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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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ist Hoffnung da, mit Preußen nicht zu brechen, bald wieder ist Baiern schon von
dem furchtbaren preußischen Fiscus verschlungen und man sieht nur noch schwache
Spuren ehemaliger Größe aus seinem Maul herausragen, bald fällt Baiern dem
Oestreichs, an Siegen und an Ehren reich, liebeglühend um den Hals, bald wie¬
der beschließt es Verrath witternd auch ohne Oestreich fest zu stehen und allein
durch seine Entscheidung, d. h. Unentschiedenheit die deutsche Einheit und Freiheit
zu retten; jeden Tag. hat hier Baiern einen andern Zollverband, heute mit Preußen,
morgen mit Oestreich, übermorgen mit sich allein; auch an Drohungen, schlimm¬
sten Falles lieber mit dem freien Frankreich als dem absolutistischen Preußen zu
stehen, hat es im Laufe vorigen Sommers nicht gefehlt.

Es ist, kurz gesagt, eine elende Wirthschaft in unseren Regicrungskrcisen und
die neulichen Worte eines ihrer östreichischen Korrespondenten passen auch auf
Baiern: "es ist wunderbar, mit wie wenig Witz die Welt regiert wird."




Briefe ans Oestreich.
Von einem deutschen Reisenden.



Am ersten Mai -- zugleich mit der offiziellen Anmeldung der nordischen
Godegisel -- erhielten wir eine wahlverwandte Bescheerung: die letzte preußische
Nundnote, die ihren Vcreinbaruugs - Mehlthan svrgsamlich bis auf das letzte
Gänseblümchen des deutschen Völkersrichlings träufelt.

Nach dem ersten Anfall von Zorn, Ekel und Entmuthigung überraschte mich
die fast athemlose Stille im Lager unserer Feinde. Sie selbst schienen verblüfft
über diesen Triumph Schwarzenberg's. So große Wunder sie sich von dem ro¬
mantischen Wankelmuth des vierten Friedrich Wilhelm versprachen, -- das hatten sie
nicht erwartet; am wenigsten jetzt, nachdem man hier Miene machte, sich mit Er¬
gebung in das Unvermeidliche zu fügen und für das verlorene Buudestagspräsi-
dium sich durch den Vorsitz im sogenannten weitern Bunde zu trösten. In diesem
Augenblick bläst der König von Preußen sammt der Verfassung des Reichs ") seine
Einheit um, droht mit einem Fürflencongreß und hängt die Zornruthe der Octroyi-
rung aus. Und dennoch geizt der "Lloyd" mit seinem Bravorufen, und der
"Oestreichische Korrespondent" gibt nur ein gedämpftes Hosiannah! von sich.



*) Die Reichsverfassung hat den kostbaren Fehler, jene republikanischen Grundsteine z"
enthalte", ohne welche die constittitionelle Monarchie moderner Zeit zur beliebten Louis Ph>-
lippistischen üüge wird. Der Eins.

ist Hoffnung da, mit Preußen nicht zu brechen, bald wieder ist Baiern schon von
dem furchtbaren preußischen Fiscus verschlungen und man sieht nur noch schwache
Spuren ehemaliger Größe aus seinem Maul herausragen, bald fällt Baiern dem
Oestreichs, an Siegen und an Ehren reich, liebeglühend um den Hals, bald wie¬
der beschließt es Verrath witternd auch ohne Oestreich fest zu stehen und allein
durch seine Entscheidung, d. h. Unentschiedenheit die deutsche Einheit und Freiheit
zu retten; jeden Tag. hat hier Baiern einen andern Zollverband, heute mit Preußen,
morgen mit Oestreich, übermorgen mit sich allein; auch an Drohungen, schlimm¬
sten Falles lieber mit dem freien Frankreich als dem absolutistischen Preußen zu
stehen, hat es im Laufe vorigen Sommers nicht gefehlt.

Es ist, kurz gesagt, eine elende Wirthschaft in unseren Regicrungskrcisen und
die neulichen Worte eines ihrer östreichischen Korrespondenten passen auch auf
Baiern: „es ist wunderbar, mit wie wenig Witz die Welt regiert wird."




Briefe ans Oestreich.
Von einem deutschen Reisenden.



Am ersten Mai — zugleich mit der offiziellen Anmeldung der nordischen
Godegisel — erhielten wir eine wahlverwandte Bescheerung: die letzte preußische
Nundnote, die ihren Vcreinbaruugs - Mehlthan svrgsamlich bis auf das letzte
Gänseblümchen des deutschen Völkersrichlings träufelt.

Nach dem ersten Anfall von Zorn, Ekel und Entmuthigung überraschte mich
die fast athemlose Stille im Lager unserer Feinde. Sie selbst schienen verblüfft
über diesen Triumph Schwarzenberg's. So große Wunder sie sich von dem ro¬
mantischen Wankelmuth des vierten Friedrich Wilhelm versprachen, — das hatten sie
nicht erwartet; am wenigsten jetzt, nachdem man hier Miene machte, sich mit Er¬
gebung in das Unvermeidliche zu fügen und für das verlorene Buudestagspräsi-
dium sich durch den Vorsitz im sogenannten weitern Bunde zu trösten. In diesem
Augenblick bläst der König von Preußen sammt der Verfassung des Reichs ") seine
Einheit um, droht mit einem Fürflencongreß und hängt die Zornruthe der Octroyi-
rung aus. Und dennoch geizt der „Lloyd" mit seinem Bravorufen, und der
„Oestreichische Korrespondent" gibt nur ein gedämpftes Hosiannah! von sich.



*) Die Reichsverfassung hat den kostbaren Fehler, jene republikanischen Grundsteine z»
enthalte», ohne welche die constittitionelle Monarchie moderner Zeit zur beliebten Louis Ph>-
lippistischen üüge wird. Der Eins.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/252>, abgerufen am 15.01.2025.