Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Sendling der Milirärcommandantur nichts Hochverräterisches fand!? Wurde doch die Sendling der Milirärcommandantur nichts Hochverräterisches fand!? Wurde doch die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278536"/> <p xml:id="ID_73" prev="#ID_72" next="#ID_74"> Sendling der Milirärcommandantur nichts Hochverräterisches fand!? Wurde doch die<lb/> Ankündigung des Preßgesetzes an der Ladenthüre der Expedition der ostdeutschen Post<lb/> confiscire; auf schwarzem Papiere stand mit ernsten Lettern: hier ist das neue Prcßgesetz<lb/> für 2 kr. zu haben. Das wurde natürlich alsogleich denuncirt, und die Militärcom-<lb/> mandcmtur verordnete, den Zettel sogleich abzureißen. Der beauftragte Municipalgardist<lb/> ging in seinem patriotischen Eifer so weit, nicht blos den Zettel, sondern auch die<lb/> nietfeste Tasel der Expedition herabzureißen. Dieser Vorgang ist nur ein Präambulum<lb/> zum zweitmaligen Verbot der Kuranda'schen Zeitung, deren Opposition, obwohl voll<lb/> Honig und Milch, dennoch nicht geduldet wird. Nur aus Rücksicht gegen den einflu߬<lb/> reichen Bürger Gerold ist bis jetzt die gänzliche Unterdrückung unterblieben. — Die<lb/> mitternächtliche Untersuchung bei Fränkl scheint mehr wegen seiner Freundschaft mit mehren<lb/> Deputirten stattgefunden zu haben; er ist ein College Fisch Hoff, der noch immer<lb/> nicht einmal den Grund seiner Verhaftung und Abführung ins Criminale kennt. Fisch¬<lb/> hof hatte mehre Verhöre, die aber nnr das „Nationale" betrafen. Uebrigens wird er<lb/> sehr anständig behandelt, ja er wird sogar mit Lecture versehen; jede mündliche und<lb/> schriftliche Communication, außer mit den Beamten, ist. abgeschnitten. Man nahm erst<lb/> die Person in Haft, und dann sucht man ihr Verbrechen anzuheften. Wenn man die<lb/> akademische Legion einsperren könnte, so wäre sie jetzt schon am Galgen, denn die<lb/> Militärcommandantnr und Melden sagen in ihrem Urtheile über die Mörder Latours:<lb/> „Der Mord sei von der Aula gemiethet gewesen und zwar für 3t)si." Wenn es<lb/> nicht gar so erbärmlich wäre, wäre es zum Lachen. Nicht etwa blos Studenten, son¬<lb/> dern Tausende der Einwohner sind bereit augenblicklich den Eid abzulegen, daß diese<lb/> Angabe eine Lüge ist, nud daß sie nicht durch das mindeste Anzeichen gerechtfertigt<lb/> wird. Ein iU'Anm<!»rum !»<! lmmiuem sei angeführt. Der unglückliche Latour war<lb/> den Studenten noch weniger als den Agitatoren ein Gegenstand des Hasses; er war<lb/> ein Ehrenmann, aber, wie sein eigener College Bach sich äußerte, keine<lb/> Kapacität. Das Volk war nicht gegen Latour erbittert, sondern — — gegen Bach.<lb/> Der Jnstizknabc war mit seinem ganzen Mcphistvwcsen alsobald erkannt; er gerirte sich<lb/> als Dcmocrat, er besuchte die demokratischen Clubs, er drückte den radicalstcn Jvur-<lb/> nalsührern vertraulich die Hand und besprach mit thuen die Regicrungsmaßregeln. Ge¬<lb/> gen Bach war die Wuth des Volkes gerichtet, die sich unaushaltbar im Kriegsgebäude<lb/> am 6. October in schändlicher Unthat kund gab. Bach floh in einem Fiaker, aber nicht<lb/> zum Kaiser, wie es die Schuldigkeit des Krvubeamten gewesen wäre, um den etwa ge¬<lb/> fährdeten Monarchen zu schützen; der Kaiser war diese Nacht und die folgenden Tage<lb/> ohne Krourath, und vieles Unheil ist dem Umstände zuzuschreiben, daß in diese» Stun¬<lb/> den der Angst und Gefahr kein Minister an der Seite des Kaisers war. Dies sei nur<lb/> im Vorbeigehen erwähnt, um ein Licht auf die Verleumdung gegen die Anta, deren<lb/> Unreife wohl Anderes verschuldete, deren Edelsinn und jugendliche Begeisterung aber<lb/> jedem solchen Verbrechen fern blieb, z» werfen. Die Studenten aber müsse» grundsätzlich<lb/> herabgewürdigt werden, und so verdächtigt man sie, indem man gleichzeitig die „an¬<lb/> geblichen" Mörder Latours an den Galgen hing. Die Verbrecher mußte» bestraft wer¬<lb/> den, aber uach Recht und Gesetz, nicht nach Willkür. Das Verbrechen wurde am<lb/> 6. October begangen, die Jnculpirtcn wurden aber vor's Ausuahmgericht gestellt und<lb/> vermöge der Proklamation vom 23. October verurtheilt! Das Militärgericht scheint<lb/> gefürchtet zu haben, das Civilgericht werde die Acrbrccher nicht verurtheilen, und hat<lb/> zum Theil damit Recht, denn nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach Ermittlung</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Sendling der Milirärcommandantur nichts Hochverräterisches fand!? Wurde doch die
Ankündigung des Preßgesetzes an der Ladenthüre der Expedition der ostdeutschen Post
confiscire; auf schwarzem Papiere stand mit ernsten Lettern: hier ist das neue Prcßgesetz
für 2 kr. zu haben. Das wurde natürlich alsogleich denuncirt, und die Militärcom-
mandcmtur verordnete, den Zettel sogleich abzureißen. Der beauftragte Municipalgardist
ging in seinem patriotischen Eifer so weit, nicht blos den Zettel, sondern auch die
nietfeste Tasel der Expedition herabzureißen. Dieser Vorgang ist nur ein Präambulum
zum zweitmaligen Verbot der Kuranda'schen Zeitung, deren Opposition, obwohl voll
Honig und Milch, dennoch nicht geduldet wird. Nur aus Rücksicht gegen den einflu߬
reichen Bürger Gerold ist bis jetzt die gänzliche Unterdrückung unterblieben. — Die
mitternächtliche Untersuchung bei Fränkl scheint mehr wegen seiner Freundschaft mit mehren
Deputirten stattgefunden zu haben; er ist ein College Fisch Hoff, der noch immer
nicht einmal den Grund seiner Verhaftung und Abführung ins Criminale kennt. Fisch¬
hof hatte mehre Verhöre, die aber nnr das „Nationale" betrafen. Uebrigens wird er
sehr anständig behandelt, ja er wird sogar mit Lecture versehen; jede mündliche und
schriftliche Communication, außer mit den Beamten, ist. abgeschnitten. Man nahm erst
die Person in Haft, und dann sucht man ihr Verbrechen anzuheften. Wenn man die
akademische Legion einsperren könnte, so wäre sie jetzt schon am Galgen, denn die
Militärcommandantnr und Melden sagen in ihrem Urtheile über die Mörder Latours:
„Der Mord sei von der Aula gemiethet gewesen und zwar für 3t)si." Wenn es
nicht gar so erbärmlich wäre, wäre es zum Lachen. Nicht etwa blos Studenten, son¬
dern Tausende der Einwohner sind bereit augenblicklich den Eid abzulegen, daß diese
Angabe eine Lüge ist, nud daß sie nicht durch das mindeste Anzeichen gerechtfertigt
wird. Ein iU'Anm<!»rum !»<! lmmiuem sei angeführt. Der unglückliche Latour war
den Studenten noch weniger als den Agitatoren ein Gegenstand des Hasses; er war
ein Ehrenmann, aber, wie sein eigener College Bach sich äußerte, keine
Kapacität. Das Volk war nicht gegen Latour erbittert, sondern — — gegen Bach.
Der Jnstizknabc war mit seinem ganzen Mcphistvwcsen alsobald erkannt; er gerirte sich
als Dcmocrat, er besuchte die demokratischen Clubs, er drückte den radicalstcn Jvur-
nalsührern vertraulich die Hand und besprach mit thuen die Regicrungsmaßregeln. Ge¬
gen Bach war die Wuth des Volkes gerichtet, die sich unaushaltbar im Kriegsgebäude
am 6. October in schändlicher Unthat kund gab. Bach floh in einem Fiaker, aber nicht
zum Kaiser, wie es die Schuldigkeit des Krvubeamten gewesen wäre, um den etwa ge¬
fährdeten Monarchen zu schützen; der Kaiser war diese Nacht und die folgenden Tage
ohne Krourath, und vieles Unheil ist dem Umstände zuzuschreiben, daß in diese» Stun¬
den der Angst und Gefahr kein Minister an der Seite des Kaisers war. Dies sei nur
im Vorbeigehen erwähnt, um ein Licht auf die Verleumdung gegen die Anta, deren
Unreife wohl Anderes verschuldete, deren Edelsinn und jugendliche Begeisterung aber
jedem solchen Verbrechen fern blieb, z» werfen. Die Studenten aber müsse» grundsätzlich
herabgewürdigt werden, und so verdächtigt man sie, indem man gleichzeitig die „an¬
geblichen" Mörder Latours an den Galgen hing. Die Verbrecher mußte» bestraft wer¬
den, aber uach Recht und Gesetz, nicht nach Willkür. Das Verbrechen wurde am
6. October begangen, die Jnculpirtcn wurden aber vor's Ausuahmgericht gestellt und
vermöge der Proklamation vom 23. October verurtheilt! Das Militärgericht scheint
gefürchtet zu haben, das Civilgericht werde die Acrbrccher nicht verurtheilen, und hat
zum Theil damit Recht, denn nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach Ermittlung
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