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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Es ist und bleibt aber diese Note ein Triumph des bornirten Schwarzen¬
berg über die diplomatische Intelligenz von Berlin, wo sehr viel Geist, Geschmack
und Treibhausrvmcmtik, und sehr wenig Muth, weder zum Guten noch zum Bösen,
zu Hause ist. Es fällt schwer, diesen kläglichen Entschluß, Nichts zu beschließen,
anders auszulegen denn als eine Olmützer Eingebung und einen Sehusuchtsblick
nach Oben, auf den König der Könige am Newastrand, nach dem nordöstlichen
Winterhimmel, von wo die prachtvollste Fata Morgana einer neuen heiligen Allianz
oder eines europäischen Brandes herübertönte.

Offenbar hatte Manteuffel nicht ans die Einstimmung der achtundzwanzig
kleineren Souveräne gerechnet. Als der schwarzrothgoldeue Strich durch seine
Rechnung fuhr, appellirte er an die vier Könige, die mit Olmütz verbündet wa¬
ren, und flehe da, das östreichische Hexarchenprojckt, welches man glücklich be¬
graben glaubte, taucht mit einem Mal frisch und munter aus den Fluthen der
Spree zu neuem Leben ans.

Davon können Sie überzeugt sein, daß, wie die Dinge jetzt stehen, Oest¬
reich mit vereinbaren wird. In der preußischen Note ist Nichts, womit das
Olmützer Cabinet nicht einverstanden sein könnte. Oestreich hat jeht freie Hand;
die Sorge für die Erziehung seiner uugeberdigen Kinder im Osten hat es bis
ans Weiteres dem russischen Hausfreund überlassen, so daß ihm die nöthige Muße
zur Jntervention in Rom und Toskana bleibt. Ju Deutschland wird es um so
derber und gröber sein Wörtlei" mitsprechen und zwar nicht als Fürst der deutsch¬
östreichischen Stämme, sondern auch als Pächter von Galizien, Grundherr in
Italien, Majoratsherr in Kroatien und Plantagenbcsitzer in Ungarn. Wer wird
einem so reichen, mächtige" Landedelmann, der noch obenein die Protektion deS
Selbstherrschers besitzt, nicht das erste Wort einräumen! Preußen hat dies ge¬
than, es hat der östreichischen Gesannntmouarchie das Principal über Deutschland
abgetreten!

Und doch, wie gesagt, hört mau keinen Jubel im Lager der schwarzgelben.
Es scheint, daß die Konstellation ihnen uicht geheuer vorkommt. Der "Lloyd"
verstieg sich sogar zu einem Warnungsruf an die Fürsten, sie möchten rasch mit
einem positiven Plan hervortreten, es sei Gefahr im Verzüge. Rasch! Als
hätten die Kabinette etwas Positives fertig! Als müßte das Wirbel nicht erst
Neun Monate lang in einem kosmopolitischen Badeort ausgetragen, begackert und
sorgfältig gebrütet werden.

Ja, kleinlaut wird die Freude der Schwarzenberg'sehen, denn sie trauen der
deutschen Geduld nicht mehr. Sie fürchten die Wirkung, die das Triumphgeschrei
der Republikaner haben wird: "Seht, Ihr habt fromm und gläubig gewartet,
die Souveräne mußten es euch erst schwarz uns weiß geben, daß -- sie Sou¬
veräne siud. Haben wir euch nicht vor Jahr und Tag gesagt, daß die schwerste
Noth von den Großmächten kommen wird? Daß auch Preußen, trotz seines


Es ist und bleibt aber diese Note ein Triumph des bornirten Schwarzen¬
berg über die diplomatische Intelligenz von Berlin, wo sehr viel Geist, Geschmack
und Treibhausrvmcmtik, und sehr wenig Muth, weder zum Guten noch zum Bösen,
zu Hause ist. Es fällt schwer, diesen kläglichen Entschluß, Nichts zu beschließen,
anders auszulegen denn als eine Olmützer Eingebung und einen Sehusuchtsblick
nach Oben, auf den König der Könige am Newastrand, nach dem nordöstlichen
Winterhimmel, von wo die prachtvollste Fata Morgana einer neuen heiligen Allianz
oder eines europäischen Brandes herübertönte.

Offenbar hatte Manteuffel nicht ans die Einstimmung der achtundzwanzig
kleineren Souveräne gerechnet. Als der schwarzrothgoldeue Strich durch seine
Rechnung fuhr, appellirte er an die vier Könige, die mit Olmütz verbündet wa¬
ren, und flehe da, das östreichische Hexarchenprojckt, welches man glücklich be¬
graben glaubte, taucht mit einem Mal frisch und munter aus den Fluthen der
Spree zu neuem Leben ans.

Davon können Sie überzeugt sein, daß, wie die Dinge jetzt stehen, Oest¬
reich mit vereinbaren wird. In der preußischen Note ist Nichts, womit das
Olmützer Cabinet nicht einverstanden sein könnte. Oestreich hat jeht freie Hand;
die Sorge für die Erziehung seiner uugeberdigen Kinder im Osten hat es bis
ans Weiteres dem russischen Hausfreund überlassen, so daß ihm die nöthige Muße
zur Jntervention in Rom und Toskana bleibt. Ju Deutschland wird es um so
derber und gröber sein Wörtlei» mitsprechen und zwar nicht als Fürst der deutsch¬
östreichischen Stämme, sondern auch als Pächter von Galizien, Grundherr in
Italien, Majoratsherr in Kroatien und Plantagenbcsitzer in Ungarn. Wer wird
einem so reichen, mächtige» Landedelmann, der noch obenein die Protektion deS
Selbstherrschers besitzt, nicht das erste Wort einräumen! Preußen hat dies ge¬
than, es hat der östreichischen Gesannntmouarchie das Principal über Deutschland
abgetreten!

Und doch, wie gesagt, hört mau keinen Jubel im Lager der schwarzgelben.
Es scheint, daß die Konstellation ihnen uicht geheuer vorkommt. Der „Lloyd"
verstieg sich sogar zu einem Warnungsruf an die Fürsten, sie möchten rasch mit
einem positiven Plan hervortreten, es sei Gefahr im Verzüge. Rasch! Als
hätten die Kabinette etwas Positives fertig! Als müßte das Wirbel nicht erst
Neun Monate lang in einem kosmopolitischen Badeort ausgetragen, begackert und
sorgfältig gebrütet werden.

Ja, kleinlaut wird die Freude der Schwarzenberg'sehen, denn sie trauen der
deutschen Geduld nicht mehr. Sie fürchten die Wirkung, die das Triumphgeschrei
der Republikaner haben wird: „Seht, Ihr habt fromm und gläubig gewartet,
die Souveräne mußten es euch erst schwarz uns weiß geben, daß — sie Sou¬
veräne siud. Haben wir euch nicht vor Jahr und Tag gesagt, daß die schwerste
Noth von den Großmächten kommen wird? Daß auch Preußen, trotz seines


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[0253] Es ist und bleibt aber diese Note ein Triumph des bornirten Schwarzen¬ berg über die diplomatische Intelligenz von Berlin, wo sehr viel Geist, Geschmack und Treibhausrvmcmtik, und sehr wenig Muth, weder zum Guten noch zum Bösen, zu Hause ist. Es fällt schwer, diesen kläglichen Entschluß, Nichts zu beschließen, anders auszulegen denn als eine Olmützer Eingebung und einen Sehusuchtsblick nach Oben, auf den König der Könige am Newastrand, nach dem nordöstlichen Winterhimmel, von wo die prachtvollste Fata Morgana einer neuen heiligen Allianz oder eines europäischen Brandes herübertönte. Offenbar hatte Manteuffel nicht ans die Einstimmung der achtundzwanzig kleineren Souveräne gerechnet. Als der schwarzrothgoldeue Strich durch seine Rechnung fuhr, appellirte er an die vier Könige, die mit Olmütz verbündet wa¬ ren, und flehe da, das östreichische Hexarchenprojckt, welches man glücklich be¬ graben glaubte, taucht mit einem Mal frisch und munter aus den Fluthen der Spree zu neuem Leben ans. Davon können Sie überzeugt sein, daß, wie die Dinge jetzt stehen, Oest¬ reich mit vereinbaren wird. In der preußischen Note ist Nichts, womit das Olmützer Cabinet nicht einverstanden sein könnte. Oestreich hat jeht freie Hand; die Sorge für die Erziehung seiner uugeberdigen Kinder im Osten hat es bis ans Weiteres dem russischen Hausfreund überlassen, so daß ihm die nöthige Muße zur Jntervention in Rom und Toskana bleibt. Ju Deutschland wird es um so derber und gröber sein Wörtlei» mitsprechen und zwar nicht als Fürst der deutsch¬ östreichischen Stämme, sondern auch als Pächter von Galizien, Grundherr in Italien, Majoratsherr in Kroatien und Plantagenbcsitzer in Ungarn. Wer wird einem so reichen, mächtige» Landedelmann, der noch obenein die Protektion deS Selbstherrschers besitzt, nicht das erste Wort einräumen! Preußen hat dies ge¬ than, es hat der östreichischen Gesannntmouarchie das Principal über Deutschland abgetreten! Und doch, wie gesagt, hört mau keinen Jubel im Lager der schwarzgelben. Es scheint, daß die Konstellation ihnen uicht geheuer vorkommt. Der „Lloyd" verstieg sich sogar zu einem Warnungsruf an die Fürsten, sie möchten rasch mit einem positiven Plan hervortreten, es sei Gefahr im Verzüge. Rasch! Als hätten die Kabinette etwas Positives fertig! Als müßte das Wirbel nicht erst Neun Monate lang in einem kosmopolitischen Badeort ausgetragen, begackert und sorgfältig gebrütet werden. Ja, kleinlaut wird die Freude der Schwarzenberg'sehen, denn sie trauen der deutschen Geduld nicht mehr. Sie fürchten die Wirkung, die das Triumphgeschrei der Republikaner haben wird: „Seht, Ihr habt fromm und gläubig gewartet, die Souveräne mußten es euch erst schwarz uns weiß geben, daß — sie Sou¬ veräne siud. Haben wir euch nicht vor Jahr und Tag gesagt, daß die schwerste Noth von den Großmächten kommen wird? Daß auch Preußen, trotz seines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/253>, abgerufen am 15.01.2025.