Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Da es im Lande bösgesinnte Leute gebe, wider welche "keine genügenden Klingt es nicht ungemein väterlich und wohlwollend, dieses "möglichst nach¬ Das sind die constitutionellen "Wege der Verordnung." Und die "starken" Auch ein hiesiges Blatt theilte obige Verordnung mit; sie wurde ohne Erstau¬ Also pflegt mein Freund Kappelbaumer zu rufen, wenn vor seinen Fenstern Da es im Lande bösgesinnte Leute gebe, wider welche „keine genügenden Klingt es nicht ungemein väterlich und wohlwollend, dieses „möglichst nach¬ Das sind die constitutionellen „Wege der Verordnung." Und die „starken" Auch ein hiesiges Blatt theilte obige Verordnung mit; sie wurde ohne Erstau¬ Also pflegt mein Freund Kappelbaumer zu rufen, wenn vor seinen Fenstern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278765"/> <p xml:id="ID_803" prev="#ID_802"> Da es im Lande bösgesinnte Leute gebe, wider welche „keine genügenden<lb/> Anhaltpunkte zur strafgerichtlichen Amtshandlung" vorlagen, de¬<lb/> ren „Unschädlichmachung" jedoch „wünschens werth" sei, so möchten die<lb/> Assentirungskommissionen, wenn ein solches Individuum ihnen gestellt würde, in<lb/> der Beurtheilung seiner Militärdiensttauglichkeit „möglichst nachsichtig" ver¬<lb/> fahren. Unterzeichnet ist der Erlaß: Khevenhüller, datirt: Prag, 24. April.</p><lb/> <p xml:id="ID_804"> Klingt es nicht ungemein väterlich und wohlwollend, dieses „möglichst nach¬<lb/> sichtig?" Und doch heißt es so viel als: Wenn der Unglückliche, von dessen<lb/> böser Gesinnung sein Denunziant und die betreffende Behörde moralisch überzeugt<lb/> sind, dem jedoch , aus Mangel an Belagerungszustand und Kriegsgericht, auf ge¬<lb/> setzlichem Wege uicht beizukommen ist, ^- wenn dieser Unglückliche nicht grade<lb/> bucklig, lahm, blind, taub oder mit einem doppelten Wasserbruch gesegnet ist, so<lb/> möge man über sonstige LeibcSschäden „nachsichtig" wegsehen und ihn unter irgend<lb/> eine Abtheilung der ambulanten Strafanstalt, die man Armee nennt, stecken. Aehn-<lb/> liche Nachsicht wurde im I. 1824 geübt, als Kaiser Franz, der Vaterliebe, nach<lb/> Prag kam und sah, daß der Studenten zu mele waren. Ein Jurist, der zum<lb/> Fuhrwesen gekommen war, mußte nach einem Vierteljahr wegen Blutspeiens wie¬<lb/> der entlassen werden. Ein Anderer war so glücklich, die Sehkraft des Militär¬<lb/> arztes mittelst einiger Doppeldnkaten zu schärfen: ihn befreiten vom Militärdienst<lb/> zwei Hühneraugen auf der großen Zehe des rechten Fußes!</p><lb/> <p xml:id="ID_805"> Das sind die constitutionellen „Wege der Verordnung." Und die „starken"<lb/> Minister, welche auf diese Art Willkür, Anarchie und Lüge zum System der Ver¬<lb/> waltung erheben, führen die „Ordnung" und die „Gesetzlichkeit" im Munde.<lb/> Schwarzenberg's Kreaturen ist das Beispiel Englands in der Theorie gar geläufig,<lb/> in der Praxis ist ihr Vorbild Neapel.</p><lb/> <p xml:id="ID_806"> Auch ein hiesiges Blatt theilte obige Verordnung mit; sie wurde ohne Erstau¬<lb/> nen und ohne Entrüstung gelesen. Die Mehrzahl hat gelernt, die monströsesten<lb/> Ordonnanzen von diesem Cabinet zu erwarten, den Andern ist eben Alles recht<lb/> und billig, was von Oben kommt; und ich verpflichte mich, Sie zum Pascha von<lb/> Kalifornien zumachen, wenn es Ihnen gelingt, einem hiesigen-Vollblutloyalen<lb/> nur ein inconstitntionelles Jota in dem erwähnten Aktenstück nachzuweisen. Um sich<lb/> von der obligaten Begriffsverwirrung dieser Prachtmenschen eine Vorstellung zu<lb/> Machen, müßten Sie wieder meinen Freund Kappelbaumer hören. Und wohlge-<lb/> Merkt, die Kappelbaumers sind nicht immer fette Hausbesitzer, sondern eben so<lb/> häusig weitgereiste Kavaliere, Staatsbeamte und Zeitungsschreiber.</p><lb/> <p xml:id="ID_807" next="#ID_808"> Also pflegt mein Freund Kappelbaumer zu rufen, wenn vor seinen Fenstern<lb/> das Militär in wohlgeordneten Reihen vorbeimarschirt: „Warum ist unsere Armee<lb/> ^nig, he? Wo hört man in der Armee von Parteien und Factionen? Ach, hätten<lb/> sich die Herrn in Kremsier daran ein Exempel genommen! Fast in jedem Regi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
Da es im Lande bösgesinnte Leute gebe, wider welche „keine genügenden
Anhaltpunkte zur strafgerichtlichen Amtshandlung" vorlagen, de¬
ren „Unschädlichmachung" jedoch „wünschens werth" sei, so möchten die
Assentirungskommissionen, wenn ein solches Individuum ihnen gestellt würde, in
der Beurtheilung seiner Militärdiensttauglichkeit „möglichst nachsichtig" ver¬
fahren. Unterzeichnet ist der Erlaß: Khevenhüller, datirt: Prag, 24. April.
Klingt es nicht ungemein väterlich und wohlwollend, dieses „möglichst nach¬
sichtig?" Und doch heißt es so viel als: Wenn der Unglückliche, von dessen
böser Gesinnung sein Denunziant und die betreffende Behörde moralisch überzeugt
sind, dem jedoch , aus Mangel an Belagerungszustand und Kriegsgericht, auf ge¬
setzlichem Wege uicht beizukommen ist, ^- wenn dieser Unglückliche nicht grade
bucklig, lahm, blind, taub oder mit einem doppelten Wasserbruch gesegnet ist, so
möge man über sonstige LeibcSschäden „nachsichtig" wegsehen und ihn unter irgend
eine Abtheilung der ambulanten Strafanstalt, die man Armee nennt, stecken. Aehn-
liche Nachsicht wurde im I. 1824 geübt, als Kaiser Franz, der Vaterliebe, nach
Prag kam und sah, daß der Studenten zu mele waren. Ein Jurist, der zum
Fuhrwesen gekommen war, mußte nach einem Vierteljahr wegen Blutspeiens wie¬
der entlassen werden. Ein Anderer war so glücklich, die Sehkraft des Militär¬
arztes mittelst einiger Doppeldnkaten zu schärfen: ihn befreiten vom Militärdienst
zwei Hühneraugen auf der großen Zehe des rechten Fußes!
Das sind die constitutionellen „Wege der Verordnung." Und die „starken"
Minister, welche auf diese Art Willkür, Anarchie und Lüge zum System der Ver¬
waltung erheben, führen die „Ordnung" und die „Gesetzlichkeit" im Munde.
Schwarzenberg's Kreaturen ist das Beispiel Englands in der Theorie gar geläufig,
in der Praxis ist ihr Vorbild Neapel.
Auch ein hiesiges Blatt theilte obige Verordnung mit; sie wurde ohne Erstau¬
nen und ohne Entrüstung gelesen. Die Mehrzahl hat gelernt, die monströsesten
Ordonnanzen von diesem Cabinet zu erwarten, den Andern ist eben Alles recht
und billig, was von Oben kommt; und ich verpflichte mich, Sie zum Pascha von
Kalifornien zumachen, wenn es Ihnen gelingt, einem hiesigen-Vollblutloyalen
nur ein inconstitntionelles Jota in dem erwähnten Aktenstück nachzuweisen. Um sich
von der obligaten Begriffsverwirrung dieser Prachtmenschen eine Vorstellung zu
Machen, müßten Sie wieder meinen Freund Kappelbaumer hören. Und wohlge-
Merkt, die Kappelbaumers sind nicht immer fette Hausbesitzer, sondern eben so
häusig weitgereiste Kavaliere, Staatsbeamte und Zeitungsschreiber.
Also pflegt mein Freund Kappelbaumer zu rufen, wenn vor seinen Fenstern
das Militär in wohlgeordneten Reihen vorbeimarschirt: „Warum ist unsere Armee
^nig, he? Wo hört man in der Armee von Parteien und Factionen? Ach, hätten
sich die Herrn in Kremsier daran ein Exempel genommen! Fast in jedem Regi-
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