien verständigen will. Die Demo¬
kraten, welche für sich die Majorität nicht erlangen konnten, beobachteten die von
ihrem Standpunkt aus gar nicht zu verwerfende Taktik, mit den beiden dynasti¬
schen Parteien zu handeln, und für den Gewinn realer Freiheitsbestimmungen der
einen oder der andern diejenigen dynastischen Formen preiszugeben, welche man
gerade begehrte. Die östreichischen Absolutisten hatten die Gemeinheit, auf diesen
Plan einzugehen, und, indem sie mit der Linken stimmten, in die deutsche Reichs¬
verfassung eine Reihe von Paragraphen einzuschmuggeln, die nur die Absicht hat¬
ten, die Annahme derselben von Seiten des Königs von Preußen unmöglich zu
machen. Die constitutionelle Partei stand in diesem Augenblick rathlos; sie hatte
auf Preußens Hegemonie die letzte Hoffnung einer energischen Constituirung des
Reichs gebant, und Preußen hat es verschmäht, durch eine bestimmte Erklärung
vor der definitiven Feststellung der Verfassung sich darüber auszusprechen, wie es
sich zu derselben verhalten wolle. Ob diese Zögerung Perfidie oder Schwäche war,
kann mit Bestimmtheit nicht ausgemacht werden; die sogenannte Großdeutsche Par¬
tei -- als deren Wortführer in Sachsen Herr Professor Wuttke bekannt ist, hat
zwar nicht verfehlt, den Erfolg der Weidenbuschpartci den Intriguen der preußi¬
schen Politik zuzuschreiben, welche sich dadurch in eine günstige Position habe brin¬
gen wollen, wenn sie gleich entschlossen gewesen sei, die aus solche Weise erschmei¬
chelte Kaiserkrone nicht anzunehmen; allein trotz des Dunkels, mit dem unsere
Modernen Diplomaten sich umgeben, scheint uns doch die Ehrlichkeit solcher Män¬
ner, wie Brandenburg und Manteuffel, zu unzweifelhaft, als daß wir ihrem
Verfahren den Verdacht einer offenbaren Ehrlosigkeit unterschieben sollten, wir
finden vielmehr, daß diese Partei durch die Motive, die sie ihrem Gegner
unterschiebt, sich selber charakterisirt. Es scheint alles darauf hinzudeuten, daß
das preußische Cabinet bis zur letzten Stunde unschlüssig war, und zu einer be¬
stimmten Entscheidung erst denn kam, als die Bewegung für das Erbkaiserthum
einen entschieden demokratischen Charakter angenommen hatte.

Der Weidenbuschpartei blieb nichts anderes übrig, als auf der Ausführung
der Verfassung, für welche sie ihre Ehre verpfändet hatte, zu bestehn. Sie stützte
steh auf die constitutionellen Vertreter der einzelnen Stämme, die nun sich überall
in ihrem Sinne aussprachen; freilich aber dadurch auch Elemente in die Partei
Yachten, die ihr bis dahin fremd geblieben waren. So würden z. B. wir in
Achsen, die wir bisher ans Seite der Negierung gegen die radicalen Kammern
Wanden halten, in eine gemeinsame Opposition gegen die Regierung gedrängt.


darauf die Constituirung des Centralstaats Oestreich, freilich vorläufig nur auf
dem Papier, und in Folge dessen der Welcker'sche Antrag, der durch einen kühnen
Griff das Heft des Reiches in die Hände Preußens legen sollte.

Mit dem Fall desselben beginnt eine Reihe von Intriguen, die einen höchst
widerwärtigen Charakter an sich tragen, über die man aber nicht hinausgehn kann,
wenn man sich über die jetzige Lage der Parteien verständigen will. Die Demo¬
kraten, welche für sich die Majorität nicht erlangen konnten, beobachteten die von
ihrem Standpunkt aus gar nicht zu verwerfende Taktik, mit den beiden dynasti¬
schen Parteien zu handeln, und für den Gewinn realer Freiheitsbestimmungen der
einen oder der andern diejenigen dynastischen Formen preiszugeben, welche man
gerade begehrte. Die östreichischen Absolutisten hatten die Gemeinheit, auf diesen
Plan einzugehen, und, indem sie mit der Linken stimmten, in die deutsche Reichs¬
verfassung eine Reihe von Paragraphen einzuschmuggeln, die nur die Absicht hat¬
ten, die Annahme derselben von Seiten des Königs von Preußen unmöglich zu
machen. Die constitutionelle Partei stand in diesem Augenblick rathlos; sie hatte
auf Preußens Hegemonie die letzte Hoffnung einer energischen Constituirung des
Reichs gebant, und Preußen hat es verschmäht, durch eine bestimmte Erklärung
vor der definitiven Feststellung der Verfassung sich darüber auszusprechen, wie es
sich zu derselben verhalten wolle. Ob diese Zögerung Perfidie oder Schwäche war,
kann mit Bestimmtheit nicht ausgemacht werden; die sogenannte Großdeutsche Par¬
tei — als deren Wortführer in Sachsen Herr Professor Wuttke bekannt ist, hat
zwar nicht verfehlt, den Erfolg der Weidenbuschpartci den Intriguen der preußi¬
schen Politik zuzuschreiben, welche sich dadurch in eine günstige Position habe brin¬
gen wollen, wenn sie gleich entschlossen gewesen sei, die aus solche Weise erschmei¬
chelte Kaiserkrone nicht anzunehmen; allein trotz des Dunkels, mit dem unsere
Modernen Diplomaten sich umgeben, scheint uns doch die Ehrlichkeit solcher Män¬
ner, wie Brandenburg und Manteuffel, zu unzweifelhaft, als daß wir ihrem
Verfahren den Verdacht einer offenbaren Ehrlosigkeit unterschieben sollten, wir
finden vielmehr, daß diese Partei durch die Motive, die sie ihrem Gegner
unterschiebt, sich selber charakterisirt. Es scheint alles darauf hinzudeuten, daß
das preußische Cabinet bis zur letzten Stunde unschlüssig war, und zu einer be¬
stimmten Entscheidung erst denn kam, als die Bewegung für das Erbkaiserthum
einen entschieden demokratischen Charakter angenommen hatte.

Der Weidenbuschpartei blieb nichts anderes übrig, als auf der Ausführung
der Verfassung, für welche sie ihre Ehre verpfändet hatte, zu bestehn. Sie stützte
steh auf die constitutionellen Vertreter der einzelnen Stämme, die nun sich überall
in ihrem Sinne aussprachen; freilich aber dadurch auch Elemente in die Partei
Yachten, die ihr bis dahin fremd geblieben waren. So würden z. B. wir in
Achsen, die wir bisher ans Seite der Negierung gegen die radicalen Kammern
Wanden halten, in eine gemeinsame Opposition gegen die Regierung gedrängt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/263>, abgerufen am 15.01.2025.