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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Sehen aber die Männer, denen die Leitung Preußens anvertraut ist, aus
Trägheit und Unentschlossenst müssig zu, wie die Geschicke sich erfüllen; stellen
ihnen die Volksvertreter nicht ein bestimmtes Prinzip, sondern nur kleinliche
Mäckeleien entgegen -- dann haben wir uns in Preußens welthistorischen Beruf
geirrt, dann gehe unter, was nicht werth ist zu existiren.




Bilder und Stimmen ans Oestreich.



Rlagen ans Wien.

Die Leipziger Buchhändler sollten unsrem Ministerium eine Dankadresse einsenden,
einen größeren Liebesdienst konnte es ihnen nicht erweisen als mit dem neuen Gesetz
gegen den Mißbrauch der Presse. Der Minister Bach, der ehemalige Democrat, meint,
dieses Gesetz sei zum Schutze der Freiheit der Presse! Welchen Schutz aber die Presse
genießt, beweist so eben, daß Der Ministercollege Bachs, der Redacteur Schwarzer vor's
Kriegsgericht gezogen wurde, und sogar seine sämmtlichen Mitarbeiter und Korrespon¬
denten namhaft machen mußte, gegen die wahrscheinlich ebenfalls ein Standrechtsproceß
eingeleitet wird. Wenn Pillersdvrf nicht zufällig Baron wäre, der Gouverneur Mel¬
den hätte ihn gewiß auch schon vor seinen Säbel schleppen lassen, denn Pillersdvrf
schrieb sowohl in die ostdeutsche Post, wie in die allgemeine östreichische Zeitung Artikel,
welche beide Organe bereits verboten wurden; ja man behauptet sogar, daß grade die
Pillersdorf'sehen Aufsätze, als am tiefsten und kräftigsten eingehend in die Gebrechen
der jetzigen Verwaltung, das Ministerium und die Militärgewalt am meisten verletzten,
vielleicht hat man nur noch einige Scheu, den Premierminister PillerSdorf Nachts mit
Soldaten aus dem Bette zu holen; das geschieht später auch; für jetzt schickt man um
Mitternacht die Soldateska zu Knranda und Fränkl; die Commissäre dulden nicht, daß
die Dienerschaft diese weckt, sondern stürzen mit Hast in die Schlafgemächer
der Verheiratheten und zerren sie aus den Betten zu ihren Kästen und
Schreibtischen, wo Alles durchstöbert ward. Von einem richterlichen Befehl, von An¬
gabe eines Grundes, ist natürlich keine Rede. Melden scheert sich weder ums Mini¬
sterium noch um dessen Reichsverfassung. Die Soldaten hatten aber doch einen Befehl
in der Hand. Er soll gelautet haben: falls Etwas zum Aufruhr Anregendes (?!) oder
Hvchverräthcrisches (??) gefunden würde, die Jncnlpirten sogleich zu arretiren und vor's
Kriegsgericht zu stellen." -- Wie unschuldig müssen die Papiere gewesen sein, daß ein


Sehen aber die Männer, denen die Leitung Preußens anvertraut ist, aus
Trägheit und Unentschlossenst müssig zu, wie die Geschicke sich erfüllen; stellen
ihnen die Volksvertreter nicht ein bestimmtes Prinzip, sondern nur kleinliche
Mäckeleien entgegen — dann haben wir uns in Preußens welthistorischen Beruf
geirrt, dann gehe unter, was nicht werth ist zu existiren.




Bilder und Stimmen ans Oestreich.



Rlagen ans Wien.

Die Leipziger Buchhändler sollten unsrem Ministerium eine Dankadresse einsenden,
einen größeren Liebesdienst konnte es ihnen nicht erweisen als mit dem neuen Gesetz
gegen den Mißbrauch der Presse. Der Minister Bach, der ehemalige Democrat, meint,
dieses Gesetz sei zum Schutze der Freiheit der Presse! Welchen Schutz aber die Presse
genießt, beweist so eben, daß Der Ministercollege Bachs, der Redacteur Schwarzer vor's
Kriegsgericht gezogen wurde, und sogar seine sämmtlichen Mitarbeiter und Korrespon¬
denten namhaft machen mußte, gegen die wahrscheinlich ebenfalls ein Standrechtsproceß
eingeleitet wird. Wenn Pillersdvrf nicht zufällig Baron wäre, der Gouverneur Mel¬
den hätte ihn gewiß auch schon vor seinen Säbel schleppen lassen, denn Pillersdvrf
schrieb sowohl in die ostdeutsche Post, wie in die allgemeine östreichische Zeitung Artikel,
welche beide Organe bereits verboten wurden; ja man behauptet sogar, daß grade die
Pillersdorf'sehen Aufsätze, als am tiefsten und kräftigsten eingehend in die Gebrechen
der jetzigen Verwaltung, das Ministerium und die Militärgewalt am meisten verletzten,
vielleicht hat man nur noch einige Scheu, den Premierminister PillerSdorf Nachts mit
Soldaten aus dem Bette zu holen; das geschieht später auch; für jetzt schickt man um
Mitternacht die Soldateska zu Knranda und Fränkl; die Commissäre dulden nicht, daß
die Dienerschaft diese weckt, sondern stürzen mit Hast in die Schlafgemächer
der Verheiratheten und zerren sie aus den Betten zu ihren Kästen und
Schreibtischen, wo Alles durchstöbert ward. Von einem richterlichen Befehl, von An¬
gabe eines Grundes, ist natürlich keine Rede. Melden scheert sich weder ums Mini¬
sterium noch um dessen Reichsverfassung. Die Soldaten hatten aber doch einen Befehl
in der Hand. Er soll gelautet haben: falls Etwas zum Aufruhr Anregendes (?!) oder
Hvchverräthcrisches (??) gefunden würde, die Jncnlpirten sogleich zu arretiren und vor's
Kriegsgericht zu stellen." — Wie unschuldig müssen die Papiere gewesen sein, daß ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/25>, abgerufen am 15.01.2025.